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Russische Beeinflussung der US-WahlDie Karten werden neu gemischt

Nach mehr als einem Jahr turbulenter Ermittlungen des FBI liegt die erste Anklage vor. Sie veranlasst US-Präsident Trump zu einer Twitter-Salve.

Selbst im Weißen Haus bezeichnet man mittlerweile die russische Einmischung als „offensichtlich“ Foto: dpa

New York taz | Nachdem US-Präsident Donald Trump monatelang jeden Verdacht einer russischen Einmischung in seine Wahl als „Hexenjagd“, „Hoax“ und „Fake News“ abgetan hat, haben FBI-Sonderermittler Robert Mueller und Vize-Justizminister Rod Rosenstein das Thema nun offiziell gemacht. In Washington haben sie 13 RussInnen sowie drei russische Unternehmen wegen „Verschwörung“ und „Betrug“ angeklagt. Aus Deutschland gab Trumps Berater für die Nationale Sicherheit, Herbert Raymond McMaster, der Anklage zusätzliches Gewicht. Am Samstag sprach er bei der Münchner Sicherheitskonferenz von „unbestreitbaren Beweisen“ und erklärte, damit sei die russische Einmischung nunmehr „offensichtlich“ und im „öffentlichen Raum“.

Auf 37 Seiten beschreibt die Anklage die russische Einmischung in zahlreichen Details. Ziel sei die „Beinträchtigung, Behinderung und Vereitelung der rechtmäßigen Regierungsfunktionen der Vereinigten Staaten“ gewesen. Von einer direkten Unterstützung für Donald Trumps Wahlkampf oder von Absprachen mit der Trump-Kampagne ist in der Anklage jedoch keine Rede. Aber fast alle beschriebenen Aktivitäten zielten darauf ab, Trumps Mitbewerberin Hillary Clinton scheitern zu lassen. Die Ermittler in Washington vermuten auch, dass die Einmischung nicht beendet ist, sondern andauert – auch mit Blick auf die Kongresswahlen im November.

Die ersten russischen Agenten dieser Operation sollen bereits 2014 als Touristen in die USA gekommen sein, sich dort falsche Identitäten als US-Staatsangehörige, sowie Wohnsitze und Kreditkarten verschafft und mit dem Aufbau eines Netzwerkes in den Sozialen Medien begonnen haben. Nachdem sie mit bezahlten Anzeigen auf Facebook begonnen hatten, um Interesse zu wecken, sollen sie Tarn-Organisationen mit Namen wie „Blacktivist“, „United Muslims of America“, „Heart of Texas“ und „Army of Jesus“ kreiert haben. Manche davon schafften es auf Hunderttausende von Likes und stießen langanhaltende Diskussionen im Netz an.

Darüber hinaus sollen die Verschwörer Gruppen gegründet haben, die sie als „Grassroot-Organisationen“ bezeichneten und die sie benutzten, um auch auf der Straße aktiv zu werden. Diese trugen Namen wie „Being Patriotic“ und „Florida for Trump“. Sie organisierten Demonstrationen an zahlreichen Orten der USA. Gelegentlich mobilisierten sie gleich auch die Gegendemonstrationen mit. In einer Woche im Juni 2016 riefen sie in New York sowohl zu einer „March for Trump“-Demonstration, als auch zu einer unter dem Titel „Support Hillary. Save American Muslims“ auf.

Hillary Clinton zu Satan stilisiert

In Online-Debatten, die sie selbst losgetreten hatten, sollen die als US-amerikanische Aktivisten getarnten russischen Agenten Hillary Clinton zu Satan stilisiert, afroamerikanische Wähler und Latinos, die mit ihrer Wahlentscheidung haderten, zur Enthaltung ermuntert und Pazifisten vorgeschlagen haben, die Grüne Kandidatin Jill Stein zu wählen. Gelegentlich sollen sie auch Statisten für Agitprop angeworben haben. Als Trump seine Fans den Slogan „Sperrt sie ein“ skandieren ließ, sollen die Agenten Menschen dafür bezahlt haben, dass sie sich eine Hillary-Clinton-Maske aufsetzten und in eine Gefangenenuniform schlüpften.

Die Fäden der Verschwörung laufen laut Anklage in Sankt Petersburg bei der „Internet Research Agency“, IRA, zusammen. Diese hat ihre Fähigkeiten schon bei anderen Auslandseinsätzen – z.B. in der Ukraine – bewiesen. Auf dem Höhepunkt des US-Wahlkampfes habe sie 80 Personen beschäftigt, die teils in den USA, teils in Russland im Einsatz waren. Ihr Etat habe 1,25 Millionen Dollar pro Monat betragen, heißt es. Im Vergleich zu den milliardenschweren Wahlkampfbudgets in den USA war das ein Klacks.

Doch auch die russischen Agenten selbst waren verblüfft. „Ich habe alle diese Einträge selbst verfasst“, soll die Russin Irina Viktorovna Kaverzina an Angehörige geschrieben haben, „aber die Amerikaner glauben, dass sie von ihren Leuten geschrieben worden sind.“

Heute befinden sich alle angeklagten Russen außerhalb der USA. Moskau bestreitet die Vorwürfe. In Washington erwartet niemand ernsthaft, dass die Angeklagten je vor ein US-amerikanisches Gericht kommen werden. Doch das wichtigste Signal der Anklage zielt in die USA selbst. Nach mehr als einem Jahr turbulenter Ermittlungen des FBI ist es die erste Anklage.

In Washington ist klar, dass weitere Anklagen folgen werden

Vize-Justizminister Rod Rosenstein betont, dass es „in dieser Anklage“ keine Vorwürfe gegen Amerikaner gebe. Doch in Washington ist klar, dass weitere Anklagen folgen werden. Wann und gegen wen sie sich richten mögen, ist Gegenstand von Spekulationen. Diese werden angereichert dadurch, dass mehrere hochrangige Ex-Mitarbeiter von Trump – darunter auch sein erster Berater für die nationale Sicherheit, Michael Flynn – inzwischen offenbar mit dem Sonderermittler Mueller kooperieren.

In Trumps direkter Umgebung haben die Russlandermittlungen zu zahlreichen Verwerfungen geführt. Mehrere seiner Mitarbeiter mussten zurücktreten, als bekannt wurde, dass sie „russische Kontakte“ geheim gehalten hatten. FBI Chef James Comey, der darauf bestand, die Russlandermittlungen fortzusetzen, verlor seinen Posten. Und Justizminister Jeff Sessions erklärte sich selbst als befangen als bekannt wurde, dass auch er den Senat über seine Russlandkontakte belogen hatte. Sessions blieb zwar im Amt, aber er gab die Aufsicht über die Russlandermittlungen an seinen Stellvertreter Rosenstein ab.

Präsident Donald Trump hat durchblicken lassen, dass er am liebsten auch Sonderermittler Mueller und Vizeminister Rosenstein feuern würde. Doch nachdem die beiden mit ihrer Anklage in die Offensive gegangen sind, dürfte das schwierig werden. Stattdessen reagierte Trump mit einer Salve von Tweets, in denen er versuchte, sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Er bestreitet nun die russische Einmischung in die US-Politik nicht mehr, besteht aber darauf, dass die Beeinflussung der Wahlen nicht deren Hauptziel gewesen sei. Außerdem, so schreibt er, habe das alles nichts mit seiner Person zu tun. Schließlich seien die Russen schon 2014 in die USA gekommen. Damals habe er selbst noch gar nicht gewusst, dass er für das Weiße Haus kandidieren werde.

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20 Kommentare

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  • Die Geschichte wiederholt sich.

     

    Wir sind wieder in der Mc Carthy Zeit, in der "Antiamerikanische Umtriebe" verfolgt wurden, wobei nie genau festgelegt wurde, was das eigentlich ist. Genauso schwammig ist die Anklage auch jetzt wieder. Alles geht davon aus, dass die 13 Angeklagten in russischem Auftrag gearbeitet haben, nicht dass normale Menschen ihre Meinung geäußert haben. Wo bleibt der Beweis? Wo sind die gefälschten Unterlagen?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Die ganze Misere der USA ist eingefädelt worden von Frau Merkel und ihrem Kanzleramtsminister Ronald Pofalla.

    'Die Ausspähung durch die NSA ist vom Tisch', sagte dieser am 12.8.2013.

    Diesen Satz hat die sensible amerikanische Behörde falsch verstanden und daraufhin alle Aktionen eingestellt.

    Das Ganze jedoch hatte Putin von Merkel gesteckt bekommen und er beschloß, zur Wahl am 8.11.2016 13 hochgeheime Spione ins Land zu schicken, um Amerika zur Provinzmacht herabzustufen, wie es zuvor Obama mit Rußland gemacht hatte.

    Danach zog Putin die Attentäter schnell zurück und Amerika steht jetzt ziemlich blöd da, um nicht deutlichere Worte anzuwenden.

  • Wenn ich das richtig sehe, dann belaufen sie die Vorwürfe auf "Diskussionen anstoßen" und "Demos organisieren".

     

    Öhm...seit wann ist das in einer Demokratie strafbar? Oder ist die USA gar keine Demokratie mehr?

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Erst haben sämtlich gigantischen Geheimdienstorganisationen die 13 (warscheinlich als Indianer verkleideten) Russen und diese 'Army of Jesus' und 'Florida for Trump' und den Satan in Frau Clinton nicht gefunden und jetzt geht es darum, diesen notorischen Russeneinflußleugner 'Trump' zu finden.

    Wie kann man den finden? Da wird Mueller sicher nochmal ein Jahr veranschlagen müssen und 50 Mrd. Dollar brauchen.

    Da sieht man mal, wie perfide der Russe ist, erst schickt er 13 Leute, dann zieht er sie ab und der Amerikaner weiß nicht, wo sie sind. Warscheinlich ist Putin selbst der Satan.

     

    Tipp an die Amis. Was habt ihr mit Bin Laden, Saddam Hussein, Muammar Gaddafi gemacht?

    Genau, das müsst ihr mit Putin und diesem obskuren Trump auch machen.

  • Seit wann gilt etwas durch eine Anklageschrift als "bewiesen"? Sicher nicht!

    Die andere Frage ist, welche Straftatbestände es gibt und ob sich die USA auch nur annähernd an die gleichen Maßstäbe handelt.

    Wenn Putin ein Buch veröffentlichen würde und in dem Buch einen Kandidaten kritisiert und den anderen lobt, wäre das auch eine unzulässige Einmischung? Oder wäre es dann eine unzulässige Einmischung, wenn Putin das unter einem Pseudonym veröffentlicht hätte. Ein Fake-Profil ist auch nichts anderes ein Pseudonym eines Autors. Oder ist das Schreiben unter Pseudonym in den USA nun strafbar, während in Deutschland Facebook dazu verpflichtet wurde, Pseudonyme zuzulassen? Oder darf unter Pseudonym alles veröffentlicht werden - nur nichts was die Wahl beeinflusst? Wollen wir Kurt Tucholsky posthum gleich mitverurteilen? Oder ist ein Pseudonym ok aber tausende Pseudonyme nicht mehr?

    Fest steht, dass die NRA und andere amerikanische Industrien die Wahl beeinflussen dürfen. Die deutsche Industrie hat auch fleißig gespendet - durften die das, oder werden diese auch angeklagt?

    Oder ging es gar nicht um die Wahlbeeinflussung, sondern darum die dafür notwendigen Formalien einzuhalten. Die Regeln in den USA sind da etwas strenger, aber keineswegs so, dass eine Bestechung der Kandidaten nicht zulässig wäre.

    Fest steht nur, es liegt eine Anklageschrift vor und die Staatsanwaltschaft ist wild entschlossen hier neues Case-Law zu schaffen. Präzedenzfälle hierzu gibt es nämlich nicht.

    • @Velofisch:

      Was wollen Sie sagen?

      Jeder darf alles sagen egal wie er seine Identität verschleiert.

      Und jeder soll bzw. muss von Wahrheit ausgehen, solange bis ein Gericht das als justiziabel falsch verurteilt? Bzw. das darf gar nicht geahndet werden irgendeinen Scheiss zu verzapfen.

      • 9G
        97546 (Profil gelöscht)
        @Tom Farmer:

        Ist es denn eine Straftat, im Netz anonym Kommentare abzugeben? Und wenn öffentliche Irreführung verboten wäre, dürfte es keine Werbung mehr geben (inklusive Parteienwerbung).

  • "Auf 37 Seiten beschreibt die Anklage die russische Einmischung in zahlreichen Details."

     

    Die Seitenzahl kommt mir ein bisschen wenig vor, gerade wenn da noch "zahlreiche Details" erwähnt werden sein sollen.

    • @Sandor Krasna:

      Sie Ermittlungen laufen (angeblich) seit weit über einem Jahr. Da sind 37 wirklich nicht viel :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        37 Seiten! Hilfe, dass kann doch kein Mensch mehr lesen heute…



        Trump selbst kapituliert schon vor 10 Seiten Text.

         

        Kommentar bearbeitet. Die Moderation

  • Der böse Russe.

    Das alte Feindbild funktioniert eben immer noch.

  • "Er bestreitet nun die russische Einmischung in die US-Politik nicht mehr..."

     

    Das tut er schon lange nicht mehr. Er bestreitet, dass es Absprachen gab und dass er seinen Sieg nur Putin verdankt.

     

    PS: Müssen jetzt die EU Politiker, die im Wahlkampf Werbung für Clinton und gegen Trump gemacht haben, auch mit Anklagen rechnen?

    • 8G
      81622 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ist ja lustig, wie Sie und andre sog. linke Putinversteher, wie Oscar Lafontaine Trump verteidigen. Lafontaine war ja schon vor der Wahl ganz begeistert von dem Verrükten, weil der angeblich gegen die Banken war....dafür nimmt man dann schon einen Faschisten und Rasisten, sowie Putins Schattenarmee, in Kauf, gell?

      • @81622 (Profil gelöscht):

        Ich weiß nicht, wo Sie diesen Mist über Lafontaine ausgegraben haben. Aber wer seinen Vorurteilen hinterher rennt, findet natürlich auch etwas...

         

        Nur mal ein paar Zahlen.

         

        Twitter spricht von ca. 1,4 Millonen Tweets aus Russland in den 3 Monaten vor der Wahl, die für eine Beeinflussung in Frage kommen. Das klingt sehr viel. Bedenkt man allerdings, dass auf Twitter täglich ca. 500 Millionen Tweets verbreitet werden (also ca. 45 Milliarden in 3 Monaten), so ist die Zahl schon nicht mehr so bedeutend. Sie sehen also, hier werden Dinge aufgeblasen.

         

        Aber das ist eigentlich garnicht so wichtig. Wichtiger ist, dass ein Land, dass immer auf seinem "Recht" bestanden hat, sich überall einzumischen, jetzt so einen Zirkus veranstaltet. Selbst wenn alle Vorwürfe wahr sein sollten (die Überschrift täuscht hier, denn natürlich gilt eine Sache erst als bewiesen, wenn ein Gericht die vorgelegten Beweise unvoreingenommen geprüft hat), bleibt immer noch, dass man nicht mit Steinen werfen sollte, wenn man im Glashaus sitzt. Die ganze Geschichte ist einfach lächerlich.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich frag mich immer wieder, wie bei Ihnen "nachdenken" funktioniert. Wahrscheinlich ist das Ihr ganz persönliches Geheimnis, das keiner sonst ergründen kann.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @Artur Möff:

        Ich möchte diesem berühmten 'Artur Möff'' - Beitrag unbedingt recht geben.

        Ich persönlich ertappe mich auch immer wieder, daß ich beim 'Nachdenken' oft ins Persönliche abschweife und meine Mitmenschen ganz vergesse.

        (Hinweis an die Wissenschaft! Evtl. ein bisher nicht entdeckter Defekt im menschlichen Hirn???)

      • @Artur Möff:

        Tut mir leid, dass ich selbst recherchiere. Und dass ich nicht mit einer vorgefertigten Meinung an die Dinge herangehe. Wenn Sie dem nicht folgen können, ist das Ihr Problem.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Wenn man selbst recherchiert, hat man es nicht leicht mit den Trollen, die denken lassen.