Kenneth Kaunda ist tot: Afrikas letzter Gründervater
Sambia trauert um seinen ersten Präsidenten. Kenneth Kaunda führte sein Land 1964 in die Unabhängigkeit. Nun starb er im Alter von 97 Jahren.
Kaunda starb in einem Krankenhaus in Sambias Hauptstadt Lusaka im Alter von 97 Jahren nach einer Lungenentzündung. Man wird ihn in Erinnerung behalten als letzten lebenden Vertreter der Generation patriotischer Panafrikanisten, die ihre jeweiligen Länder von Guinea bis Simbabwe in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren in die Freiheit führten.
Noch vor knapp einem Monat, am 25. Mai, ehrte die Afrikanische Union (AU) an ihrem jährlichen Afrika-Tag den sambischen Staatsgründer, berühmt für seine Safari-Anzüge und seine Beiträge zur Befreiung Afrikas. Anlass war der offizielle Launch der „Charter for African Cultural Renaissance“. Kaunda war damals der letzte noch lebende Mitgründer des AU-Vorläufers OAU (Organisation of African Unity) im Jahr 1963.
“Mit unbeschreiblicher Traurigkeit habe ich erfahren, dass Seine ExzeIlenz Kennth Kaunda, erster Präsident der Republik Sambia und einer der Gründerväter der OAU, von uns gegangen ist“, erklärte jetzt AU-Kommissionspräsident Moussa Faki Mahamat.
Jüngster Sohn einer Lehrerfamilie
Kenneth Kaunda kam am 28. April 1924 in der Stadt Chinsali zur Welt, als jüngstes der acht Kinder eines Missionars, der zugleich Lehrer war, und einer Lehrerin. Er wurde nach dem Schulabschluss im Jahr 1943 selbst Lehrer und steuerte das damalige Nord-Rhodesien in die Unabhängigkeit von Großbritannien. Am 24. Oktober 1964 wurde er Präsident der unabhängigen Republik Sambia.
Kaunda ruhte sich nicht auf den Lorbeeren der Selbständigkeit aus. Seine Regierung trug zur Unabhängigkeit anderer Länder im südlichen Afrika bei. Er unterstützte wortstark die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika und stellte sich gegen die weiße Minderheitsherrschaft in Sambias südlichem Nachbarn Süd-Rhodesien, wo weiße Siedler 1965 einseitig die Unabhängigkeit als Apartheidstaat ausriefen.
Die bewaffneten schwarzen nationalistischen Bewegungen in Südafrika, Rhodesien (heute Simbabwe), Angola, Mosambik und Südwestafrika (Namibia) genossen die logistische Unterstützung des „Frontstaates“ Sambia. In den frühen 1970er Jahren erlaubte Kaunda den Guerillaarmeen dieser Länder, von Sambia aus Operationen im Befreiungskrieg zu führen.
Kaunda spielte eine Vermittlerrolle bei den Verhandlungen, die zu Simbabwes Unabhängigkeit 1980 führten. Oliver Tambo, Präsident des südafrikanischen ANC (Afrikanischer Nationalkongress) von 1967 bis zur Übergabe des Amtes an Nelson Mandela 1991, verbrachte einen Großteil seiner 30 Jahre Exil in Sambia. Kaunda diente auch als Vorsitzender der Blockfreien-Bewegung von 1970 und 1973 und trat während des Ost-West-Konfliktes dafür ein, dass afrikanische Staaten sich keinem der beiden Blöcke anschließen sollten.
Doch wie die meisten der „Gründerväter“ Afrikas umging auch Kaunda nicht dem wohlbekannten Weg des Befreiers, der sich in einen Autokraten verwandelt. Seine Regierung ab 1964 entwickelte klare diktatorische Tendenzen. Auf zunehmende Intoleranz gegenüber Opposition und Gewalt bei Wahlen 1968 folgte das Verbot aller politischen Parteien außer der eigenen United National Independence Party (UNIP). 1972 wurde Sambia offiziell zum Einparteienstaat erklärt. 1973 wurde Kaunda ohne Gegenkandidat als Präsident wiedergewählt und übernahm die alleinige Kontrolle über sein kupferreiches Land.
Sein fester Griff lockerte sich erst nach einer Reihe von Protesten gegen Sambias wirtschaftlichen Niedergang und Kaundas Diktatur, die Mitte 1990 in einen Putsch gipfelten. Mehrere Stunden lang war Kaunda von einem Militärputsch unter Oberst Mwama Luchembe gestürzt. Er behielt die Oberhand, aber er war geschwächt und erkannte die Signale. Er ging auf Forderungen nach Verfassungsänderungen ein, die dem Machtmonopol der UNIP ein Ende setzten.
1991 verlor Kenneth Kaunda freie Wahlen und verließ sein Amt. Gewerkschaftsführer Frederick Chiluba wurde nach einem Erdrutschsieg an der Wahlurne Präsident. Anders als so manche Staatsführer, die den Mantel der Diktatur nur schwer ablegen können, fügte sich Kaunda in seine Niederlage und erfand sich neu.
„Ein Gigant ist gefallen“
Bis zu seinem Tod blieb Kaunda eine Legende, in seinem Land von allen geachtet. Sein Engagement in sozialen Organisationen und im Kampf gegen HIV/Aids brachte ihm Anerkennung national und international. Jetzt strömen Trauerbotschaften aus aller Welt und aus allen Bereichen der sambischen Gesellschaft, von der Politik bis zum Sport.
“Goodbye, Präsident Kenneth Kaunda“ schrieb der sambische Fußballstar Kalusha Bwalya. „Ich bin und werde immer ein stolzes Mitglied der KK-11 sein. Würde und Ehre. Möge Deine liebe Seele im ewigen Frieden ruhen“.
Bwalya war der Kapitän der legendären sambischen Nationalmannschaft, die 1993 beim Abflug aus Gabun in einem DHC-5-Buffalo-Transportflugzeug der sambischen Luftwaffe in den Atlantik stürzte und fast alle ihre Spieler verlor.
Südafrikas regierender ANC kondolierte Sambia: “Dies ist ein trauriger Moment für Südafrika und den afrikanischen Kontinent insgesamt. Ein Gigant des Befreiungskampfes Südafrikas und des Kontinents ist gefallen. Dr. Kaunda bewahrt einen besonderen Platz in den Herzen unseres Kontinents, unseres Landes und des südafrikanischen Volkes.“
Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa, der während des simbabwischen Befreiungskrieges zeitweise im sambischen Exil lebte, sagte, er sei in „Schock und tiefer Trauer“. Kaunda sei „ein exemplarischer Vater, ein scharfsinniger Politiker, ein Führer mit immensem Beitrag zur Befreiung der Länder des südlichen Afrika von kolonialer Herrschaft“ gewesen.
Sambias Präsident Edgar Lungu rief 21 Tage Staatstrauer aus. Kenneth Kaundas Tod trifft das Land in einer kritischen Zeit, mit zunehmender politischer Gewalt vor den Wahlen am 21. August. Die Politiker des Landes stehen nun in der Pflicht von Kaundas Erbe und seinem Ethos „Ein Sambia, eine Nation“.
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