Russlandtag in Mecklenburg-Vorpommern: Hoch soll er leben!
Viele Nettigkeiten, wenig Kritik: In Rostock zeigt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), wie sie sich den Umgang mit Russland vorstellt.
Zum vierten Mal seit 2014 richtet die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns am Mittwoch den Russlandtag aus. Auf der Konferenz kommen Wirtschaftsvertreter*innen und Politiker*innen aus Deutschland und Russland zusammen, dieses Jahr coronabedingt im Hybridformat. Die Veranstaltung soll die gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen stärken – ist seit ihrer Gründung aber hoch umstritten.
Damals, 2014, hatte Russland gerade die Krim annektiert. Statt Außenhandelsförderung standen Sanktionen auf der Tagesordnung. Sieben Jahre später hat sich an der Situation nichts grundlegend geändert. Gerade erst hat Moskau drei deutschen Organisationen die Betätigung in Russland untersagt. Die deutsche Seite des Petersburger Dialogs, des etabliertesten deutsch-russischen Gesprächsforums, hat daher die Zusammenarbeit mit den russischen Partner*innen ausgesetzt. An die Landesregierung in Schwerin gab es Forderungen, auch den Russlandtag abzusagen. Sie zieht ihre Veranstaltung aber durch.
Kritik ausbaufähig
„Ich bin fest davon überzeugt, dass es gerade in schwierigen Zeiten wichtig ist, im Dialog zu bleiben“, sagt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in ihrer Eröffnungsrede. „Dialog bedeutet für uns, auf die Gemeinsamkeiten zu setzen und natürlich auch Kritik anzusprechen.“ Das sei immer noch besser, als „Türen zuzuschlagen“.
Kritik bekommen die Vertreter der russischen Regierung – in Rostock sitzt der Botschafter auf dem Podium, aus Sankt Petersburg ist unter anderem der Vize-Industrieminister zugeschaltet – dann allerdings kaum zu hören. Es gebe, so Schwesig, Themen wie „Menschenrechte, Umgang mit Oppositionellen, wo es viel Kritik gibt und wo wir unsere Bundesregierung unterstützen“. Das war es dann aber auch schon. Den Krieg in der Ukraine, den Streit um die Flugzeugentführung in Belarus oder die zugeschlagenen Türen für die deutschen NGOs in Russland erwähnt auf dem Russlandtag niemand.
Stattdessen: Geburtstagsglückwünsche für den russischen Botschafter und Solidaritätsbekundungen für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2, das die Landesregierung mit Hilfe einer eigens gegründeten Stiftung gegen US-Sanktionen durchsetzen möchte. „Wir halten den Bau nach wie vor für richtig“, sagt Schwesig. Die Fertigstellung sei im Interesse Deutschlands, Russlands und „vieler weiterer europäischer Länder“.
Vertreter*innen osteuropäischer EU-Staaten würden an dieser Stelle wohl widersprechen, sind bei der Veranstaltung in Rostock aber nicht dabei. Stattdessen bedankt sich Reinhard Ontyd von der Nord Stream 2 AG, die die Veranstaltung mitfinanziert, bei der Ministerpräsidentin. „Die Landesregierung unterstützt das Projekt und hat das immer deutlich gemacht“, sagt er.
Immer wieder hätten Schwesig und Co. gefragt: „Wie kommt ihr weiter, wie können wir helfen?“ Glücklich ist an seinem Geburtstag auch der russische Botschafter Sergei Netschajew. „Dialog auf Augenhöhe ohne Levitenlesen und Sanktionen ist für uns gravierend wichtig“, sagt er. Der Russlandtag stimme ihn da optimistisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles