: Rot-Grün in der Gelbphase
Was tun, wenn es für eine rot-grüne Koalition nach der Wahl am 21. Oktober nicht reichen sollte? Bei den Grünen bereitet man sich, wenn auch zähneknirschend, schon auf eine Koalition mit der FDP vor
von UWE RADA
Frage eines grünen Wählers: „Wie wollen Sie ausschließen, dass meine Stimme für die Grünen nach der Wahl der FDP in den Senat verhilft?“ Antwort der grünen Wahlkämpfer: „Das können wir nicht ausschließen.“
Solche Fragen und Antworten gehören derzeit zum Unangenehmsten im für die Grünen ohnehin nicht besonders angenehmen Wahlkampf. Spätestens seit der jüngsten Umfrage ist nämlich klar: Rot-Grün allein hat keine Mehrheit. Rot-Rot stößt nach wie vor auf Widerstand in der SPD. Bleibt also die rot-gelb-grüne Ampelkoalition. Die käme derzeit auf 51 Prozent, das würde reichen. Doch reicht das auch den grünen Wählern?
„Die Vorstellung, mit der FDP zu koalieren, ist alles andere als behaglich“, sagt die grüne Spitzenkandidatin Sibyll Klotz (siehe Interview). Schnell hat Klotz dafür ein paar Gründe bei der Hand: die Forderung der FDP nach sechsspurigen Autobahnen, den ungezügelten Privatisierungskurs der Liberalen. Auch dem bündnisgrünen Verkehrsexperten Michael Cramer ist nicht wohl bei der Vorstellung, die Regierungsbank künftig auch mit der FDP teilen zu müssen. „Günter Rexrodt“, sagt er, „war als Bundeswirtschaftsminister am Verkauf von Leuna beteiligt.“ Die inhaltliche Nähe zur PDS, das wissen sowohl Klotz als auch Cramer, sei größer als die zur FDP.
Eine Koalition mit der FDP auszuschließen kommt für die Grünen dennoch nicht in Frage. Zu gut wissen Klotz, Cramer und Co, dass sie gar keine andere Option haben. Zumindest nicht in der Regierung. Und den Gang in die Opposition will Sibyll Klotz nur antreten, wenn die SPD mit der PDS koaliert. Für den viel wahrscheinlicheren Fall einer Ampelkoalition gibt die grüne Spitzenkandidatin die Devise aus: „Nach zehn Jahren Opposition weiß ich, dass man in der Regierung sehr viel mehr Einfluss hat als in der Opposition.“
Um dem Dilemma zu entgehen, setzen die Grünen deshalb vor allem auf Inhalte. Sibyll Klotz sagt: „Wir sind die Antikorruptionspartei.“ Michael Cramer betont: „Je mehr Optionen man hat, desto mehr setzt man durch.“ Nur die Parteilinke Barbara Oesterheld ist etwas skeptischer, wenn sie meint: „Entweder wir kriegen unsere Inhalte durchgesetzt, oder man soll nicht in die Regierung.“
Bliebe noch das Problem, wer von den beiden Juniorpartnern der SPD der kleinere ist: die Grünen oder die FDP. Zwar gibt sich Sibyll Klotz optimistisch, dass die FDP nicht mehr als 7 Prozent erreicht, die Grünen aber mindestens 10 Prozent bekommen werden. Doch diesen Optimismus will nicht jeder teilen. Der Parteienforscher Oskar Niedermayer etwa will nicht ausschließen, dass die FDP stärker wird als die Grünen. „Das kommt drauf an, was die enttäuschten bürgerlichen Wähler in Westberlin machen“, sagt Niedermayer. „Die haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie bleiben zu Hause. Oder sie wählen FDP.“
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