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Russische Meinungsforscher unter DruckLewada-Institut stellt Arbeit ein

Der Druck der russischen Behörden macht die Arbeit von Lewada, dem unabhängigen Meinungsforschungsinstitut, „praktisch unmöglich“.

Unter heftigem Druck: Lev Gudkov, Direktor des russischen Meinungsforschungsinstituts Lewada Foto: dpa

Moskau afp | Auf Druck der Behörden hat Russlands einziges unabhängiges Meinungsforschungsinstitut, das Lewada-Zentrum, seine Arbeit ausgesetzt. Nach der Einstufung seines Instituts als „ausländischer Agent“ durch die russischen Behörden sei die Fortsetzung der Arbeit „praktisch unmöglich“, sagte Lewada-Direktor Lew Gudkow am Dienstag der Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Zwar sei das Institut noch nicht endgültig geschlossen, „aber man kann sagen, dass die Aktivitäten eingestellt sind“, sagte Gudkow.

Der Institutsdirektor kündigte Berufung gegen die behördliche Entscheidung an, die das Justizministerium am Montag bekannt gegeben hatte. In Russland werden politisch aktive Organisationen, die ganz oder teilweise aus dem Ausland finanziert werden, seit 2012 per Gesetz gezwungen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen. Das erschwert ihre Arbeit erheblich.

Im Mai 2015 trat ein weiteres Gesetz in Kraft, wonach ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als „unerwünscht“ erklärt werden können. Mehr als hundert Organisationen wurden in Russland bereits als „ausländische Agenten“ eingestuft, darunter zahlreiche NGOs, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Mehrere Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, andere kämpfen aufgrund von Strafzahlungen mit finanziellen Problemen.

Das Lewada-Zentrum wurde 2003 von Juri Lewada gegründet. Der 2006 verstorbene Soziologe hatte zuvor als Direktor des Umfrageinstituts Wziom gearbeitet. Als die russische Regierung diese Einrichtung unter staatliche Kontrolle stellen wollte, schuf Lewada das nach ihm benannte Institut.

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21 Kommentare

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  • Es gibt in Russland sehr viele unabhängige Initiativen, Institute und Stiftungen, auch sehr viele, die der Regierung gegenüber kritisch eingestellt sind. Sie finanzieren ihre Arbeit durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Sie können unbehindert arbeiten und werden nicht unter Druck gesetzt.

     

    Einziger Unterschied zu Lewada & Co.:

    Die Gelder kommen nicht von ausländischen Organisationen, die westlichen und russlandfeindlich eingestellten Regierungen nahestehen und bei der die Ausrichtung der Arbeit stets nur darauf zielt, die Putin-Regierung anzugreifen.

     

    Andere unabhängige Organisationen befassen sich mit unzählig vielen Themen, die für die Menschen in Russland wichtig und von Belang sind, während die NGOs, über die in unseren Medien quasi ausschließlich berichtet wird, sich nur auf "Putin muss weg!" spezialisiert haben. Es gibt in Russland sogar eine Menge LGBT-Gruppen und Initiativen, die sich nicht von der westlichen Wertegemeinschaft funktionalisieren lassen, sondern lieber daran arbeiten, indem sie den Dialog suchen, statt "Putin muss weg!" zu rufen.

  • Wenn man sich mal das Ausmaß ansieht, welches die vom Ausland finanzierten "NGO" in Russland haben, dann ist auch verständlich, weshalb die Russen in der Hinsicht etwas empfindlich sind.

     

    Alleine die US-Regierung gibt an, dass sie zur Gründung von 65.000 "NGO" in Russland beigetragen hat, sowie zur Gründung von zahlreichen politischen Parteien.

     

    Dazu kommen natürlich noch andere Regierungen, Stiftungen etc.

     

    Wenn dann mal eine dieser "NGO" dicht gemacht wird, dann ist das Geheule natürlich groß. Gut, möglicherweise hat es dieses mal tatsächlich den Falschen getroffen.

     

    " have led to the establishment

    of more than 65,000 nongovernmental organizations, thousands

    of independent local media outlets, despite governmental

    opposition, and numerous political parties. " https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/STATUTE-116/pdf/STATUTE-116-Pg1511.pdf

     

    "For every 2,100 citizens of Russia, we’ve got one “public” association “established” and at least partly, if not fully, funded by Washington." http://web.archive.org/web/20041125185907/http://www.untimely-thoughts.com/index.html?cat=3&type=3&art=779

  • Der Erhalt von Geld aus dem Ausland ist in vielen Staaten ein sehr sensibles Thema, das unter die Lupe genommen wird Nach der offiziellen Begründung erhalte das Lewada-Zentrum Gelder aus dem Ausland, vornehmlich aus den Vereinigten Staaten. Die Einstufung erfolgte auf Bitte der Bewegung „Anti-Maidan“, die dem Lewada-Zentrum vorwarf, über den Kontakt mit der University of Wisconsin–Madison im Auftrag der Vereinigten Staaten zu agieren. (Wiki)

  • Warum verzichtet Lewada nicht einfach auf die Gelder aus dem Ausland? Dann würde es doch auch nicht mehr als "ausländischer Vertreter" eingestuft.

     

    Mir leuchte es nicht ganz ein, warum ein russisches Institut unbedingt enge Beziehungen zur Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne), der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP), Radio "Free" Europe und anderen unterhalten muss. Und mir leuchtet besonders nicht ein, warum es so schlimm ist, wenn Lewada gezwungen wird, diese Beziehungen öffentlich zu machen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Umfrageforschung ist nicht billig und irgendwoher muss das Geld kommen. Da es in Russland kaum noch unabhängige Medien gibt, ist Lewada auch auf Einnahmen durch den Verkauf von Umfrageergebnissen an ausländische Kunden wie dpa oder die deutschen Politikstiftungen angewiesen. Da müsste man z.B. auch den Staatssender RT als "Ausländischen Agent" einstufen, denn die sind politisch aktiv (laut entsprechender Gesetzesefinition) und bekommen auch Gelder aus dem Ausland (Google, Werbung, Bildmaterial-Verkauf).

       

      Aber machen wir uns nichts vor, die Klassifizierung als "ausländischer Agent" ist ein politisches Instrument, mit dem sich ein direktes Verbot umgehen lässt, was nützlich für die Auslandspropaganda ist.

      • @Konrad:

        "Da müsste man z.B. auch den Staatssender RT als "Ausländischen Agent" einstufen..."

         

        Völlig richtig. Ich bin der Meinung, dass Leute, die die öffentliche Meinung beeinflussen, (leicht erkennbar) offenlegen sollten, woher sie ihr Geld haben. Und zwar nicht nur in Russland, sondern überall. Am besten wäre eine Reglung durch die UNO. Gerade Umfragen sind doch erst interessant, wenn man weiß, wer sie bezahlt hat.

         

        Für Lewada gibt es also 2 Möglichkeiten. Entweder die Finanzierung offen zugeben oder auf Gelder aus dem Ausland verzichten.

         

        Übrigens steht in Russland genau wie in den USA das Wort „Agent“ für einen Vertreter. Unsere Presse arbeitet nur gern mit der „bösen“ Übersetzung.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Für Lewada gibt es also 2 Möglichkeiten. Entweder die Finanzierung offen zugeben oder auf Gelder aus dem Ausland verzichten."

          Lewada hatte bereits die Finanzierung aus dem Ausland offen zugegeben und dann auch schon bereits darauf verzichtet. Dafür müsste man natürlich halbwegs informiert sein, um das zu wissen.

           

          Das, was jetzt die kremltreuen Anti-Maidan-Nationalisten zufälligerweise kurz vor der Wahl herausgekramt haben, sind normale Aufträge, die halt von einer ausländischen Universität kamen.

           

          Es geht also bei dem Verfahren noch nicht einmal um irgendeine direkte Finanzierung aus Stiftungen o.Ä. aus dem Ausland. Es wird nur behauptet, dass diese Aufträge zur amerikanischen Finanzierung vorgeschoben werden. Was bei dem Gesetz egal ist, denn voll und ganz kommerzielle Aufträge reichen ja schon aus. Es würde schon ausreichen, wenn ein argentinischer Seifenhersteller eine Umfrage über die Badegewohnheiten der Russen wollen würde.

           

          Ihr Hinweis auf die "böse" deutsche Übersetzung mag ganz interessant sein, trägt aber nichts zur Sache bei. Auch ein ausländischer "Vertreter" ist jemand, der für das Ausland arbeitet. Und steht damit schon einmal unter Generalverdacht, gegen Russland zu sein. Wieso sonst sollte das Institut davon ausgehen, dass sie mit diesem Stempel auf der Stirn keinerlei Umfragen mehr werden durchführen können?

           

          Ihre "Argumente" sind insgesamt also nichts weiter als Augenwischerei.

          • @sart:

            "Dafür müsste man natürlich halbwegs informiert sein, um das zu wissen."

             

            "Ihr Hinweis auf die "böse" deutsche Übersetzung mag ganz interessant sein, trägt aber nichts zur Sache bei."

             

            Sie dürfen sich nicht nur die Informationen aussuchen, die Ihnen passen.

             

            "Es würde schon ausreichen, wenn ein argentinischer Seifenhersteller eine Umfrage über die Badegewohnheiten der Russen wollen würde."

             

            Ja. Das soll ja auch der Schwerpunkt der Arbeit sein. Das ist dem Kreml bestimmt ein Dorn im Auge. Aber im Ernst. Solche Umfragen kann man wunderbar zur verdeckten Finanzierung nutzen.

             

            Nochmal. Ich würde es begrüßen, wenn auch bei uns auf den ersten Blick klar ersichtlich wäre, wessen Brot die Menschen essen, die meinungsbildend tätig sind. Das würde einem die ewige Googelei sparen. Ob die russische Variante jetzt ideal ist, sein dahin gestellt. Sie ist jedenfalls besser als keine.

             

            Interessant finde ich, wie hier sofort alle Geschütze abgefeuert werden. Dabei geht es doch angeblich nur um ganz harmlose Umfragen...

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              "Sie dürfen sich nicht nur die Informationen aussuchen, die Ihnen passen."

              Dann verraten Sie mir, inwiefern es hier einen Unterschied macht, ob ein Meinungsforschungsinstitut als "ausländischer Agent" oder als "ausländischer Vertreter" bezeichnet wird, wenn es namensunabhängig darum geht, den Stempel "vom Ausland gesteuert" (und das heißt in der russischen Propaganda doch etwas anderes als anderswo) aufzudrücken und das Ergebnis in jedem Fall ist, dass die Arbeit unmöglich gemacht wird.

               

              Dass Sie ansonsten nur auf meinen Seifenhersteller eingegangen sind, nicht aber darauf, dass "ausländischer Vertrer" wohl doch nicht so harmlos sein kann, wenn das Ergebnis ist, dass das Institut seiner Tätigkeit nicht nachgehen kann, das spricht doch Bände.

               

              "Interessant finde ich, wie hier sofort alle Geschütze abgefeuert werden. Dabei geht es doch angeblich nur um ganz harmlose Umfragen..."

              Was denn für Geschütze.

              Und zu den normalen Umfragen kommen halt auch politische Umfragen. Und da sie nicht vom Kreml gesteuert werden, findet der das halt alles andere als harmlos.

              • @sart:

                "...Stempel "vom Ausland gesteuert" ..."

                 

                Darüber werden wir uns bestimmt nicht einigen können. Aber ich finde es gut, wenn man sich diese Information nicht erst suchen muss.

                 

                Es geht ja tatsächlich nicht um Umfragen zum Thema Seife. Es geht um knallharte politische Interessen. Und da ist es wichtig, wer den finanziert, der die Umfragen macht. Offensichtlich möchten aber viele, dass Auftraggeber nicht genannt werden. Die Menschen könnten sonst Umfragen gegenüber kritischer werden.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Warum verzichtet Lewada nicht einfach auf die Gelder aus dem Ausland?"

      Wenn mich nicht alles täuscht, wurde das ganze jetzt erst problematisch, da das Gesetz nun auch kommerzielle Einnahmen umfasst und darüber hinaus Meinungsforschungsinstitute allein schon wegen politischer Umfragen als "politisch aktiv" angesehen werden.

       

      Und ganz ehrlich, was soll es anderes sein als purer Hohn von Ihnen, wenn Sie den Stempel "ausländischer Agent" mit einem "öffentlich machen" gleichsetzen?

       

      Wenn Sie auch nur ein kleines bisschen die russische Politik verfolgen, dürften Sie außerdem mitbekommen haben, dass "ausländischer Agent" auch nur ein Synonym für "Volksfeind" ist.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Warum denkt WARUM_DENKT_KEINER_NACH? nicht nach?!

       

      Von wo soll das Geld den kommen wenn du unabhängig in Russland bleiben willst? Von Putin oder wie?!

      • @Kubatsch:

        Ich denke, es gibt genug "Demokraten" in Russland. Vielleicht fragt man mal dort?

      • @Kubatsch:

        In diesem Zusammenhang wäre es auch ganz interessant zu wissen, warum denn das Ausland dieses Institut finanziert. Aus reiner Nächstenliebe?

         

        Gerade kommt mir passend dazu ein Sprichwort in den Sinn. "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing."

        • @JensF:

          "In diesem Zusammenhang wäre es auch ganz interessant zu wissen, warum denn das Ausland dieses Institut finanziert. Aus reiner Nächstenliebe?"

          "Das Ausland" finanziert das Institut insofern, als dass ausländische Unternehmen/Institute/etc. das Institut mit Meinungsumfragen beauftragen. Dafür zahlen die Geld an das Institut. Das hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, sondern mit dem Usus, für Dienstleistungen zu bezahlen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Es wird wohl eher so ein, dass diese ausländischen Gruppen etwas über Russland wissen wollen. Und dann kaufen sie das alt von denen.

       

      Es ist absurd das gleich als Abhängigkeit zu sehen.

      • @Richard Meier:

        Stimmt. Diese ausländischen Gruppen handeln aus reiner Nächstenliebe.

         

        Mit Meinungsumfragen wird knallharte Politik gemacht. Da ist es schon sehr wichtig, wer sie bezahlt hat. Es sollte überall zur Pflicht werden, dass solche Einrichtungen ihre Finanzierung leicht erkennbar offen legen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Lesen Sie bitte den im obigen Text verlinkten Artikel. Lewada wurde auf die Liste gesetzt, weil sie aus dem Ausland Honorare bekommen haben für ganz gewöhnliche kommerzielle Marktbefragungen. Die Geschäftsbeziehungen zu den genannten politischen Stiftungen usw. wurden bereits nach den 2012er Gesetzen eingeschränkt, d.h. Geldflüsse eingestellt.

      • @Wurstprofessor:

        Wo seht denn da, dass seit 2012 kein Geld mehr von ausländischen Stiftungen fließt?

  • Was denn? Russland und Putin sind doch die Heilsbringer für Europa, die Verfechter der weißen, christlichen Demokratie. Lewada wird bestimmt von den USA, der UN und den Reptiloiden finanziert. -_-