Russland und Belarus: Blaupause zur Übernahme
Ein internes Papier zeigt, wie Russland sich bis 2030 schrittweise Belarus einverleiben will. Dabei ist die Annexion längst voll im Gange.
Laut Fahrplan soll sich die Eingemeindung von Belarus in mehreren Etappen vollziehen: Die belarussische soll der russischen Gesetzgebung angepasst, Minsks Außenpolitik – im Einklang mit den Interessen der Russischen Föderation – künftig in Moskau gemacht werden. Zudem wird die Präsenz russischen Militärs auf dem Territorium von Belarus aufgestockt.
Erhöht werden soll auch die Anzahl russischer Medien in Belarus. Zudem ist es ein erklärtes Ziel, den Vorrang der russischen vor der belarussischen Sprache wiederherzustellen. Das Verfahren zur Ausstellung russischer Pässe an belarussische Staatsbürger*innen soll vereinfacht werden, um dadurch „eine Schicht von Russ*innen zu schaffen, die an einer Integration interessiert ist“.
An der Ausarbeitung des Papiers waren neben dem Generalstab und dem Inlandsgeheimdienst FSB auch die Leitung des Militärnachrichtendienstes (GRU) sowie die Präsidialverwaltung beteiligt. Für letztere federführend tätig war laut der russischen Investigativplattform „Zentrum Dossier“ Alexei Filatow. Er hatte in der Vergangenheit die Interessen des Kremls in den von Georgien abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien vertreten sowie die „Zusammenarbeit“ Russlands mit den sogenannten ostukrainischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk in den Bereichen Humanitäres und Politik kuratiert.
Auch vor Bildung und Wissenschaft macht Russland nicht halt. Die Schaffung von Orten, um die russische Einheitsaufnahmeprüfung für Hochschulen (EGE) abzulegen, ist ebenso vorgesehen wie die Einrichtung von Wissenschafts- und Kulturzentren in den Städten Mogilow, Grodno und Witebsk.
Der Unionsvertrag von 1999 blieb ein Papiertiger
Grundlage für den Plan, der Belarus als eigenständigen Staat von der Landkarte tilgen würde, ist der Unionsvertrag von 1999. Den hatten der damalige russische Präsident Boris Jelzin und der belarussische Staatschef Alexander Lukaschenko unterzeichnet. Doch der Vertrag blieb ein Papiertiger. Immer wieder gelang es Lukaschenko, sich den Umarmungsversuchen erfolgreich zu widersetzen.
Damit ist es seit der gefälschten Präsidentenwahl vom 9. August 2020, die wochenlange Massenproteste zur Folge hatten, vorbei. Lukaschenko ist trotz aller massiven Repressionen gegen seine Kritiker*innen massiv geschwächt. Er ist nur noch ein Herrscher von Putins Gnaden.
Im November 2021 unterzeichneten Putin und Lukaschenko ein Dekret, das eine engere Kooperationen vorsieht – so eine gemeinsame Militärdoktrin, eine Vereinheitlichung der Wirtschaftsgesetzgebung sowie der Renten- und Steuersysteme. Seit dem Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine dient Belarus russischen Truppen als Aufmarschgebiet. Diese werden auch logistisch unterstützt. Ein offizieller Kriegseintritt von Belarus wird mehr und mehr wahrscheinlich. Russlands Landnahme ist praktisch in vollem Gange. Nun liegt der Annexionsplan auch schwarz auf weiß vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten