Russischer Musiker verurteilt: Markiges Statement gegen den Krieg
Der russische Musiker Juri Schewtschuk äußerte sich gegen Russlands Einmarsch in der Ukraine. Trotz Geldstrafe lässt er sich nicht einschüchtern.
Am Dienstag geriet Schewtschuk wieder einmal in die Schlagzeilen, er hätte wohl gerne darauf verzichtet. Ein Gericht in Ufa, Hauptstadt der russischen Teilrepublik Baschkortostan südöstlich von Moskau, verurteilte den Musiker zu einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 Rubel (etwa 825 Euro). Die Anklage hatte auf „Diskreditierung der Streitkräfte Russlands“ gelautet. Der Vorwurf wird dieser Tage häufig bemüht, um gegen heimische Kritiker*innen der „Spezialoperation“ Russlands in der Ukraine vorzugehen.
Schewtschuk blieb am Dienstag der Verhandlung fern, ließ über seinen Anwalt jedoch eine Erklärung verlesen. Er sei immer gegen Krieg gewesen, in jedem Land und zu jeder Zeit. Alle Probleme und Komplikationen politischer Art zwischen Ländern und Völkern müssten durch Diplomatie gelöst werden, heißt es darin. Die Geldstrafe ist übrigens als Warnung zu verstehen. Im Wiederholungsfall könnte der Künstler im Gefängnis landen.
Ein glasklares Statement zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine war es auch, für das Schewtschuk jetzt die Geldstrafe erhielt. Bei einem gut besuchten Konzert am 18. Mai 2022 in Ufa hatte er gesagt: „Heimat, meine Freunde, das ist nicht der Arsch des Präsidenten, den man die ganze Zeit lecken und küssen muss. Heimat – das ist die arme alte Frau am Bahnhof, die Kartoffeln verkauft.“ Das Publikum quittierte diese Äußerungen laut dem britischen Guardian mit Jubel und stürmischem Applaus.
Immer schon gegen den Krieg
Das Engagement gegen den Krieg zieht sich wie ein roter Faden durch Schewtschuks Karriere, die Anfang der 80er Jahre mit seiner Band DDT begann. 1982 kam das zwei Jahre zuvor geschriebene Lied „Ne streljai“ (Schieß nicht) heraus – ein Protestsong gegen den Krieg in Afghanistan, der der Gruppe den Durchbruch und im selben Jahr bei dem Festival Goldene Stimmgabel einen Preis einbrachte.
Während der Zeit der Perestroika erlangten Schewtschuk und DDT Kultstatus, sparten jedoch auch weiter nicht mit Kritik mit den Mächtigen. Mit dem Lied „Mjertvyj Gorod. Roschdestwo“ (Tote Stadt. Weihnachten), das dem ersten Tschetschenienkrieg gewidmet ist (1994–1996), durfte sich der damalige Präsident Boris Jelzin angesprochen fühlen.
Zum Gegenstand der Berichterstattung in Russland wurde eine Begebenheit im Mai 2010. Da nahm Schewtschuk an einem Treffen mit dem damaligen russischen Regierungschef Wladimir Putin teil. Auf seine Frage, ob Putin das Land demokratisieren wolle und „Märsche der Unzufriedenen“ (Protestkundgebungen der russischen Opposition in den Jahren 2005 bis 2007) erneut niedergeschlagen würde, hatte Putin keine Antwort, dafür aber eine Frage: „Entschuldigung bitte, wie war doch gleich Ihr Name?“
Der dürfte sich Russlands Präsidenten in der Folgezeit wohl eingeprägt haben. Denn Schewtschuks Auftritte beschränkten sich nicht auf Konzertbühnen. So übernahm der Musiker die Behandlungskosten für Kriegsopfer in Tschetschenien, kaufte Prothesen und Rollstühle. Einnahmen von Konzerten überwies er an einen Hilfsfonds zur Unterstützung vom Krieg Betroffener in Tschetschenien, der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien und der Ukraine.
Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim im Jahr 2014 kommentierte er mit genauso scharfen Worten, wie Russlands aktuellen Feldzug gegen den Nachbarn Ukraine kurz nach dessen Beginn. „Wir werden wie durch ein Eisloch in die Vergangenheit, ins 19., 18. und 17. Jahrhundert gezogen. Die Menschen weigern sich, das zu akzeptieren“, gab Schewtschuk zu Protokoll.
Juri Schewtschuk
Am 10. Juli 2022 hätte in Moskau ein Konzert von DDT stattfinden sollen. Eigentlich. Doch dazu kam es nicht. In einem Post erklärte DDT dazu: „In diesem Jahr hat die sogenannte Spezialoperation begonnen. Die Gruppe DDT nimmt dazu eine prinzipielle Haltung ein – für den Frieden.“ Leider sei es den Organisatoren nicht gelungen, ihren Auftritt mit der Abteilung für regionale Sicherheit der Stadt Moskau abzustimmen, heißt es dort. „Wir haben unter Einsatz aller Kräfte und Ausnutzung aller Möglichkeiten versucht, an dem Auftritt festzuhalten – vergeblich.“
Dabei wären doch gerade in Zeiten wie diesen Konzerte so wichtig, wie Schewtschuk dem oppositionellen russischen Webportal Meduza, das in der lettischen Hauptstadt Riga ansässig ist, in einem Interview sagte. Sie würden noch 40 oder 50 Konzerte mehr geben. Russland brauche die Gruppe DDT gerade jetzt in den Konzertsälen, in den Songs würde über Russland, die Vergangenheit und die Zukunft reflektiert. Das beschäftige jetzt viele.
„Deshalb war das für uns ein grausamer Schlag, als unsere Konzerte abgesagt wurden. Uns wurde die Arbeit genommen, eine wichtige und notwendige Arbeit. Dabei geht es nicht um Geld. Uns wurde verboten, unsere Pflicht gegenüber dem Land zu erfüllen. Unsere Gedanken auszudrücken und unsere Wärme mit anderen Menschen zu teilen“, sagte Schewtschuk.
Das abgesagte Konzert in Moskau wollen er und die Band DDT im kommenden Jahr nachholen: Anvisiertes Datum ist der 17. Juli.
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