Rot-Grün-Rot in Berlin: Linke drohen mit Oppositionsarbeit
In der Berliner Linken ist der Koalitionsvertrag umstritten. Einige Politiker*innen wollen per Mitgliederentscheid lieber in die Opposition.
Gennburg verhandelte zwar den am Montag vorgestellten Koalitionsvertrag mit, ist mit dem Ergebnis aber äußerst unzufrieden. „Wenn die Inhalte nicht stimmen, muss man auch mal Nein zu einer Regierungsbeteiligung sagen“, sagte sie der taz. Es gebe aus ihrer Sicht einen klaren Kurswechsel weg von einer kommunalen Wohnraumversorgung hin zu einer Entfesselung der privaten Bauwirtschaft. Den Kurs dürfe man nicht mitmachen: „Wenn er unter einer Ampel vollzogen würde, dann gäbe es immerhin eine linke Opposition im Parlament“, so Gennburg.
Gemeinsam mit anderen linken Kritiker*innen erzwang sie einen Sonderparteitag, auf dem am Samstag über die Regierungsbeteiligung diskutiert wird. Eine Ablehnung des Koalitionsvertrags dort wäre allerdings nur ein symbolischer Erfolg der Kritiker*innen. Entscheidend ist der Mitgliederentscheid – also die schriftliche Befragung der 8.000 Mitglieder des Landesverbands. Während 2016 noch 90 Prozent der Linken Rot-Rot-Grün wollten, ist die Zustimmung diesmal keine Formsache. Das Ergebnis soll in zwei Wochen vorliegen.
Die rot-grün-rote Koalition in Berlin droht damit kurz vor der Zielgeraden noch auf die Nase zu fallen. Nach kräftezehrenden Verhandlungen könnte damit doch noch die Ampel kommen. Während SPD und Grüne zu den innerlinken Konflikten vielsagend schwiegen, wollte sich auch die linke Parteiführung um Katina Schubert nicht wirklich dazu einlassen: „Der Landesvorstand befasst sich nicht mit den Äußerungen einzelner Mitglieder, einzelner Gremien oder Fraktionen.“
Rettet Katja Kipping Rot-Grün-Rot?
Immerhin konnte die Landesvorsitzende noch ein Ass aus dem Ärmel ziehen. So verkündete Schubert am Mittwoch, dass für die allseits geachtete und durchsetzungsstarke Sozialsenatorin Elke Breitenbach eine prominente Nachfolgerin bereitstünde: die erfahrene Sozialpolitikerin und ehemalige Linken-Chefin Katja Kipping – für nicht wenige Mitglieder dürfte das ein Argument pro Koalition sein.
Bauchschmerzen dürften viele Linke dennoch haben. Das liegt insbesondere an der für Berlin extrem wichtigen Wohnungspolitik: Erst sprangen im Koalitionsvertrag der Ampelparteien auf Bundesebene für von Verdrängung bedrohte Mieter*innen nicht viel mehr als ein paar warme Versprechen heraus. Dann verlor die Linke in den Koalitionsverhandlungen auf Landesebene auch noch die für Mietenpolitik wichtige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen.
Katalin Gennburg, Linke
Unter linker Führung hatte Berliner Wohnungspolitik auch bundesweite Strahlkraft entfaltet – mit klaren sozialen Kriterien bei den kommunalen Wohnungsunternehmen und unkonventionellen Konzepten wie Mietendeckel und Ausweitung von Milieuschutzgebieten. Die vergangenen fünf Jahre waren ein Bruch mit der zuvor eher investorenfreundlichen SPD-Politik.
Aufgrund verschobener Machtverhältnisse konnte die designierte regierende SPD-Bürgermeisterin, Franziska Giffey, allerdings rote Linien ziehen – eine Rückkehr des Wohnungsressorts zur SPD gehörte dazu. Auch dem Vergesellschaftungs-Volksentscheid steht Giffey ablehnend gegenüber. In der Linken fragt man sich deshalb, aus welcher Position man die Auseinandersetzung mit Giffey besser führen kann – aus der Opposition heraus oder aus dem Senat.
Auch in den sozialen Medien formierte sich Widerstand: Dort gründete sich der Account „Für eine linke Opposition in Berlin“, der unter dem Hashtag #NeinzumKoalitionsvertrag mobilisierte. Gennburg erhielt auch Unterstützung von Teilen der Neuköllner Linken. Ebenso sprach sich der linke Jugendverband Solid für die Opposition aus. Andere führende Mitglieder rechneten dennoch mit einer Mehrheit pro Regierungsbeteiligung beim Mitgliederentscheid.
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