Robert Mugabes schweres Erbe: Niemandes Idol
Der verstorbene Diktator aus Simbabwe war kein plumper Gewaltherrscher – das mindert aber nicht die Schattenseiten seiner Präsidenschaft.
N ein, Robert Mugabe war nicht der Letzte seiner Generation. Kenneth Kaunda, erster Präsident des Nachbarlandes Sambia, ist noch am Leben und kam sogar am Samstag nach Harare zum Staatsakt für den langjährigen Ex-Präsidenten von Simbabwe.
Mugabe und Kaunda wurden beide im Jahr 1924 geboren. Mugabe ist jetzt mit 95 Jahren gestorben, genau wie Nelson Mandela vor knapp sechs Jahren. In Sambia prophezeien manche dem 95-jährigen Kaunda jetzt ebenfalls den Tod.
Egal wie lange er noch lebt: Der Sambier geht in die Geschichte ein als der einzige Präsident in Afrika, der erst sein Land in die Unabhängigkeit führte und sich später freiwillig abwählen ließ und die Macht friedlich abgab – in Eritrea und Südsudan steht die Probe aufs Exempel noch aus, aber Optimismus wäre unangebracht. Alle anderen wurden weggeputscht, ermordet, starben im Amt oder übergaben es an einen Mitstreiter.
Das allein zeigt, wie lange es dauert, bis Afrika insgesamt endgültig aus dem Schatten der kolonialen Herrschaft hervortritt, für Afrikaner ein permanenter Ausnahmezustand, der kein normales und friedliches Leben zuließ. Noch immer haben die meisten Länder nicht zu einer Normalität gefunden, in der politische Macht nicht mehr automatisch gleichbedeutend wäre mit der Macht über Leben und Tod.
Korrupte Geisel einer raffgierigen Entourage
Nelson Mandela stand für ein solches menschliches Politikverständnis. Er betrieb aus der Haft heraus die Versöhnung mit seinen Verfolgern, er verpflichtete Südafrikas verbotene Befreiungsorganisation ANC zu Gewaltfreiheit und Machtteilung, er verzichtete freiwillig nach fünf Jahren auf das Amt des Präsidenten. Mandela ist zum Idol für ganze Generationen afrikanischer Aktivisten auf der Suche nach einer besseren Politik geworden.
Robert Mugabe wird niemandes Idol werden. Seine Tragik besteht darin, dass sein wechselhaftes Leben synonym mit der wechselhaften Geschichte des afrikanischen Emanzipationsgedankens in den letzten hundert Jahren geworden ist. Er wuchs auf in einer Ära, als Schwarze als minderwertig galten und tagtäglich mitansahen, wie Weiße die schönen Dinge des Lebens ausschließlich für sich beanspruchten.
Eine strenge jesuitische Erziehung stählte ihn für harte Haftbedingungen, die ihn reifen ließen. Als Führer eines militärischen Befreiungskampfes war er nicht nur zielstrebig, sondern er trieb die weiße Minderheitsherrschaft so weit in die Defensive, dass der alten Kolonialmacht Großbritannien gar keine andere Wahl blieb, als ihn als strahlenden Führer einer freien Nation zu akzeptieren.
Als Premierminister und dann als Präsident aber erwies er sich als unfähig, das Wohl des Landes vom Wohl der eigenen Person zu trennen. Während Simbabwe in der Krise versank, wurde Mugabe zur korrupten Geisel einer raffgierigen Entourage. Krank und verbittert ist er im Exil gestorben; und in seiner Heimat geht es heute vielen Menschen schlechter als vor der Unabhängigkeit.
Kein plumper Gewaltherrscher
Mugabe war kein plumper Gewaltherrscher, sondern klug und gewieft. Die Briten wussten das. 1965 hatten die weißen Siedler im damaligen „Rhodesien“ ihre Herrschaft dadurch zu verewigen versucht, dass sie einseitig die Unabhängigkeit ausriefen und einen rassistischen Terrorstaat errichteten, von Apartheid-Südafrika am Leben gehalten. Das Land versank in Gewalt, in London wuchs ein Konsens, diesen unhaltbaren Zustand zu beenden. 1979, unter der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher, übernahm Großbritannien wieder die Macht, um freie Wahlen und dann die Machtübertragung an den Wahlsieger Mugabe zu organisieren.
„Marxist Rule In Rhodesia“, schlagzeilte das konservative Hausblatt Daily Telegraph entsetzt, aber die Analyse in London war viel gelassener. Marxismus spielte keine Rolle, schrieb in seinem letzten Bericht nach London der britische Wahlleiter Sir John Boynton und beschrieb die drei Stärken Mugabes, die ihm den Sieg brachten: Er stand für das Ende des Krieges in einem Land, das sich nach Frieden sehnte, für die Rückkehr der jungen schwarzen Rebellen in ihre Familien und für das Ende der europäischen Herrschaft.
Frieden und Normalität – das wünschen sich die Menschen nicht nur in Simbabwe. Überall, wo in afrikanischen Krisenstaaten die Menschen die Gelegenheit bekommen, ihre politischen Präferenzen zu äußern, geben sie jenen den Vorzug, die glaubhaft für weniger Gewalt stehen. Das mindert nicht die Schattenseiten von Mugabes Erbe heute – es macht eher klarer, worin genau sein Scheitern liegt. Er stand am Ende für das Verhindern eines normalen Lebens. Er zwang sein Land in den permanenten Ausnahmezustand, weil er nichts anderes kannte oder akzeptierte.
Mugabes Erbe
Ein simbabwischer Kollege schreibt, Mugabe habe auch Bleibendes geschaffen: ein für Afrika außergewöhnlich hohes Bildungsniveau in der Bevölkerung; die Grundlagen eines allgemeinen Gesundheitswesens; eine dauerhafte Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß; und Impulse für das südliche Afrika, nicht nachzulassen im Streben nach Geschlossenheit nach außen.
Kenneth Kaunda
Diesen Teil seines Erbes darf man tatsächlich nicht vergessen, aber er steht jetzt nicht im Vordergrund. Das zeigt, wie schwer es ist, knapp sechzig Jahre seit dem Ende der allgemeinen europäischen Terrorherrschaft in Afrika Bilanz zu ziehen.
Sollte nach Mandela und Mugabe nun auch Kaunda das Zeitliche segnen, wird das vielleicht einfacher. Über 55 Jahre ist es jetzt her, dass in Sambia die ersten allgemeinen Wahlen Kaundas Partei den Sieg und Sambia die Unabhängigkeit brachten. In einer Wahlkampfrede sagte Kaunda damals Anfang 1964: „Wir haben hier in Afrika zu viele Propheten und zu wenige Pioniere. Wir haben zu viele Berater und zu wenige Arbeiter. Wir verlassen uns zu sehr auf Parolen und zu wenig auf praktische Problemlösungen.“ Zu solchen Worten oder gar entsprechenden Taten hat sich Mugabe zeitlebens nie durchringen können.
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