Rücktritt der Humboldt-Uni-Präsidentin: Einer Hochschule unwürdig
Sabine Kunst, die erfahrene Präsidentin der renommierten Berliner Humboldt-Universität, gibt überraschend ihr Amt auf. Das hat die Uni nicht verdient.
W er sich an die Spitze einer deutschen Hochschule wählen lässt, hat sich für – im besten Falle – politisches Renommee statt wissenschaftlichen Ruhm entschieden. Vielleicht an keinen anderen Ort einer Uni ist man von der Forschung weiter entfernt als an deren Spitze, arbeitet sich an der Verwaltung und den etablierten Strukturen der Fachbereiche ab, damit andere umso besser wissenschaftlich arbeiten können.
Niemand weiß das besser als Sabine Kunst: Sie war vier Jahre Präsidentin der Potsdam Uni, bevor sie Brandenburgs SPD-Ministerin für Wissenschaft und Kultur wurde, bevor sie wiederum 2016 zur Präsidentin der Humboldt Universität gewählt wurde. Völlig überraschend hat die 66-Jährige am Dienstag angekündigt, ihr Amt zum Ende dieses Jahres aufzugeben. Offiziell gab sie als Grund das von Rot-Rot-Grün gerade erst verabschiedete neue Hochschulgesetz an. Das sei „gut gemeint, aber schlecht gemacht“.
Das Gesetz soll unter anderem die Situation vieler wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen deutlich verbessern, indem diese fortan unbefristet angestellt werden müssen. Aktuell hangelt sich ein großer Teil des wissenschaftlichen Unipersonals nach der Doktorarbeit von einem Zeitvertrag zum nächsten; selbst eine mittelfristige Lebensplanung ist unmöglich, der psychische und ökonomische Druck groß. Das Problem wurde zuletzt durch die Kampagne #IchbinHanna in den sozialen Medien einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Die Berliner Koalition wollte hier Abhilfe schaffen, zumindest für die sogenannten Postdoktoran*innen. Das erkennt auch Sabine Kunst an: „In den vergangenen Jahren sind Unzufriedenheit und Kritik an den schwierigen und unsicheren Karrierewegen in der Wissenschaft gewachsen.“ Sie prophezeit: „Mit den Änderungen wird sich die Zahl von unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern über die nächsten Jahre hinweg deutlich erhöhen.“
Das Geld reicht nicht, sagt Sabine Kunst
Darauf seien die aktuellen Strukturen der Uni aber nicht ausgerichtet, kritisiert Kunst. Und die in den Verhandlungen mit dem Land durchaus erreichten finanziellen Zusagen reichten nicht aus, um die anstehenden Veränderungen zu finanzieren. Um die Herausforderungen zu meistern brauche es eine langfristige Strategie und vor allem „einen neuen Blick auf das, was für die Universität nötig ist“.
Daraus wird deutlich: Kunst tritt, anders als in manchen Medien behauptet, keinesfalls wegen des neuen Hochschulgesetzes zurück, sondern schlicht aus Altersgründen. Das sei jedem gegönnt, der 66 Jahre alt ist und sich bekanntermaßen lange für die Wissenschaft eingesetzt hat. Aber die Art und Weise, wie die HU-Präsidentin ihren plötzlichen Abgang orchestriert, ist der Universität unwürdig und verantwortungslos gegenüber dem wissenschaftlichen Nachwuchs.
Denn schließlich kommen die Veränderungen nicht überraschend; sie sind Ergebnis langer Verhandlungen mit der Politik, insbesondere mit dem ebenso bekanntermaßen versierten Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (SPD). Indem sie quasi unmittelbar nach der Verabschiedung des Gesetzes den Bettel hinschmeißt, lässt Sabine Kunst ihre Uni in einer Umbruchsituation allein und sendet darüber hinaus das Signal, dringend nötige Verbesserungen für junge Wissenschaftler*innen seien nicht umsetzbar.
Dass diese Aufgabe nicht leicht werden wird, insbesondere weil Berlin Vorreiter sein will, ist unbenommen. Aber es wäre Sabine Kunst' Aufgabe als HU-Präsidentin gewesen, zumindest die ersten Schritte zu gehen und dann einen personellen Neuanfang zu organisieren.
Jetzt stehen alle Beteiligten schlecht da: Die rot-rot-grünen Hochschulpolitiker*innen, die ein sinnvolles Ziel verfolgten; die Stadt, die mal wieder in Medien als Ort des Chaos verhöhnt wird, obwohl sie eigentlich nur progressive Politik machen will; die Leitung der Humboldt-Uni, die jetzt sich neu sortieren muss; viele Studierenden, die das ausbaden müssen, und natürlich auch Kunst selbst. Denn der als furioses Signal geplante Abgang ist letztlich nur peinlich. Von ihrem politischen Renommee bleibt jedenfalls nicht viel übrig.
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