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Risiko digitaler GesundheitsdatenDatenleck Mensch

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Die Vorteile für Patienten und Forschung wären groß, wenn ihre Daten vernetzt wären. Die Gefahren allerdings auch. Doch die Politik kann etwas tun.

Zweischneidig: Ärzte sollten Zugang zu unseren intimsten Daten haben – andere aber nicht Foto: Simon Belcher/imageBROKER/imago images

S tell dir vor, du bist krank und dir wird sofort geholfen. Von verschiedensten Fach­ärzt:innen, die deine Krankenakte bestens kennen inklusive deiner Unverträglichkeit diverser Medikamente. Von denen, die über den neuesten Forschungsstand deiner Krankheit Bescheid wissen und diese Erkenntnisse wiederum mit all denen teilen, die dir helfen wollen. Und stell dir vor, du musst deine Leidensgeschichte nur ein einziges Mal erzählen, vielleicht sogar nur online. Kein Warten, kein Papierkram, keine Endlosrecherche nach Expert:innen. Obendrein kommt deine Diagnose und Therapie auch noch anderen Patient:innen zugute. Das ganze Prozedere verläuft geräuschlos, ohne Nebenwirkungen. Du, der Mensch, stehst im Mittelpunkt.

Was für eine wunderbare Vorstellung. Doch die schöne Digi-Welt hat ihre Tücken. Denn wer Zugriff auf sensible Daten erlangt, hat womöglich nicht nur Gutes im Sinn – oder ausschließlich die Gesundheit der Patient:innen. Persönliche Daten, Angaben zu Alltagssüchten, dem Gemütszustand oder zu Lernschwächen der Kinder sind viel Geld wert, ein gutes Geschäft. Für Unternehmen zum Beispiel, die passend zur erfolglosen Diät den Übergewichtigen das Nahrungsergänzungsmittel auf ihren diversen Timelines anbieten. Oder für Arbeitgeber:innen, die die Leistungsfähigkeit ihrer gestressten Mitarbeiter:innen gern im Blick haben. Und die Daten junger Kund:innen sind umso lukrativer, je mehr Sorgen sich die Eltern um die Zukunft ihres Nachwuchses machen. Wer ist denn nicht zahlungswillig, wenn es um das Wohl der Kinder geht?

Wie angreifbar und fragil der digitale Datentransfer ist, zeigen beauftragte Hacker:innen derzeit. Wieder einmal. Rechtzeitig zum Jahreskongress des Chaos Computer Clubs entlarven Netz­aktivist:innen die löchrige Sicherheitsarchitektur, über die Gesundheitsdaten übertragen werden. Der Eingriff in die Privatsphäre, in die Entscheidungsgewalt des Einzelnen, ist enorm, das Einfallstor für Abzocke, Erpressung, Manipulation groß.

Also Schluss mit dem gesetzlich verordneten Datenwahn – trotz der großartigen Idee einer vernetzten Behandlung. Für ausreichenden Schutz der Datenströme zu sorgen ist unmöglich, ein frommer Wunsch von Politiker:innen, die Deutschland bei der Digitalisierung des Alltags weltweit auf den vorderen Plätzen sehen wollen. Dich, den Menschen, haben sie dabei aus dem Blick verloren. Das sollten sie ändern. Zum Beispiel, indem sie dich um Erlaubnis bitten, deine Daten zu verwenden. Und diejenigen bestrafen, die sich nicht wirklich um deine Gesundheit scheren. Dann könnte aus einer Wunschvorstellung Realität werden.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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9 Kommentare

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  • Die offizielle, durch den Weltärztebund autorisierte deutsche Übersetzung der Deklaration von Genf in der von der 68. Generalversammlung des Weltärztebundes in Chicago im Oktober 2017 beschlossenen Fassung, lautet:

    Das ärztliche Gelöbnis



    Als Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.



    Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein.



    Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren. ...



    Ich werde die mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.



    ...



    Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.



    Ich gelobe dies feierlich, aus freien Stücken und bei meiner Ehre.

    Es ist kein einziges Wort über Forschung zu finden. Dafür wird die Pflicht zur Verschwiegenheit umso deutlicher gemacht. Und (letzter Absatz) dass ich als Arzt/Ärztin selbst unter Bedrohung Menschenrechte (GG, Recht auf informationelle Selbstbestimmung...) nicht verletzen darf. Mein Fazit: Als Arzt/Ärztin KANN UND DARF ich meine Praxis nicht an die TI anschließen lassen und ich werde es (trotz Bedrohung durch die per Gesetz beschlossenen Nachteile) weiter nicht tun!

    epetitionen.bundes...etition_98780.html

  • „Die Vorteile für Patienten und Forschung wären groß, wenn ihre Daten vernetzt wären.“

    Das ist eine bloße, leider oft ungeprüft wiederholte Behauptung, die erst einmal bewiesen werden muss.

    In der Behandlung akuter Erkrankungen ansonsten gesunder Menschen sind alte Befunde, Labordaten etc. völlig uninteressant. Anders ist es natürlich in der Behandlung chronisch Kranker. Hier sind Befunde und Laborwerte im Verlauf wichtig. Aber brauchen wir dafür die zentral bei Bertelsmann geführte elektronische Patientenakte? Nein - das funktioniert bereits heute mit den Disease-Management-Programmen mit dezentraler Datenspeicherung.

    „Obendrein kommt deine Diagnose und Therapie auch noch anderen Patient:innen zugute“.



    Der wissenschaftliche Wert der ePA-Daten ist gering. Weder die Datenerhebung noch die Therapien sind wie in einer Studie standardisiert. Man kann Epidemiologie betreiben, Korrelationen finden und damit Hypothesen generieren (die in weiteren Studien bestätigt oder verworfen werden müssen). Den Wert prospektiver Studien hat das nicht.

    Bleibt die Versorgungsforschung: Die Kosteneffizienz der gesetzlichen Krankenversicherung könnte besser kontrolliert werden (siehe SGB: "ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich". Aber ist das immer ein Vorteil für Patienten?

    • @Filburt:

      Nun kann man sagen, dass der Nutzen nicht bewiesen wäre, aber



      - Die WHO gehört nicht zu den Zweiflern „ Digital technologies have already opened up a wealth of possibilities



      for shaping the future of primary health care and ensuring effective public health action.“



      - Der Vergleich zu anderen Anwendungen macht es hoch wahrscheinlich, dass im Gesundheitswesen signifikante Vorteile erzeugt werden können. Aber man muss natürlich auch wollen...ansonsten bleibt es bei leeren Diskussionen.

      Insbesondere bei akuten Erkrankungen ansonsten gesunder Menschen ist die Auswertung großer Datenmengen für Diagnose und Behandlung interessant - das können z.B. Hausärzte nicht im Ansatz in der Qualität leisten. (Nein, Ärzte werden dadurch nicht abgeschafft!).

      Natürlich werden die Daten standardisiert, aber das ist eh ein Muss für Qualität.

      Niedrige Kosten sind ein Vorteil, weil mehr Menschen besser behandelt werden können ohne dass Krankenversicherungsbeiträge erhöht werden müssen.

  • Wichtig ist die Erkenntnis, dass die Digitalisierung enormes Potenzial hat, die Leistungen im Gesundheitssystem zum Vorteil der Patienten zu verbessern.



    Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der medizinischen Behandlung ist die Empirie und hierbei sind digitale Methoden signifikant leistungsfähiger als die traditionellen.



    Deshalb ist es nicht eine Frage nach dem ob? sondern nach dem Wann?



    Natürlich ist der Datenschutz bzw der Missbrauch ein wichtiger Faktor...aber auch da wird es Lösungen geben.

    • @alterego:

      Was sind denn die "digitalen" bzw. die "traditionellen" Methoden der Empirie?



      Wie und von wem ist bewiesen worden, dass die "digitalen" empirischen Methoden "signifikant leistungsfähiger" sind?

    • @alterego:

      …oder eben auch nicht.

      kurz - ein 🥬 - a Atom - reicht.



      …nen Vogel Strauß dazu braachmer net.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Hier noch einmal der funktionierende Link zur Petition 98780:



    "Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten/Anschluss von Arzt- und Psychotherapiepraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) nur auf freiwilliger Basis vom 02.09.2019"

    epetitionen.bundes...etition_98780.html



    Man muss sich registrieren, um zeichnen zu können

  • Die zentrale Zwangsspeicherung der Gesundheits- und Sozialdaten von 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten verstösst nicht nur gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch gegen die DSGVO und gegen die ärztliche Schweigepflicht. Deshalb verweigern viele Ärztinnen und Ärzte den Zwangsanschluss an die TI und nehmen Honorarkürzungen und ggf weitere Sanktionen in Kauf. Das sind übrigens eher diejenigen, die sich mit Digitalisierung und Technik (und den Risiken) auskennen und gerade NICHT die Fortschrittsfeindlichen! Wer etwas tun möchte, unterzeichne die Online-Petition 98780 des Bundestages. Bei mehr als 50.000 Unterschriften MUSS sich der Petitionsausschuss mit dem Anliegen befassen.

    epetitionen.bundes...etition_98780.html

    Text der Petition: Der Bundestag möge beschließen, dass Patienten keine Nachteile erleiden dürfen, die ihre Daten nicht in elektronischen Patientenakten (ePA) auf zentralen Servern außerhalb der Praxen speichern lassen wollen. Die Telematik-Infrastruktur (TI) für Ärzte und Psychotherapeuten sowie die Nutzung der ePA für Ärzte und Patienten müssen freiwillig sein. Strafen gegen Ärzte und Psychotherapeuten, die sich nicht an die TI anschließen lassen, dürfen nicht verschärft, sondern müssen abgeschafft werden.

    • @Maghein:

      Moin,



      habe soeben mitgezeichnet, die Resonanz ist allerdings noch sehr mager. Diese Petition braucht mehr Öffentlichkeit.