Rolle der EU beim Klimaschutz: Vorbild für die Welt?
Um das Pariser Abkommen einzuhalten, muss dringend gehandelt werden. Europa könnte dabei international eine Schlüsselrolle spielen.
Ob das international gefeierte Pariser Klimaabkommen das Klima rettet, wird sich am Ende des Jahres zeigen. Dann müssen alle Staaten, die es unterzeichnet haben, beim Sekretariat der Klimarahmenkonvention in Bonn überarbeitete Klimaschutzpläne einreichen. Aktuell würden die beschlossenen nationalen Ziele zu einer Erderhitzung von etwa 2,3 bis 3,5 Grad führen.
Mit dem Pariser Abkommen wurde dagegen 2015 beschlossen, die Erhitzung auf deutlich unter 2, möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu sieht es vor, dass alle Staaten im 5-Jahres-Rhythmus stärkere Klimaschutzpläne einreichen.
Viele Länder haben jedoch aktuell andere Prioritäten. Für das Klima ist dies eine Katastrophe, denn gerade jetzt böte sich mit den gigantischen Coronawirtschaftshilfen von weltweit über 11 Billionen Euro eine einzigartige Möglichkeit. Um die gesamte Wirtschaft klimafreundlich umzubauen, wären Investitionen ausschließlich in entsprechende Technologien notwendig.
Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, dass die nationalen Klimaschutzpläne neun Monate vor der UN-Klimakonferenz 2020 eingereicht werden. Nachdem der Glasgower Gipfel aufgrund der Pandemie um ein Jahr auf November 2021 verschoben wurde, gibt es für viele Länder noch weniger Anreiz, ihre Ziele zu erhöhen. Hier ist nun der Blick auf die EU spannend: Sie reicht für alle 27 Mitgliedstaaten ein gemeinsames Ziel ein und könnte mit einem engagierten Klimaschutzplan andere Länder antreiben.
Ein Budget von 336 Gigatonnen CO2
Um die 1,5-Grad-Grenze mit Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit nicht zu durchbrechen, dürfen weltweit noch höchstens 336 Gigatonnen CO2 emittiert werden. Mit den aktuellen Emissionen von 42 Gigatonnen pro Jahr wäre dieses Budget in acht Jahren, also 2028, aufgebraucht. Auf EU-Ebene erschien es bis vor Kurzem unwahrscheinlich, dass Ziele beschlossen werden könnten, die das entsprechende Budget einhalten.
Umso mehr überrascht die aktuelle Bewegung in der EU: Im Europaparlament fordert der Umweltausschuss 60 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990. Selbst der eher konservative Ausschuss für Energie und Industrie fordert mindestens 55 Prozent Minderung. Es ist daher möglich, dass sich das EU-Parlament am 5. Oktober der 60-Prozent-Forderung anschließt. Die Mehrheitsverhältnisse aus dem Umweltausschuss könnten auch im Plenum reichen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat vergangene Woche als Ziel mindestens 55 Prozent Emissionsrückgang bis 2030 präsentiert. Dies erfolgte auf Basis einer Folgenabschätzung, die eindeutig ergeben habe, dass Wirtschaft und Industrie die Verschärfung bewältigen können.
Dies ist allerdings weniger ambitioniert als auf den ersten Blick ersichtlich. Denn in das neue Ziel sollen auch natürliche CO2-Senken wie Wälder mit einbezogen werden. Dies führt nach Berechnungen des Öko-Instituts zu einer effektiv um 3 Prozentpunkte geringeren Reduktion. Der zuständige Kommissar Frans Timmermans wich Fragen danach in seiner Präsentation aus.
Kritik am 55-Prozent-Ziel
Von der Leyen betonte, dass mit dem 55-Prozent-Ziel die 1,5-Grad-Grenze eingehalten werden könne, wenn andere nachziehen. Dabei geht die Kommission davon aus, dass der EU ein CO2-Restbudget anteilig ihrer aktuellen Emissionen zusteht. Global gerecht ist dies mit Blick auf historische Emissionen und die Wirtschaftskraft einzelner Länder jedoch nicht. Umweltorganisationen wie Germanwatch und der Deutsche Naturschutzring fordern deshalb EU-weit mindestens 65 Prozent Emissionsreduktion.
Ebenfalls kritisch, allerdings aus anderen Gründen, sehen Mitgliedstaaten der EU die Ziele. Vor allem Polen, Tschechien und Ungarn weigern sich bislang, höhere Verpflichtungen zu akzeptieren, und verweisen auf die große Herausforderung ihrer Transformation.
Einzelne Regierungen wie die der Niederlande, von Schweden oder Dänemark wären hingegen auch für ein 65-Prozent-Ziel offen. Ihre Stimmen sind allerdings deutlich leiser als die der Bremser. Hinzu kommt: Auch viele einflussreiche Lobbyverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie halten eine Erhöhung für überambitioniert.
Der Vorschlag der EU-Kommission geht nun in den Trilog, eine Abstimmung zwischen Parlament, Kommission und Ministerrat. Um auch Länder wie Polen zu überzeugen, gibt es unter anderem den Just Transition Fund für klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft in allen Regionen. Bis 2027 soll er 17,5 Milliarden Euro verteilen. Insgesamt erscheint so ein Ziel von 55 Prozent Emissionsminderung realistisch.
Die EU könnte eine neue Dynamik entfachen
Auch wenn die EU ihre Zielerhöhung erst Ende des Jahres offiziell beim Klimasekretariat einreicht, bleibt dennoch zu hoffen, dass sie damit weltweit eine neue Dynamik entfacht. Denn bislang haben nur wenige Länder angekündigt, dass sie ihre nationalen Klimaziele anheben wollen: lediglich Chile, Norwegen und zwölf weitere. Eines davon ist nun auch China, das am Dienstagabend ankündigte, bis 2060 CO2-neutral sein zu wollen.
Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass solche Ziele 1,5-Grad-konform wären. Chiles neue Pläne bewertet die „Climate Action Tracker“-Vereinigung nun statt mit „extrem ungenügend“ nur noch mit „ungenügend“. Einige große Emittenten haben sogar angekündigt, ihre Ziele nicht zu erhöhen: Australien, Japan, Russland und die USA. Letztere haben das Pariser Abkommen sogar ganz gekündigt.
Daneben gibt es noch 152 weitere Staaten, von denen bisher keine Infos bekannt sind. Wenn die EU hier eine ehrgeizige Vorlage liefert, hätten die anderen Länder wenigstens nicht die Ausrede, dass mehr Klimaschutz nicht möglich sei.
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