Russisch-ukrainische Beziehungen: Die Feindin umarmen
Zwei Sportlerinnen umarmen sich für ein Foto und ernten Hass. Das ukrainisch-russische Verhältnis bleibt vergiftet, die Verhandlungen stocken.
A ls sich zwei Medaillengewinnerinnen verfeindeter Staaten in Tokio gemeinsam fotografieren ließen, ja sich sogar umarmten, taten die Sportlerinnen dies im Geist einer jahrtausendealten Tradition. In Griechenland schwiegen die Waffen während der Olympischen Spiele.
Doch nun müssen sich die russische Goldmedaillengewinnerin Maria Lassizkene und die ukrainische Bronzemedaillengewinnerin Jaroslawa Magutschich für ihre Umarmung rechtfertigen. Die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Anna Maljar persönlich hat wissen lassen, dass sie die Sportlerin, die gleichzeitig Offizierin ist, wegen dieser Umarmung zum Rapport vorlade. Ukrainische Sportlerinnen müssten eigentlich wissen, dass es einen russisch-ukrainischen Krieg gibt, so die Ministerin. Auch die sozialen Medien sind voller Anklagen und Drohungen gegen die 19-jährige Magutschich.
Der Vorfall zeigt: Auch wenn in jüngster Zeit weniger Todesopfer des Krieges in der Ostukraine zu beklagen sind, bleibt die Atmosphäre vergiftet. 45 ukrainische Militärs starben in den letzten zwölf Monaten. Rein zahlenmäßig scheint es angesichts von über 13.000 Toten zwischen 2014 und 2021, als bewegte man sich auf eine Entspannung hin. Doch das Gegenteil ist der Fall. Immer mehr einflussreiche UkrainerInnen fordern, man solle ähnlich wie Aserbaidschan Gebiete mit militärischer Gewalt zurückholen. David Arachamia, Fraktionsvorsitzender der Regierungspartei „Diener des Volkes“, beklagt öffentlich, dass die Ukraine keine Atomwaffen habe. Seit Monaten stockt der Verhandlungsprozess.
Russland torpediert mit seiner Entscheidung, Bewohner des Donbass mit russischem Pass an den Wahlen zur Duma teilnehmen zu lassen, jegliche Verhandlungen. Und mit seiner Äußerung, Bewohner des Donbass, die sich als Russen fühlen, sollten besser nach Russland ziehen, gießt Präsident Selenski ebenfalls Öl ins Feuer.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich noch weitere Maria Lassizkenes und Jaroslawa Magutschichs finden werden. Damit sich nicht die durchsetzen, die einen heißen Krieg wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?