Russland verbietet deutsche NGOs: „Unerwünscht“
Russland hat neue Sicherheitsrisiken gefunden: drei NGOs. Zivilgesellschaftliche Partner vor Ort machen sich jetzt also strafbar.

Haben keine Lust auf Zivilgesellschaft: Putin und sein Russland Foto: Sergei Ilyin/dpa
BERLIN taz | Drei deutsche Nichtregierungsorganisationen sind in Russland für unerwünscht erklärt worden. Das meldete die russische Onlineplattform insider.ru unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Interfax. Zu diesem Ergebnis sei die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation nach Sichtung entsprechender Materialien gekommen. Dort sei man der Ansicht, dass die Tätigkeit dieser Organisationen eine Bedrohung für die Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung und die Sicherheit der Russischen Föderation darstelle.
Bei den Betroffenen handelt es sich um das Forum Russischsprachiger Europäer e. V., das Zentrum für die Liberale Moderne GmbH (LibMod) sowie den Deutsch-Russischen Austausch e. V.
Ralf Fücks, Mitbegründer und geschäftsführender Gesellschafter von LibMod, bezeichnete die Entscheidung als einen Willkürakt. Sie ziele darauf ab, die Zusammenarbeit mit russischen Partnern mit einem Federstrich zu beenden. „Wer sich kritisch mit der russischen Politik auseinandersetzt, muss damit rechnen, aus dem Land gedrängt zu werden. Gleichzeitig wird damit der russischen Zivilgesellschaft ihre politische und finanzielle Unterstützung aus dem Westen entzogen“, so Fücks weiter.
LibMod unterhält unter anderem ein deutsch-russisches Dialogprojekt mit dem Sacharow-Zentrum in Moskau und kooperiert mit zahlreichen russischen Expert*innen in den Themenfeldern „Klimawandel und ökonomische Modernisierung Russlands“. Das dürfte in Zukunft schwieriger, wenn nicht gar unmöglich werden: Russische Staatsbürger*innen, die mit derart inkriminierten Organisationen aus dem Ausland zusammenarbeiten, machen sich strafbar. Das führt in Russland auch schnell ins Gefängnis.
Maas: „Befremdlich und inakzeptabel“
Auch Stefan Melle, seit 2006 Leiter des Deutsch-Russischen Austauschs, sieht düsteren Zeiten entgegen. Der jüngste Winkelzug Moskaus habe ihn jedoch nicht überrascht, da es bereits einige Anzeichen dafür gegeben habe. So sei der Deutschen Botschaft in Moskau im April mitgeteilt worden, dass der Duma-Ausschuss, der sich mit Fragen der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Russischen Föderation“ befasst, auch seine Organisation kritisch beobachte, sagte Melle der taz.
Die NGO hat sich der Stärkung der russischen Zivilgesellschaft verschrieben. Dazu gehören Aktivitäten wie Jugendaustausch- und Freiwilligenprogramme, Kooperationen in den Bereichen Klima- und Umweltschutz sowie Inklusionsprojekte für kulturelle Einrichtungen. Das Thema Konfliktbearbeitung in der Ostukraine (Donbass) ist ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit.
Der Deutsch-Russische Austausch werde nicht mehr in Russland arbeiten können. Daher seien die Auswirkungen der Entscheidung für dessen Tätigkeit gravierend. Jetzt gelte es auszuloten, welche Nicht-vor-Ort-Projekte weitergeführt werden könnten. „Das alles trifft mich tief und schadet allen, vor allem auch den Menschen in Russland“, sagt Melle.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas, SPD, nannte die Entscheidung des russischen Generalstaatsanwalts „befremdlich und inakzeptabel“. „Das ist ein herber Rückschlag für unsere Bemühungen, ein besseres Verhältnis zu Russland zu erreichen.“
Unterdessen hat eine weitere, ebenfalls unerwünschte NGO in Russland die Waffen gestreckt. Am Donnerstag gab Offenes Russland seine Auflösung bekannt. Dies geschehe, um die Mitarbeiter*innen zu schützen, hieß es zur Begründung.
Leser*innenkommentare
97287 (Profil gelöscht)
Gast
Ein Verein und eine GmbH sind also mittlerweile eine NGO. Das wird die Karnickel und Taubenzüchter freuen.
Ist der Titel NGO eigentlich rechtlich geschützt ?
Pfanni
Wer glaubt, das war schon alles und schlimm genug, irrt! Die FR meldete neulich: „Putin plant TV-Sender in Deutschland“.
Einer der Chefs dieses geplanten Senders, Alexander Korostelev, ist überzeugt, die Deutschen hätten eine Affinität zu Russland. „Wir wollen, dass die Deutschen Russland besser verstehen“, sagte er. Eigentlich klar: Damit die dummen Deutschen endlich verstehen, warum Russland die deutschen NGOs verbieten muss!
www.fr.de/politik/...skau-90477544.html
Markus Hanf
Das LibMod wurde gegründet um eben Russland auch zu schädigen oder deren Politik zurückzudrängen. Das ist zumindest auch das erklärte Ziel gewesen. Also ganz uneigenützig ist das nicht gegründet worden. Vielmehr kann man schon annehmen. Der einzige Existenzzweck von LibMod ist anti-russische Stimmungsmache, nur dazu wurde die Stiftung von Marieluise Beck und ihrem Mann Ralf Fücks 2017 gegründet. Und das behaupte nicht ich, das hat bei der Gründung der Stiftung niemand verheimlicht damals: taz.de/Gruene-Ex-P...ink-Tank/!5463620/
Wie würde es aussehen, wenn Russland nun eine Stiftung gründet mit dem zweck: "Merkels regime muss unterbunden werden"? Was würden wir dann sagen?
Also wir sollten da schon ein wenig bei den Tatsachen bleiben. Dass es so große Konflikte gibt liegt auch in dieser einseitigen Doppelmoral.
Pfanni
@Markus Hanf „Wie würde es aussehen, wenn Russland nun eine Stiftung gründet mit dem Zweck: "Merkels Regime muss unterbunden werden"?“
Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit. Sowas hat Putin bereits in Arbeit, auch wenn es sich nicht „Stiftung“ nennt.
Siehe: www.fr.de/politik/...skau-90477544.html
Cerberus
@Markus Hanf Fakt ist: Eine Stiftung "Merkels Regime muss unterbunden werden" würde in Deutschland nicht verboten werden.
Aber immerhin deutet ihr Vergleich den feinen Unterschied zumindest an - hier eine freiheitliche Grundordnung, die sich vor liberalem Geist, der auch mal widerspricht, nicht zu fürchten braucht und ein despotisches System, welches am liebsten sogar die Gedanken ihrer Bürger unter Kontrolle bringen möchte in Putinhausen.
Barbara Falk
Das mit den "Nicht-vor-Ort-Projekten" wird schwierig werden. Nach der jüngsten Verschärfung des Gesetzes über "unerwünschte Organisationen" können sich Russen auch dann strafbar machen (bis hin zu mehrjährigen Haftstrafen), wenn sie an "Maßnahmen" so einer Organisation IM Ausland teilnehmen.
Ansonsten: Ist das eine traurige, aber nicht verwunderliche Entwicklung. Und leider wird das nicht das Ende sein, da geht noch was: Die russischen Vertretungen deutscher Parteien- und Bildungsstiftungen, das DHI, der DAAD etc.
Michael Myers
„Das ist ein herber Rückschlag für unsere Bemühungen, ein besseres Verhältnis zu Russland zu erreichen.“
Lediglich die "tiefe Besorgnis" hat noch gefehlt, um die üblichen Worthülsen der deutschen Außenpolitik in Sachen Russland zu komplettieren.
Die zweite Gasröhre wird natürlich in Betrieb genommen. Putins Umfeld, das längst nicht mehr in die USA einreisen darf, darf weiterhin nach Deutschland einreisen.
Deutschland tut nix, aber auch wirklich gar nix von dem, was Putin auch nur ein bisschen weh tun würde, nämlich:
- Putins Umfeld die Einreise in die EU zu verbieten und Vermögenswerte einzufrieren (die USA und sechs weitere Länder tun es, siehe Magnitsky Act)
- Nordstream 2 absagen und die beteiligten Firmen, die dieses Hochrisikogeschäft wollten, auf den Kosten sitzen lassen (die USA fordern das)
- so wie die USA es tun die Ukraine mit modernen Waffen beliefern, um sich gegen den russischen Überfall zu wehren.
Kein Wunder, dass Deutschland in Washington mittlerweile als unsicherer Kantonist gilt, dem die Komplizenschaft mit Putn wichtiger ist als das Einstehen für westliche Werte und Verteidigung Europas. Die deutsche Außenpolitik ist echt auf den Hund gekommen.