Rückkehr von IS-Frauen nach Deutschland: Mütter, Bräute, Kämpferinnen

An Hamburger Gerichten gibt es immer wieder Prozesse gegen Frauen, die sich freiwillig dem IS in Syrien angeschlossen haben. Wie mit ihnen umgehen?

Der IS-Terrorist Denis Cuspert posiert mit einer verschleierten Frau und einem Gewehr

Eine IS-Romanze: Omaima A. mit ihrem Mann Denis Cuspert Foto: AL AAN TV

HAMBURG taz | Sie haben mit Kalaschnikows und Handgranaten posiert, in Videos dazu aufgerufen, sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) anzuschließen, manche haben gekämpft. Sie haben ihre Kinder nach den Lehren des IS erzogen und von einer Zukunft im Kalifat geträumt.

Aber Krieg ist nicht romantisch. In Interviews berichten deutsche IS-Frauen, die einst freiwillig nach Syrien ausgereist sind, wie sie desillusioniert wurden, von Leichen an Straßenrändern und dem Wunsch, wieder nach Deutschland zurückkehren zu können. Endlich wieder zu Hause sein, in einem Supermarkt einkaufen, in Sicherheit leben. Aber ist es richtig, diesen Frauen eine Rückkehr zu ermöglichen? Und was passiert danach?

Der IS gilt seit 2017 als militärisch besiegt, auch wenn es seit Monaten Berichte über ein Wiedererstarken gibt. Kurdische Einheiten haben männliche IS-Kämpfer in Gefängnisse gesteckt, aber mehrere Hundert von ihnen sollen mittlerweile entkommen sein. Vor allem Frauen und Kinder leben in Zeltstädten in Nordsyrien. Die Zahl der Erwachsenen soll derzeit im unteren dreistelligen Bereich liegen.

Das Auswärtige Amt geht außerdem davon aus, dass etwa 150 deutsche Kinder in den Lagern leben. Genaue Zahlen gibt es nicht: „Wir haben weiterhin keine konsularische Präsenz in Syrien und damit auch keinen konsularischen Zugang in Nordost-Syrien“, heißt es aus dem Amt.

Kinder sollen nach Deutschland kommen

Klar ist aber, dass es den deutschen Behörden vor allem um die Kinder geht: „Wir arbeiten weiter mit Hochdruck daran, die Ausreise deutscher Kinder aus Nordost-Syrien zu ermöglichen.“ Dafür sei Deutschland jedoch auf unterschiedliche Akteure angewiesen, etwa auf kurdische Gruppen. „In den Fällen erwachsener mutmaßlicher IS-Anhängerinnen und -Anhänger können sich weitere schwierige Fragen stellen. Hierzu zählen auch Strafverfolgungsansprüche gegen IS-Anhänger, die unter Umständen vor Ort bestehen.“

Die Männer sind für den Kampf an der Waffe ausgereist. Doch sind auch die Frauen eine Gefahr, wenn sie nach Deutschland zurückkehren? Gesellschaftlich werden diese Frauen häufig nicht als Täterinnen wahrgenommen, sondern als Bräute oder Mütter. Die Vorstellung eines angeblich schwachen Geschlechts hält sich hartnäckig.

Das Auswärtige Amt geht hingegen davon aus, dass sich Frauen und Männer, die „sich freiwillig und teilweise unter Überwindung erheblicher Hindernisse in den Herrschaftsbereich des IS begeben haben“, mit den Zielen, der Ideologie und konkreten Gewalttaten des IS identifiziert haben. „Frauen waren ein integraler Bestandteil des Machtapparats des IS, ob in der Erziehung ihrer Kinder, der Unterstützung ihrer Ehemänner, im Spitzelsystem des IS, in der Propagandaarbeit oder auch in offiziellen Funktionen der Sittenpolizei.“

Wollen diese Frauen also nur zurück, weil sich ihr Traum von einem Islamischen Staat zerschlagen hat? Weil sie Verliererinnen sind? Oder haben sie den ideologischen Holzweg erkannt, auf dem sie waren? Bereuen sie?

Elina F. und Songül G. sind IS-Anhängerinnen, denen in Deutschland der Prozess gemacht wurde. Beide Fälle wurden vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg verhandelt – mit unterschiedlichem Ausgang.

Elina F. reiste 2013 nach Syrien, der Liebe wegen, aber sie war auch so überzeugt von der Sache, dass sie Propaganda für den IS machte. Sie landete über Umwege mit ihren Kindern in einem türkischen Gefangenenlager und wurde nach Hamburg abgeschoben. Hier wurde sie wegen der Mitgliedschaft in der Terrororganisation angeklagt – und Anfang September verurteilt.

Hamburgerinnen vor Gericht

Vor Gericht erschien F. geschminkt, die blonden Haare unverhüllt. „Ich stelle mich meiner Verantwortung“, sagte sie laut NDR. „Das Wichtigste in meinem Leben war aber, meine Kinder in Sicherheit zu bringen.“ Das Gericht glaubte ihr ihren Wandel und verhängte nur eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung.

Anders war dies im Fall der 41-Jährigen Songül G.. Das Hamburger Gericht glaubte ihr im Dezember vergangenen Jahres nicht, dass sie die radikal islamistische IS-Ideologie abgelegt hatte, und verurteilte sie zu fünf Jahren und neun Monaten Haft.

Auch G. hatte versucht, nach Syrien zu gelangen, das aber offenbar nicht geschafft. Stattdessen soll sie, so der Anklagevorwurf, versucht haben, einen IS-Kämpfer aus Syrien nach Hamburg zu holen und zu heiraten, damit er hier einen Anschlag vorbereiten kann.

„Sie waren sogar bereit, Ihren fanatischen Glauben über das Wohl Ihrer Kinder zu stellen“, zitiert die Zeit die Richterin. Im Prinzip geht es also – neben tatsächlichen Straftaten – um diese Frage: Distanzieren sich die Frauen glaubhaft vom IS? Das sollte ein deutsches Gericht in einem rechtsstaatlichen Verfahren aufklären. Es sollte sie zur Rechenschaft ziehen.

U-Boote in Deutschland

Ein weiterer guter Grund dafür, dass diese Frauen zurück nach Deutschland kommen, sind ihre Kinder. Diese haben erlebt, dass Bomben vom Himmel fallen, und sie mussten mit ihren Familien fliehen. Manche waren bei Hinrichtungen dabei, manche wurden selbst an der Waffe ausgebildet.

Wohl die allermeisten sind traumatisiert. In Deutschland können sie psychologische Unterstützung bekommen – und wenn es für ihr Wohlergehen nötig ist, von ihren Familien getrennt werden. Die Kinder aber einfach grundsätzlich allein, ohne ihre Mütter nach Deutschland zu holen, könnte ihre Traumata noch verstärken.

Gefährlicher als die Menschen, die offiziell von deutschen Behörden eingeflogen werden, sind ohnehin diejenigen, die unentdeckt zurückkehren, unbeobachtet, ohne Strafverfolgung.

Derzeit läuft ein weiterer Prozess in Hamburg gegen eine IS-Anhängerin: Omaima A. Sie hat es selbst zurück nach Deutschland geschafft. Zweieinhalb Jahre lang lebte sie mit ihren Kindern bereits wieder in Hamburg, bevor sie aufflog. Nicht etwa deutsche Behörden, sondern eine libanesische TV-Journalistin hatte sie aufgespürt und damit ihr unbehelligtes Leben in Fischbek im Hamburger Süden beendet.

Wie viele solcher U-Boote in Deutschland leben, weiß niemand.

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