Roman von David Diop: Der Kriegswahnsinnige
David Diops Buch „Nachts ist unser Blut schwarz“ handelt von den sogenannten „Senegalschützen“. Es erzählt ein unbekanntes Kapitel Kolonialgeschichte.
Gerüchte über Alfa Ndyaye machen die Runde in der Kompanie. Irgendetwas stimmt nicht mit dem „Schokosoldaten“, wie sie jemanden wie ihn hier nennen. Er ist nicht nur normal grausam wie die anderen Kämpfer, nein, er hackt getöteten Feinden die Hände ab, kehrt mit der abgetrennten Hand und dem Gewehr des Gegners in den Schützengraben zurück.
Die ersten zwei, drei Male wird er für die Trophäen noch gefeiert, aber „mit der siebten abgetrennten Hand reichte es ihnen“. Der Hauptmann will ihn in Fronturlaub schicken. Und „die anderen“ glaubten, „ich wäre ein dëmm, ein Seelenfresser“.
Alfa Ndyaye ist der Ich-Erzähler in „Nachts ist unser Blut schwarz“, dem neuen Roman des franko-senegalesischen Schriftstellers David Diop. Er erzählt darin vom Schicksal zweier senegalesischer Jugendfreunde, die als Kolonialsoldaten im Ersten Weltkrieg auf der Seite der Franzosen kämpfen.
Der Kriegseinsatz der sogenannten Senegalschützen („Tirailleurs sénégalais“), wie man alle Kolonialsoldaten aus Französisch-Westafrika unterschiedslos nannte, war weder besonders gut dokumentiert noch hat er viel Beachtung in der Literatur gefunden. Diop, der in Pau im Südwesten Frankreichs lebt und dort als Literaturwissenschaftler lehrt, wollte dies zumindest für die Belletristik nachholen – und hat einen Roman als fiktiven Brief verfasst.
David Diop: „Nachts ist unser Blut schwarz“, aus dem Frz. von Andreas Jandl, Aufbau Verlag, Berlin 2019, 160 S., 18 Euro
Diop spielt darin geschickt mit den Ebenen. Zum einen zeigt er die (rassistische) Instrumentalisierung der Kolonialsoldaten, die dem deutschen Feind als „blutdürstige Wilde“ und „Naturgewalt“ einen Schrecken einjagen sollten. Und er erzählt vom Grauen des industrialisierten Krieges generell.
Aber er belässt es eben nicht dabei, er rückt zugleich die starren, autoritären Familienstrukturen im Senegal jener Zeit in den Fokus, indem er die Herkunftsgeschichte der beiden Jugendfreunde, die aus unterschiedlichen Clans stammen, nacherzählt.
So kommt die Hauptfigur Alfa Ndyaye, gerade zwanzig Jahre alt, aus einem patriarchalischen Stammessystem, wird dann hineingeworfen in den Wahnsinn des Krieges und erlebt dort, dass sein Jugendfreund Mademba Diop auf üble Weise getötet wird.
Eine Litanei
Nach und nach versteht man, wie aus dem jungen, hoffnungsfrohen Alfa Ndyaye der kriegswahnsinnige Alfa Ndyaye wird. Bittere Ironie steckt darin, dass man von ihm, dem Schwarzen, zivilisatorische Mindeststandards einfordert in einem Krieg, der kaum mehr Reste zivilisierten Verhaltens kennt. Alfa endet verstört im Lazarett.
Stilistisch arbeitet Diop mit Wiederholungen, die er in den inneren Monolog Alfas einstreut: „bei der Wahrheit Gottes“ ist eine dieser Formeln, die den Text wie eine Litanei erscheinen lassen. Der Roman lebt vom Sprachrhythmus: „Niemand kann mir erzählen, auf dem Schlachtfeld brauchte es keine Verrückten. Bei der Wahrheit Gottes, ein Verrückter hat vor nichts Angst. Die anderen, Weiße wie Schwarze, geben den Wahnsinn vor, spielen blindwütig Verrückte, wenn sie anstandslos in die Kugeln der Feinde von drüben rennen.“
Es war auch ein familiärer Bezug, der Diop zu seinem Thema gebracht hat, wie er bei einer Buchvorstellung in Berlin berichtete – allerdings nicht, wie man erwarten könnte, aus dem senegalesischen Teil seiner Familie. Sein französischer Großvater habe im „Grande Guerre“ gekämpft, aber zeit seines Lebens über die Geschehnisse geschwiegen. Mit der Geschichte von Alfa Ndyaye bringt Diop nun ein anderes, unterbelichtetes Kapitel des Ersten Weltkriegs überzeugend zur Sprache.
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