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Russland-Nato-KriseDer Weg ist nicht das Ziel

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Der Konflikt mit Russland kann nur dann dauerhaft gelöst werden, wenn der Westen – anders als in Afghanistan – weiß, was er eigentlich erreichen will.

Nebelkerze oder Rückzug in die Kaserne? Pressebild des russischen Militärs vom 18. Februar Foto: Russian Defense Ministry/ap

W er Zweifel hatte, ob Olaf Scholz die Rolle des Bundeskanzlers ausfüllen kann, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Sein Auftritt mit Wladimir Putin in Moskau war großes Kino. Souverän und wortgewandt konterte er die Behauptungen des russischen Präsidenten. Die Bälle flogen hin und her – selten ist eine Pressekonferenz so spannend und aufschlussreich verlaufen. Gekrönt wurde Scholz' Besuch in der russischen Hauptstadt von der Nachricht, dass die ersten Soldaten von der russisch-ukrainischen Grenze zurück in ihre Kasernen beordert worden seien.

Doch was zunächst wie ein Schritt in Richtung Entspannung und Frieden aussah, hat sich inzwischen als eine weitere Nebelkerze des Kremls entpuppt. Tatsächlich hat sich die Lage weiter zugespitzt, denn Putin hat inzwischen mit der Behauptung, in der umkämpften Ostukraine drohe ein Genozid, eine Rechtfertigung für eine Invasion auf den Verhandlungstisch geknallt. Von Truppenabzug ist offenbar keine Spur und zum ersten Mal seit gut 30 Jahren nimmt Russland an diesem Wochenende nicht an der Münchner Sicherheitskonferenz teil.

Die diplomatischen Kanäle dürften gerade glühen und auch in München wird sich alles um die Frage drehen: Wie kann ein Krieg verhindert werden? Doch dieses kurzfristige und unbestreitbar wichtige Ziel reicht nicht, um außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähig zu sein. Gerade die vergangenen Tage haben gezeigt, dass Putin nach Belieben die Alarmlampen aus- und wieder anknipsen kann und der Westen dabei keine gute Figur macht.

Der Grund dafür ist einfach: Die Nato-Staaten und die EU haben kein langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit Russland gemeinsam erreichen? Will der Westen durchsetzen, dass alle Staaten, auch die in Osteuropa, frei darüber entscheiden können, welche Bündnisse sie wählen und wohin sie sich orientieren? Oder ist das vorrangige Ziel, Russland sicherheitspolitisch zu integrieren, selbst wenn es bedeutet, dass man russische „Einflussphären“ anerkennt? Frei nach dem Motto: Hauptsache, es bleibt friedlich.

Kein zweites Afghanistan

Die Frage ist nicht einfach zu beantworten, doch es hilft niemandem, sie beiseite zu schieben. Der Weg ist ja nicht das Ziel. Verhandeln allein bringt wenig, wenn man das Ende nicht mitdenken kann. Auch der Streit darüber, was der Westen Russland in Bezug auf Nato-Osterweiterung versprochen hat oder auch nicht, bringt nicht weiter. Die Gespräche sind lange her und Zusagen, so es sie denn gab, können nicht für alle Zeiten und unter allen Umständen gelten.

Wie fatal eine ziellose Sicherheitspolitik des Westens sein kann, hat der Einsatz in Afghanistan gezeigt. Während die einen nur irgendwie ein bisschen Frieden zu sichern gedachten, wollten andere Al-Kaida vernichten, die Taliban dauerhaft vertreiben und einen „Regime Change“ erreichen. Die einen sprachen von Krieg, bei anderen war es das Wort, das nicht genannt werden darf. Ob der lange Einsatz in Afghanistan am Ende Sieg oder Niederlage war, kein niemand sagen. Denn was war nochmal das Ziel? Genau, es gab kein gemeinsames.

Und Afghanistan ist keine Ausnahme. Auch bei anderen Einsätzen und Konflikten – Mali oder Irak etwa – bleibt im Nebel, welches Ende anvisiert ist. Selbst die besten Strategien sind aber nur dann wirksam und erfolgreich, wenn klar ist, was man erreichen will.Schon bei der Annektion der Krim war außer scharfen Verurteilungen und Sanktionen, die Putin nur mäßig beeindruckten, nicht klar, wohin die Reise gehen soll. Will man erreichen, dass Russland die Krim wieder verlässt?

Oder soll verhindert werden, dass sich eine solche kalt durchgezogene Landnahme wiederholt? Und mit welcher Strategie soll sie verhindert werden? Es wird deshalb höchste Zeit, dass die Nato-Staaten und die EU sich über die aktuelle Krise hinaus verständigen, wie die zukünftige Sicherheitsarchitektur in Bezug auf Russland aussehen soll und wieviel sie kosten darf. Schließlich treffen harte Sanktionen nicht nur Putin.

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist der ideale Ort, um solche Ziele zu besprechen und Strategien zu entwickeln. Aber Reden allein ist noch keine Außen- und Sicherheitspolitik.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • " auch in München wird sich alles um die Frage drehen: Wie kann ein Krieg verhindert werden?"

    Gerade in München waren mehrheitlich die versammelt, die den Krieg kaum noch erwarten können.



    Das dürfte wohl kaum das richtige Forum sein.

    Die Russen sind ja auch nicht ohne Grund einer Konferenz ferngblieben auf der sie in den letzten Jahren bepöbelt, verlacht und verächtlich gemacht wurden.

    Frau Mertins verkennt auch, dass das Ziel bereits erreicht ist. Russland ist unser Feind, die Nato jubuliert, denn sie hat ihre Existenzberechtigung zurück.



    Eine gemeinsame "Sicherheitsarchitektur" mit Russland (Schrecken für die Nato) wird es nicht geben. Also alles paletti.

  • In der Ukraine gibt es auch jetzt keinen Frieden sondern schon sehr lange einen Bürgerkrieg, der nun durch den Aufmarsch der russischen Truppen wieder ins Bewusstsein gerückt ist. Das Ziel aller Bemühungen muss sein den Bürgerkrieg zu beenden, nicht mehr und nicht weniger. Und wenn am Ende der Verhandlungen autonome Provinzen in der Ostukraine stehen, dann ist das eben so - auch Italien hat autonome Provinzen. Hauptsache die Menschen können wieder in Frieden leben. Wenn man vorher schon festlegt, was bei Verhandlungen heraus kommen soll, braucht man eigentlich gar nicht zu verhandeln.

  • Meiner Meinung nach wird zu sehr auf der Frage herumgehackt, ob sich Länder wie die Ukraine "nach Westen" oder "nach Osten" orientieren sollen. So als gäbe es nur das "Modell NATO" und das "Modell Putin".

    Tatsächlich sollte es das Ziel sein, die demokratischen und zivilgesellschaftlichen Strukturen in der Ukraine zu stärken. Das hat nicht unbedingt etwas mit "Westorientierung" zu tun, denn auch in Asien gibt es mit Japan, der Mongolei und (unter Modi leider mit Eintrübungen) Indien Demokratien.

    Allerdings gehören zu einer echten Demokratie auch Mitbestimmungrechte _aller_ Ukrainer, einschließlich der russischsprachigen Menschen in der Ostukraine, die nun einmal politisch anders tickt als der Rest des Landes. Somit wäre eine Autonomie dieser Region, unabhängig von Minsk, wünschenswert.

    Mit dem Beharren auf Zentralismus und "Ukrainisierung" hat die Vorgängerregierung (Poroschenko) sich leider selbst ins Bein geschossen. Damit wurde Putin erst Gelegenheit gegeben, die Geschichte von der Diskriminierung der Ostukrainer, denen man beistehen müsste, aufrechtzuerhalten. Ein Riesenfehler, aber vielleicht kann man ihn noch korrigieren.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Die Nato-Staaten und die EU haben kein langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit Russland gemeinsam erreichen?""



    ==



    1..Leider habe ich nicht verstanden was Silke Mertens mit dem Afghanistan Vergleich sagen möchte.

    2..Die langfristigen Ziele in Europa: siehe Budapester Memorandum aus 1994, KSZE Schlussakte aus 1975, siehe Verträge zur deutschen Einigung, speziell den Teil, der den Zugang der Nato und Bewaffnung in bestimmten Teilen der Bundesrepublik regelt bzwh. aussschliesst.

    3..Die Frage die sich gegenwärtig stellt ist doch: Lässt sich ein Zustand des ""Nicht - Krieges"" überhaubt noch mit Russland gemeinsam erreichen ?

    Vieles was in den letzten Wochen passiert ist und gegenwärtig passiert spricht dagegen.

  • Die strategischen Überlegungen des Westens (wer auch immer dazugehören mag), gegenüber Russland sollten sich nicht auf Europa beschränken, sondern den ganzen außenpolitischen Aktionsradius des Kreml im Blick haben. Und dieser bedeutet in erster Linie: Diktaturen unterstützen wo immer es geht. Nicht nur Assad verdankt Putin seinen Verbleib an der Macht. In Syrien haben der Iran und Russland 500.000 Leichen produziert, aber nicht nur dort. Die Söldnertruppe Wagner operiert mittlerweile in mehreren Dutzend afrikanischen Staaten, wo die Gewaltherrscher an der Macht gehalten werden und im Gegenzug russische Unternehmen Schürfrechte an Allem möglichen bekommen, egal wie schmutzig das Geschäft ist (Stichwort blood diamonds, Kinderarbeit etc.). In Lateinamerika werden zweifelhafte Figuren wie Maduro u.a. mit Waffen beliefert. Putins Russland ist nicht nur eine Bedrohung für Frieden und Stabilität in Europa, sondern eine destruktive Kraft auf allen Kontinenten. Wer diese Gefahr aus dem Osten nicht erkennen kann oder will, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

    • @Michael Myers:

      " In Syrien haben der Iran und Russland 500.000 Leichen produziert..."



      Es ist schon etwas dummdreist, hier alle syrischen Bürgerkriegstoten einseitig der sogenannten 'Achse des Bösen' (Ronald Reagan) anzulasten. War da nicht auch mal der sogenannte 'Islamische Staat'. Herr Myers? Schon vergessen??

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @WBD-399:

        Der Aufstieg extremistischer Gruppen in Syrien war zum großen Teil das eigene Werk des Regimes, da Assad der Welt eine klare Wahl zwischen seiner säkularen Herrschaft und einer dschihadistischen Alternative präsentieren wollte.

        Mitte 2011 entließ das Regime Assad Hunderte militante Islamisten aus Gefängnissen, um die Rebellion des Volkes zu diskreditieren. Sie sollten extremistische Gruppen wie Ahrar al-Sham bilden, die bis heute eine sektiererische Agenda vertreten.

        Als zunehmende Verluste und Flucht aus Assads Armee die Syrische Arabische Armee schwächten, verließ sich das Regime zunehmend auf den Iran und auf Russland. Der Iran, ein langjähriger Verbündeter, der am Schutz einer lebenswichtigen Landroute zu seinem libanesischen Stellvertreter, der Hisbollah, interessiert ist, hat Milliarden in die Stützung des Regimes investiert.

        Letztendlich war Russland derjenige der den Massenmörder & Verbrecher Assad am Leben hielt -- indem Putin ab September 2015 begann in Syrien alles zu bombardieren was in irgendeiner Weise hilfreich gewesen wäre das Verbrecherregime zu stürzen.

        Klartext:



        Assad war die treibende Kraft Tod, Folter, Massenmord, Zerstörung und Vertreibung nach Syrien zu bringen.

        Das beweisen die Opferzahlen der Menschen die von Assadtruppen ermordet wurden, die von sämtlichen Menschenrechtsgruppen umfassend veröffentlicht wurden.

        Und Putins Massenbombardements ziviler Infrastruktur in Syrien inklusive Krankenhäuser & Schulen waren am Ende auschlaggebend für massenhaften Tod, Flucht der Hälfte der Bevölkerung und für das politische Überleben eines Massenmörders.

  • Hat die Autorin die verschiedene einigermaßen seriöse Presseberichte nicht gelesen? Klar gibt es auch da tendenziöse Meldungen. Aber das wichtigste Ziel der NATO-Staaten scheint doch zu sein, dass selbständige Staaten autonom die Entscheidungen für ihren Staat treffen können. Und bei einem Einmarsch des Möchte-Gern-Zaren wollen sie Sanktionen treffen, die auch in den eigenen Reihen schmerzhaft sein können.

    Da haben sich doch die NATO-Staaten durch den Kriegstreiber mehr aneinander angenähert als man erwarten konnte. Was in den nächsten Tagen und in der nächsten Zeit in dem Konflikt geschehen wird, kann niemand vorhersagen. Außer wenigstens teilweise der 'waschechte Demokrat', der seine eigenen Absichten kennt.

    So bewerte ich den Artikel als inkompetent. Ich erwarte doch nicht von der Redaktion der TAZ, dass Tatsachen tendenziös gemeldet werden.

    • @fvaderno:

      Das galt natürlich nicht für Kuba (1961) oder Ägypten (1956) oder Iran (1953).

  • 4G
    47601 (Profil gelöscht)

    Ich glaube kaum, daß "Irak" nur ein Konflikt war, wie sie schreiben. Es war ein auf Lügen gegründeter Angriffskrieg der USA gegen einen Staat, der von einem - nunmehr den USA nicht mehr gewogenem Machthaber geführt wurde und er hatte natürlich Ursachen, die alle kennen.



    Rußland betreffend sind sich USA und EU sicher einig. Sie hätten gar kein Problem mit Putin, wenn er Ihnen kostengünstig oder im besseren Falle kostenlos das gäbe was sie sich wünschen: Rohstoffe und Einflußsphäre. Leider spielt der eigenwillige Putin nicht so einfach mit wie seinerzeit Gorbatschow und Alkoholiker Jelzin. Dumm für den "Westen", daß Rußland nicht Grenada ist. Also muß eben ein Wirtschaftskrieg her in der Hoffnung, daß heute funktioniert, was vor dreißig Jahren vermeintlich fast geglückt wäre. Allerdings ist das heutige Rußland nicht die damalige angeschlagene Sowjetunion. Schlecht für EUSA!



    Welches Ziel kann denn eine Politik von Staaten haben, deren einziges Ziel und Daseinszweck die Erzeugung größtmöglichen Profites ist? Wenn es doch eins geben könnte, sollte doch der Westen zur Befriedung der Lage mit gutem Beispiel vorangehen und die "kalt durchgezogene Landnahme" von z.B. Australien, Neuseeland und Nordamerika beenden und das Land an die jeweiligen Indigenen Bevölkerungen zurückgeben.

  • "Die Nato-Staaten und die EU haben kein langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit Russland gemeinsam erreichen? Will der Westen durchsetzen, dass alle Staaten, auch die in Osteuropa, frei darüber entscheiden können, welche Bündnisse sie wählen und wohin sie sich orientieren? Oder ist das vorrangige Ziel, Russland sicherheitspolitisch zu integrieren, selbst wenn es bedeutet, dass man russische „Einflussphären“ anerkennt?"



    Das ist die zentrale Frage. Sie haben recht!

    • @Running Man:

      "Die Nato-Staaten und die EU haben kein langfristiges Ziel. Was wollen sie sicherheitspolitisch im Umgang mit Russland gemeinsam erreichen?"

      Nichts will der Westen gemeinsam mit Russland erreichen. Der Westen ist zu keiner Zusammenarbeit mit Russland bereit. Die Kommunikation Westen Richtung Russland besteht nur aus fordern, drohen belehren und über den Tisch ziehen wie im Falle UN-Resolution für Libyen.

      Russland ist unser Feind, gemeinsame Interessen gibt es nicht.