Rundgang durch die Sixtinische Kapelle: Voll die Vatikan-Experience
Ein paar Tage lang Mittelpunkt nicht nur der katholischen Welt: die Sixtinische Kapelle. Nur die Kardinäle hatten freie Sicht auf das Deckengemälde.
Ob man in der Sixtinischen Kapelle noch die Touristenströme hören konnte, als das Konklave zusammentrat, ist nicht bekannt. Fast wünscht man sich, dass das Echo platschiger Flipflops auf Marmor die Kardinäle an ihre weltlichen Schützlinge erinnerte.
Knapp fünf Millionen Menschen quetschen sich jährlich durch den Vatikan – nach dem Tod eines Papstes werden die Massen schlicht umgeleitet. Das Vatikanmuseum funktioniert wie ein Ikea voller Sakralkunst – Abweichen vom Weg ist unmöglich. Also beginnt das Schieben: vorbei an schamlos ausgestellten sterblichen Überresten, weltweit geraubt aus den Gräbern Andersgläubiger, vorbei an antiken Skulpturen, opulenten Wandgemälden – und Aufforderungen, seine „Vatikan-Experience“ auf Instagram zu teilen.
Selbst die größte Religion der Welt braucht reach. Nur mehr echten traffic braucht sie wirklich nicht. Irgendwann fällt einem das Atmen schwer, den Versuch, etwas zu sehen, hat man längst aufgegeben, wenn man endlich die Kapelle erreicht. Dabei will man doch nur Adams Finger finden.
Etwas Kontemplation an dem Ort, der nicht nur für Katholiken das Zentrum der Welt ist, sondern auch für ungläubige Kunsthistorikerinnen. Man will die grellen Farben sehen, die erst seit den 1980ern wieder unter dem Kerzenruß der Jahrhunderte hervorgetreten sind. Himmelblau. Fleischrosa. Apokalypsegelb.
Man will die Beinkleider des Jüngsten Gerichts erkennen, die „il Braghettone“ – Daniele da Volterra, der Hosenmaler – nachträglich auftrug. Und man will da Cesena entdecken, den päpstlichen Zeremonienmeister, den Michelangelo aus Wut in die Hölle malte: mit Eselsohren, nackt, von einer Schlange gefesselt.
Dem sterblichen Besuchenden aber ist nichts davon gegönnt. „Miss, keep moving“, hallt es im Stakkato. Nur die Kardinäle durften sich hier frei bewegen. Und zwischendurch sogar in Ruhe den Kopf in den Nacken legen.
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