Russisches Uran unterwegs nach Lingen: Strahlende Fracht
Ein Schiff mit angereichertem Uran aus Russland ist unterwegs nach Niedersachsen. Atomgegner warnen: Mit Kernkraft bleibe die Abhängigkeit von Putin.
Ziel ist nach Angaben der Atomkraftgegner:innen Rotterdam, die Ankunft wird am Sonntag erwartet. Dort soll das Uran umgeschlagen und am nächsten Tag von einer niederländischen Spedition weiter nach Lingen gebracht werden. Die Kleinstadt ist Standort der einzigen deutschen Brennelementefabrik. Sie ist vom Atomausstieg ausgenommen und beliefert Atomkraftwerke in mehreren europäischen Ländern mit „frischen“ Brennstäben. Betrieben wird die Fabrik von Advanced Nuclear Fuels (ANF), einer Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome.
Das für Transportgenehmigungen nuklearer Frachten zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wollte „aus Sicherheitsgründen“ den laufenden Transport nicht bestätigen. Die Behörde hat im April 2021 jedoch insgesamt 35 Transporte von UF6 aus Russland nach Lingen genehmigt, der erste erfolgte im Juli des vergangenen Jahres.
Antragsteller und Absender dieser Frachten ist demnach das russische Unternehmen JSC Tenex Techsnabexport, das zu 100 Prozent dem staatlichen Atomkonzern Rosatom gehört. Die Genehmigung für die 35 Fuhren ist bis Ende dieses Jahres gültig. Weitere 32 Transporte mit Uran-Pellets nach Lingen erlaubte das BASE der russischen Aktiengesellschaft PJSC, davon erfolgten bislang vier Transporte.
„Unsere Bundesregierung arbeitet angeblich an der Energie-Unabhängigkeit von Russland und predigt harte Sanktionen“, sagt Alexander Vent vom Bündnis Atomkraftgegner:innen im Emsland. „Es passiert aber genau das Gegenteil: In Russland angereichertes Uran wird nach Deutschland gebracht und spült Putins Staatskonzern Rosatom weiter Geld in die Kriegskasse.“
Forderungen an Umweltministerin
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) müsse die Genehmigung für den laufenden Transport widerrufen und die Rückfahrt des Schiffes in die Wege leiten, verlangt Vent. Das Ministerium erklärte der taz, es sehe zwar „solche Transporte wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sehr kritisch“. Es bestehe aber keine Pflicht, das Ministerium über solche Transporte zu informieren. „Wir sind hierzu im Austausch mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Entscheidung über den Bezug von Uran aus Russland liege ausschließlich bei der Betreiberin der Fabrik: „Wir weisen darauf hin, dass Russland kein Monopol für Uranlieferungen besitzt. Der Bezug ist auch aus anderen Ländern möglich.“
Aus Sicht von Dirk Bannink vom niederländischen Atom-Dokumentations- und Recherchezentrum Laka zeigt der aktuelle Transport deutlich, dass ein Festhalten an Atomkraft nur eine weitere Form der Abhängigkeit von Russland darstellt: „Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine wurde der Kernenergiesektor auf Druck der Atomlobby von den internationalen Sanktionen ausgenommen, da Russland eine wichtige Rolle in der internationalen Kernenergiekette spielt.“
Wie Vladimir Sliviak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense berichtet, betreibt Rosatom weltweit Uranminen, unter anderem in Kanada und Namibia. Der Konzern sei in alle Verarbeitungsschritten – etwa der Konversion und Anreicherung von Uran – von ungefähr einem Viertel des EU-Bedarfes eingebunden. Auch am Krieg gegen die Ukraine sei Rosatom mit der Besetzung von Atomkraftwerken beteiligt.
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