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Rücktritt der Regierung in RusslandNeuer Schlauch, alter Wein

Kommentar von Barbara Oertel

Die geplanten Verfassungsänderungen und der Rücktritt der Regierung Medwedjews dienen vor allem einem: dem Machterhalt des Systems Putins.

Vieles muss sich ändern, damit alles beim Alten bleibt: Putin bei seiner Rede zur Lage der Nation Foto: dpa

D ie Botschaft der Verfassungsänderungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Mittwoch angekündigt hat, sowie der kurz darauf erfolgte Rückzug der gesamten Regierung unter Dmitri Medwedjew ist klar: Putin und seine Entourage – in welcher Zusammensetzung und Konstellation auch immer – werden den RussInnen noch einige Zeit erhalten bleiben.

Dabei ist Putin, der auf außenpolitischer Bühne einen Erfolg nach dem anderen einfährt, ein gewisses Geschick bei der Inszenierung nicht abzusprechen. Dennoch bleibt, dass die geplante Aufhübschung des Grundgesetzes in Wahrheit nichts anderes ist als der Versuch, bestehende Machtstrukturen abzusichern und zu zementieren.

Die angebliche Aufwertung der Rolle der Duma ist, gelinde gesagt, ein Witz. Auch künftig wird ihre Hauptaufgabe darin bestehen, Gesetze der Exekutive stumpf abzunicken, daher ist ihre Mitwirkung bei der Regierungsbildung bedeutungslos. Daran wird sich so lange nichts ändern, wie es keine freien und fairen Wahlen gibt. Dazu müssten unabhängige oppositionelle BewerberInnen antreten dürfen, anstatt an ihrer Kandidatur gehindert zu werden beziehungsweise gleich im Gefängnis zu landen. Doch derartige Neuerungen sind, aus guten Grund, leider nicht vorgesehen.

Noch ein weiterer Punkt in der alten neuen Präsidialrepublik à la Putin lässt aufhorchen. Im Sinne der Stärkung der staatlichen Souveränität sollen internationale Verträge auf ihre Vereinbarkeit mit nationalen Gesetzen geprüft werden können. Klingelt da was? Eben. Schon jetzt kann das russische Verfassungsgericht genau das mit Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte tun, was in der Vergangenheit mehrfach dazu führte, Entscheidungen aus Straßburg einfach nicht umzusetzen.

Fraglich ist jetzt, ob sich die Mehrheit der RussInnen, die für dumm verkauft wird, mit dieser Kosmetik auch weiter abspeisen lässt. Putins Umfragewerte waren schon einmal besser. Angesicht grassierender Korruption und einer für viele schwierigen wirtschaftlichen Situation gärt es in der Bevölkerung. Putin ist, wie gerade demonstriert, immer für eine Überraschung gut. Warum sollten es seine Landsleute nicht auch sein?

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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6 Kommentare

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  • Putin ist dem gesamten Westen intellektuell überlegen. Nur mit seinem Kopf hat der Mann es vom Underdog zum Angstgegner gebracht. Und das auch nur deswegen weil "wir" nicht seine Freunde sein wollten. Das hat "uns" die gesamte Krim und die halbe Ukraine gekostet. Da war mal was in Georgien. Seit dem ist er richtig stinkig mit "uns" und hat "uns" gezeigt wo der Hammer hängt. Syrien: Da haben wir ihn auch provoziert. Herr Trump wollte Quatar (größte US Basis im Nahen Osten) bombardieren. Auf so einen Schwachsinn ist Putin im vergleichbaren Fall Syriens nicht im Traum gekommen.



    Die Russen werden Putin noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Alles andere wäre tatsächlich eine kolossale Überraschung.

    • @Götz-Michael Freimann:

      *Den Russen wird Putin noch eine ganze Weile erhalten bleiben.

      Also geht es um Provokationen, außenpolitisch kann man sicher unterschiedlicher Position sein, aber das entschuldigt, zu welcher Position man auch gelangt, nicht dass er ein korrupter menschenverachtender autokratischer Herrscher ist.

    • @Götz-Michael Freimann:

      Ja, er ist wahrlich die Reinkarnation von Jesus, kombiniert mit der von Superman. Falls Ihnen weiter Superlativen einfallen, bitte mit vielen Gänsefüßchen nachreichen, um "uns" an "Ihren" Fantasien teilnehmen zu lassen.



      "Die Russen werden Putin noch eine ganze Weile erhalten bleiben." Jedenfalls diejenigen, die nicht vor einem korrupten Unterdrückungsapparat und wirtschaftlicher Not fliehen.

    • @Götz-Michael Freimann:

      "Das hat "uns" die gesamte Krim und die halbe Ukraine gekostet."

      Meine Meinung: Einer der Gründe wieso sich Putin überhaupt "traute" die Krim zu annektieren war seine Gewissheit, daß die Reaktion der USA vergleichsweise mild ausfallen wird. Und diese Gewissheit basierte darauf, daß seine Geheimdienste genug belastendes Material gegen damalige und teils heute noch amtierende US Spitzenpolitiker gesammelt haben. Stichwort: "Biden - Burisma - Connenction".

      "Herr Trump wollte Quatar (größte US Basis im Nahen Osten) bombardieren. "

      Könnten sie dafür eine Quelle nennen? Weil davon hab ich ja noch nie gehört.

      • @Tobias Schmidt:

        Man findet überall in den Medien Belege dafür dass es so war: Er musste von seinem Außenminister gestoppt werden.

        Quote:"Wir müssen die finanzielle Förderung der Terroristen beenden. Ich habe zusammen mit dem US-Außenminister Rex Tillerson sowie mit unseren hervorragenden US-Generälen beschlossen, Katar dazu aufzurufen, die Finanzierung zu stoppen.“

  • Was aber strebt Putin für sich selbst an? Es wird spekuliert, er könnte in Russland eine Rolle übernehmen, wie Ayatollah Khamenei im Iran:



    Nämlich sich überall einzumischen, wo ihm etwas gegen den Strich geht, aber selbst für nichts verantwortlich zu sein. Und andere zu kritisieren, ohne selbst Kritik ertragen zu müssen. Würde gut zu ihm passen!