Rot-Rot-Grün will Dienstflüge kippen: Nur noch mit der Bahn unterwegs
Innerdeutsche Dienstreisen mit dem Flieger? Das soll für Landesbeschäftigte nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein, fordert die Koalition.
Die rot-rot-grüne Koalition will innerdeutsche Dienstflüge von Landesbeschäftigten zum absoluten Ausnahmefall machen. In einem Antrag fordern die drei Fraktionen den Senat auf, alle Personen in Landesdiensten – inklusive der SenatorInnen – innerhalb Deutschlands zur Nutzung der Bahn zu verpflichten.
Nur noch in „nicht abwendbaren, begründeten Ausnahmefällen“ dürften „klimaschädliche Verkehrsmittel“ benutzt werden. Vor jeder Dienstreise sollen auch Alternativen wie Video- oder Telefonkonferenzen geprüft werden. Gemäß dem Landesabgeordnetengesetz würde eine solche Regelung dann analog für die Mitglieder des Abgeordnetenhauses gelten.
In der Begründung des Antrags heißt es, die Senatsverwaltungen buchten für sich jeweils bis zu 170 innerdeutsche Flüge im Jahr. Top-Flieger war allerdings die Berliner Polizei: Dort flog man in den letzten drei Jahren jeweils mehr als 300 Mal. Insgesamt habe es 2016–2018 jährlich mehr als 1.100 innerdeutsche Dienstflüge gegeben. „Dieses Verhalten ist angesichts des Klimawandels nicht mehr tragbar“, so die AutorInnen des Antrags.
Den Antrag, der am Donnerstag in den Hauptausschuss überwiesen wurde, brachten die Grünen als Priorität in die Plenardebatte ein – allerdings hatte ihnen eine Pressemitteilung der Finanzverwaltung vom Vortag die Show gestohlen: Auch sie sprach sich für den Verzicht auf innerdeutsche Dienstreisen mit dem Flieger aus.
„Ich gehe mal davon aus, dass es kein Aprilscherz war“, sagte der grüne Abgeordnete Harald Moritz in seinem Redebeitrag. Er freue sich, dass seitens der Verwaltung von Senator Matthias Kollatz (SPD) „künftig vielleicht nur noch eine Handvoll Flüge stattfinden“ würden. Weil dessen Neuregelung jedoch nur empfehlenden Charakter habe, „bleibt unser Antrag wichtig“, so Moritz.
Kollatz’ Verwaltung fordert, dass alle Landesbeschäftigten bei Inlands-Dienstreisen „nach Möglichkeit“ auf Flüge verzichten und die Bahn nutzen. Damit setze Berlin „ein deutliches Zeichen für mehr Umwelt- und Klimaschutz“. Entsprechend würden künftig umweltbezogene Aspekte bei der Erstattung von Reisekosten berücksichtigt, sodass diese höher ausfallen können – durch die Ticketpreise, aber auch durch zusätzliche Übernachtungen, die notwendig werden könnten.
Mehr als nur Wirtschaftlichkeit
Man bediene sich einer Vorgriffsregelung des Bundesinnenministeriums, das im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 das Bundesreisekostengesetz (BRKG) anpassen werde, hieß es. Derzeit erlaubt das BRKG die Erstattung von Flugkosten, wenn die Reisekosten geringer als mit anderen Verkehrsmitteln sind oder ein Arbeitszeitgewinn von mindestens einem Arbeitstag entsteht. Diese Wirtschaftlichkeitsprüfung falle in Berlin weg.
„Ob Schadstoffe oder Lärm, wir reduzieren mit dem künftigen Umstieg auf die Bahn bei Dienstreisen in Deutschland massiv die Emissionen“, sagte Kollatz. „Die Bahn ist schneller geworden und es gibt auch positive Preisentwicklungen – nicht zuletzt durch die verringerte Steuer auf Bahntickets im Klimapaket.“ Allerdings sei es auch künftig keine zwingende Vorgabe, nur noch die Bahn für Inlands-Dienstreisen zu nutzen. Hier will der Antrag der Koalition die eigene Verwaltung stärker in die Pflicht nehmen.
Von der Opposition wurden die AntragstellerInnen mit Häme übergossen. Es „mute seltsam an“, in der aktuellen Krise der Neuordnung von Dienstreisen Priorität im Parlament zu verleihen, sagte Bernd Schlömer (FDP). Das eigentliche Mittel gegen Dienstreisen – die Ausstattung der Verwaltung mit zeitgemäßer digitaler Infrastruktur – habe Rot-Rot-Grün „verschlafen“, und der Antrag stecke voller „Weichmacher“: Ein „grundsätzliches“ Flugverbot, das Ausnahmen kenne, lasse sich in jedem Einzelfall aushebeln, so Schlömer: „Wie wollen Sie das eigentlich dokumentieren?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste