Russische Gaslieferungen: Gazprom dreht Österreich den Hahn zu
Das Ende kam doch plötzlich: Nach einem Rechtsstreit, den der Konzern gegen die teilstaatliche österreichische Energiefirma OMV verloren hat, ist seit Samstag Schluss mit dem billigen Energieimport.
Nun hat die vom russischen Staat kontrollierte Gazprom Fakten geschaffen. Zwar fließt weiterhin russisches Gas nach Österreich, wie sich Samstagvormittag gezeigt hat. Allerdings bloß Einspeicherungen beziehungsweise Durchleitungen im Auftrag von Auftraggebern aus anderen Ländern, jedoch keine Mengen mehr für den österreichischen Markt.
Dem Lieferstopp zuvor ging ein Rechtsstreit, den die Gazprom gegen den teilstaatlichen österreichischen Energiekonzern OMV verloren hat: Gazprom muss der OMV 230 Millionen Euro Schadenersatz zahlen, weil sie ab Herbst 2022 vereinbarte Liefermengen nicht eingehalten hatte. Dieses Drehen am Gashahn sorgte erst dafür, dass die Energiepreise durch die Decke gingen.
Die aktuelle Strafe, verhängt von einem Schiedsgericht, wurde Mitte der Woche bekannt. Die OMV kündigte infolgedessen an, sie mit den laufenden Zahlungsverpflichtungen gegenzurechnen. Dass Gazprom die Lieferungen als Konsequenz unverzüglich und zur Gänze einstellt, kam jedoch überraschend.
Zwar lag ein Ende der russischen Gaslieferungen an Österreich schon länger in der Luft. Die Ukraine hatte angekündigt, nach Auslaufen des derzeitigen ukrainisch-russischen Transitvertrags ab Anfang 2025 kein russisches Gas mehr nach Österreich zu liefern. In Wien schien aber bis zuletzt das Prinzip Hoffnung zu regieren, hinter den Kulissen wurde eifrig nach einer Lösung gesucht.
An einem Ausstieg aus dem vergleichsweise günstigen und jahrzehntelang verlässlich fließendem Gas hatte weder die österreichische Industrie, deren Erfolg auch auf billiger Energie beruhte, ein sonderliches Interesse, noch der teilstaatliche Energiekonzern OMV, der am Weiterverkauf gut verdient. Und auch nicht die schwarz-grüne Regierung, die mehr als zwei Jahre lang beteuerte, ihr seien die Hände gebunden.
Die OMV berief sich auf langfristige Verträge, aus denen man keineswegs aussteigen könne. Ob dies stimmt, konnte nie überprüft werden: Der Konzern legte die Verträge nicht offen. Selbst die Bundesregierung behauptete, den Liefervertrag nicht zu kennen – und das, obwohl der im Beisein des früheren ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz, neben Putin stehend, bis 2040 verlängert worden war.
Die Ankündigungen, am Ausstieg von russischem Gas zu arbeiten, blieben leer. Entsprechende Anstrengungen erwiesen sich als unambitioniert. Die Abhängigkeit sei über Jahrzehnte gewachsen, ein schnellerer Ausstieg sei nicht machbar, hieß es von der Regierung. Zwar wurden mittlerweile alternative Gasliefermengen gesichert. Allein: Am Ende floss aber doch überwiegend russisches Gas, mutmaßlich auch, weil es nach wie vor günstiger ist.
Die Regierung beschwichtigt
Was bedeutet nun der Lieferstopp? Fürs Erste wohl nicht viel. Die Gasversorgung aus anderen Quellen ist mittlerweile gesichert, die Energieversorger sind auf dieses Szenario eingestellt, wie es heißt. Zudem ist der Verbrauch wegen der wirtschaftlichen Rezession und milden Wintern stark zurückgegangen. Dadurch sind auch die österreichischen Lager zu 93 Prozent gefüllt, was mehr als einem ganzen Jahresbedarf entspricht.
Fraglich ist jedoch, ob es neuerlich zu Preissteigerungen kommt. Davor warnt etwa der frühere OMV-Vorstandsvorsitzende Gerhard Roiss. Er hatte sich schon in seiner Zeit an der Spitze des Konzerns (2015–2021) bemüht, Alternativen zu russischem Gas zu erschließen. Sein Nachfolger Rainer Seele, zuvor Vorstandsvorsitzender der Wintershall, setzte aber weiterhin überwiegend auf Russland. Seele war auch Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer und gilt als Russlandfreund.
Seele zufolge sind die Gaspreise infolge des Lieferstopps bereits deutlich gestiegen, von 35 Euro pro Megawattstunde auf rund 50 Euro. „Das Problem ist, dass die Preissteigerung auch auf die Gaskraftwerke und deshalb auf die Strompreise durchschlagen werden“, sagte Roiss im Radio Ö1.
Er sieht die Regierung gefordert, preisdämpfende Maßnahmen zu setzen, etwa die Freigabe der staatlichen Gasreserve. Zudem brauche es Investitionen in die Gas-Infrastruktur, etwa in eine seit langem geplante Pipeline zwischen Deutschland und Österreich, aber auch eine Verbindung nach Ungarn.
Die Regierung beschwichtigt einstweilen: „Wir lassen uns von niemandem erpressen, auch nicht von Wladimir Putin“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Dabei ist genau das geschehen: Österreich hat sich in den vergangenen Jahren aus freien Stücken in eine Abhängigkeit von Russland begeben. Und ließ sich auch vom Ukrainekrieg nicht davon beirren, jeden Monat rund 300 Millionen Euro für russisches Gas zu überweisen.
Das bildete sich auch in der Politik ab: Österreich hat sich bereits ab 2014, als Russland die Krim annektierte und im Donbass einfiel, immer wieder dezidiert russlandfreundlich verhalten, wie nicht nur Staatsbesuche bei Putin zeigen. Der Grund ist, ähnlich wie in Ungarn, selbstredend die günstige Energie. Insofern ist das nun erzwungene Ende – wenn es denn dabei bleibt – auch die späte Chance für eine politische Kurskorrektur. Ob sie genutzt wird, steht auf einem anderen Blatt.
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