Russland und das Kino aus dem Westen: Barbies Schleichwege

Die großen Hollywoodfirmen boykottieren Russland – aber nicht alle. Und auch deutsche Filmproduktionen laufen trotz Krieg weiter in russischen Kinos.

Blick in einen leeren Kinosaal.

Hier laufen einige Filme aus Hollywood: Blick in einen Kinosaal in Moskau, September 2022 Foto: SNA/imago

Das Eröffnungswochenende von „Hypnotic“ war das schlechteste in der Karriere Ben Afflecks. Der Actionthriller, der im Frühjahr 2023 in die Kinos kam, erhielt durchwachsene Kritiken, auf der Filmreview-Plattform Rotten ­Tomatoes konnte er einen mageren Score von 34 von 100 erzielen. In russischen Kinos jedoch war „Hypnotic“ im letzten Monat der meistgeschaute Film; dicht gefolgt von „Jeanne du Barry“, in dem Johnny Depp den französischen König Ludwig XV. mimt.

Von „Barbie“ oder „Oppenheimer“ keine Spur. Hollywoods Produktionsriesen wie Universal und Warner Bros. hatten mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Vertrieb ihrer Filme in Russland untersagt.

Einen branchenweiten Boykott gibt es jedoch nicht. Filme vieler kleiner und mittelgroßer Produktionsfirmen feiern weiterhin Premiere in Russland. Der russische Markt sei momentan leer, was den Verkauf von Filmen gen Moskau sehr verlockend mache, zitierte vor Kurzem die US-Zeitschrift The Hollywood Reporter einen Handelsvertreter der Branche.

Den dritten Platz der erfolgreichsten Filme des Jahres belegt in Russland der Actionhit „John Wick 4“ mit Keanu Reeves. Verantwortlich zeichnet hier Lionsgate Films, die als Produzenten von Kassenschlagern wie „The Hunger Games“ oder „La La Land“ nicht gerade zu den Zwergen im Business zählen.

Ach du Scheiße!

Über ­kinobusiness.com, ein russisches Marktportal, lassen sich auch die Einspielsummen deutscher Filme in Russland abrufen, etwa der Komödie „Ach du Scheiße!“ von Lukas Rinker aus dem Jahr 2022. Auf Anfrage bei dem zuständigen Weltvertrieb The ­Playmaker ­Munich, der den Verkauf des Films ins Ausland verantwortet, erklärt ein Sprecher, dass seit Januar 2023 keine Auswertungsrechte mehr an russische Lizenznehmer sublizenziert werden.

Der Lizenzvertrag von „Ach du Scheiße!“ sei jedoch vor dieser Policy-Einführung abgeschlossen worden. Andere Weltvertriebe scheinen jedoch keinen solchen Richtlinien zu verfolgen. Filme, die erst in diesem Jahr in die Kinos kamen, finden sich ebenfalls in der Liste. Auf Anfragen der taz reagierten die Vertriebe bis Redaktionsschluss jedoch nicht.

Wie das Unternehmen German Films, das an erster Stelle zuständig ist für die Vermarktung deutscher Filme, bestätigt, gibt es keinen generellen Boykott von deutscher Seite – weder aus der Produktion noch von den Weltvertrieben. Verkäufe nach Russland zu unterbinden, sei eine individuelle Entscheidung, die nur wenige Firmen träfen, sagt eine Sprecherin von German Films. Viele Firmen würden sich jedoch dazu nicht äußern oder verkauften weniger als früher.

Die offizielle Haltung internationaler Produktionsfirmen hat in Russland vielerorts wenig Konsequenzen. Online lassen sich die meisten Filme ohnehin problemlos streamen, und selbst in den Kinos laufen internationale Blockbuster mit einem kleinen Trick weiter: Wer eine Karte für eine russische Produktion kauft, die mit „Zusatzservice“ markiert ist, bekommt im Anschluss einen ausländischen Film zu sehen. Das ist zwar illegal, wird Berichten zufolge von russischen Behörden jedoch ignoriert.

Illegale Kinofassungen

Wie die Deutsche Presse-Agentur jüngst vermeldete, steht die russische Raub­ko­pie­in­dus­trie momentan allerdings vor Schwierigkeiten. Vor einiger Zeit seien Verkaufs- und Lieferwege für illegale Kinofassungen aufgeflogen, weshalb der Schwarzmarkt nun auf Onlineversionen von Filmen zurückgreifen müsse, die erst nach der internationalen Kinopremiere erscheinen. „Barbie“ zum Beispiel wird aufgrund der Kinoeinnahmen in Milliardenhöhe noch eine ganze Weile in den Kinos zu sehen sein, bevor der Film auf Streamingplattformen angeboten wird.

Doch die Raubkopierszene ist findig und wird Wege finden, auch in Russland in Bälde Kinoleinwände pink einzufärben. Von einem „Barbie“-Screening berichtet zumindest schon die in Russland gesperrte Onlinezeitung The Moscow Times. Demnach sei der Film von Greta Gerwig in der sibirischen Stadt Tjumen gezeigt worden, nicht allzu weit entfernt von der kasachischen Grenze.

Zuschauern zufolge muss die Synchronisation jedoch katastrophal gewesen sein. Dass zudem immer wieder Pop-up-Ads für Glücksspiele auf der Leinwand aufgetaucht sind, wird ebenfalls nicht gerade für Kinostimmung gesorgt haben.

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