Rolle Serbiens beim Lithium: Putin-Freund rehabilitiert
Serbiens Präsidenten Vučić ist es gelungen, aus dem Lithiumvorkommen im Land Kapital zu schlagen. Trotz Putin-Nähe hat er Berlin als Bündnispartner gewonnen.
L ithium heißt der Stoff, der für die Energiewende in Europa ausschlaggebend wichtig ist. Ein willkommener Anlass für Berlin und Brüssel, unnötigen Ballast in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte abzuwerfen? Um an den von der Autoindustrie und den Batterieproduzenten so sehnlichst erwünschten Rohstoff zu kommen, scheint man in den liberalen Demokratien Europas auch bereit zu sein, den autokratischen Positionen des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić entgegenzukommen.
Dem serbischen Präsidenten ist es gelungen, aus dem Lithiumvorkommen in Serbien bestmögliches Kapital zu schlagen. Der wegen seiner Putin-Nähe, seiner repressiven Innenpolitik und seiner nationalistischen Rhetorik scharf kritisierte Staatschef hat es geschafft, die von ihm lange verhöhnte EU und das von ihm oftmals verdammte „feindliche“ Deutschland als Bündnispartner zu gewinnen. Wie jetzt öffentlich wurde, hat er dabei finanzkräftige Unterstützung: Die australische Rio Tinto Company, der größte Lithiumproduzent der Welt, kooperiert schon seit längerem mit Vučićs Serbien, um im Jadar-Tal Lithium abzubauen.
Dahinter stehen strategische Entscheidungen. Vor allem die deutsche Autoindustrie braucht Lithium. Serbien spielt zwar mit China und Russland. Doch Vučić hofft bei einem Lithiumdeal zwar auch auf Investitionen, aber vor allem auf ein europäisches Entgegenkommen in der Bosnien- und Kosovopolitik. Um Serbien zu gefallen, könnten im Gegenzug Grundsatzpositionen der EU zu Menschenrechten und der Geschichtsinterpretation aufgegeben werden. Schon jetzt beginnen EU-Diplomaten, Opfer und Täter auf eine gleiche Stufe zu stellen. Steht der Westen noch hinter der nicht-nationalistischen bosnischen Mehrheits-Gesellschaft und der Souveränität Kosovos?
Vor allem aber die Umweltbewegung in Serbien ist enttäuscht – ganze Landstriche werden wohl mit der Lithiumproduktion verwüstet werden. Vor drei Jahren führten die Proteste zu einer riesigen politischen Bewegung gegen Vučić, dessen Machtgefüge zu wackeln begann. Insbesondere die deutschen Grünen werden wohl einen neuen Grundsatzkonflikt auszutragen haben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen