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Rückgabe von Benin-Bronzen an NigeriaNeuer Umgang mit altem Unrecht

Nach Baden-Württemberg und Köln signalisiert nun auch Berlin, Benin-Bronzen aus dem Ethnologischen Museum an Nigeria zurückführen zu wollen.

Deutschland und Nigeria haben sich über den Umgang mit den sogenannten Benin-Bronzen in deutschen Museen verständigt Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Berlin taz/epd | Vor gut einem Jahr beschloss das Land Baden-Württemberg, geraubte Benin-Bronzen an Nigeria zurückzugeben, die sich im Bestand des Linden Museum in Stuttgart befanden. Fast ein Jahr lang zeigte das Museum eine Ausstellung, “Schwieriges Erbe“, die sich mit der Verwobenheit zwischen musealen Erwerbungen und Kolonialismus beschäftigte.

Im Februar dieses Jahres fasste auch die Stadt Köln den Beschluss, die Benin-Hofkunstwerke aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum zurückzugeben. Am Dienstag signalisierte jetzt auch Berlin, im zweiten Halbjahr 2022 die Benin-Bronzen aus der Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin an Nigeria zurückzuführen. Konkret steht eine Vereinbarung über eine Eigentumsübertragung und Leihgaben an.

Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) werden nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Berlin mit ihren nigerianischen Amtskollegen eine Absichtserklärung unterzeichnen, die den Weg für die Eigentumsübertragungen der wertvollen Kunstobjekte freimacht. Für die nigerianische Seite sollen Kulturminister Lai Mohammed und der Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, Zubairo Dada, dabei sein. Zwei Bronzen sollen direkt im Anschluss übergeben werden.

Die 500 Jahre alten Skulpturen aus dem Königspalast von Benin waren bei der sogenannten Britischen Strafexpedition von 1897 geraubt worden. Die britische Armee nahm den Königspalast ein, plünderte ihn und brannte ihn schließlich nieder. Die Briten verschleppten ihre Kriegsbeute nach London. Ab Sommer 1897 wurden die geraubten Hofkunstwerke sukzessive in europäischen Auktionshäusern versteigert oder von den britischen Soldaten auf dem Kunstmarkt verkauft. Rund 1.100 Bronzen erwarben deutsche Museen, oft ein Höhepunkt ihrer ethnologischen Sammlungen, allein mehr als 400 davon sollen sich in Berlin befinden.

Wunden der Kolonialherrschaft

Unter der Leitung der BKM war seit März 2021 über die Rückführungen der Benin-Bronzen aus Berlin verhandelt worden. Auf deutscher Seite war neben Hermann Parzinger auch die Sprecherin der Benin Dialogue Group und Direktorin des Hamburger MARKK, Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt, Barbara Plankensteiner, an den Gesprächen beteiligt.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärte: „Die Rückgabe von Kulturgütern kann nicht die Wunden der brutalen Kolonialherrschaft heilen, aber sie ist ein erster Schritt für einen neuen Umgang mit der bisher weitgehend ausgeblendeten Vergangenheit. Menschen überall auf der Welt haben ein Recht darauf, Zugang zu ihrem eigenen kulturellen Erbe zu haben. Sie sollen selbst entscheiden zu können, wie dieses bewahrt und an zukünftige Generationen weitergetragen wird.“ Roth wertete die Rückgabe der Benin-Bronzen als Anfang einer neuen Zusammenarbeit.

In den Verhandlungen über die Rückgabe ist auch vorgesehen, dass ein Teil der Objekte langfristig als Leihgaben in Berlin bleiben soll. Die Auswahl darüber ist noch nicht getroffen.

Wichtig ist dieses Ergebnis auch für die Zukunft des Humboldt Forums in Berlin, dem neuen Standort der Ethnologischen Museen aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seine Eröffnung war überschattet von den Debatten um die Raubkunst und der wachsenden Erkenntnis von dem Ausmaß der Geschichten unrechtsmäßiger Aneignung. Auch vor diesem Hintergrund sprach Parzinger erleichtert von einer neuen Dimension der Zusammenarbeit. „Die Tatsache, dass Nigeria bereit ist, Deutschland hochwertige Leihgaben zu überlassen, zeigt, dass wir Vertrauen aufgebaut haben. Wir sind stolz darauf, diese Schätze der Weltkultur im Humboldt Forum zeigen zu dürfen.“

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1 Kommentar

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  • "Die Rückgabe von Kulturgütern kann nicht die Wunden der brutalen Kolonialherrschaft heilen, aber sie ist ein erster Schritt für einen neuen Umgang mit der bisher weitgehend ausgeblendeten Vergangenheit."



    Weitgehend ausgeblendet wird hierbei auch immer, dass nicht Deutsche diese Bronzen geraubt haben, sondern Engländer. Wo sind die eigentlich in der ganzen Angelegenheit?