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Ringen gegen ErderwärmungGeschlossene Gesellschaft

Bernward Janzing

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Bernward Janzing

Die Klimabewegung scheiterte daran, sich als Massenbewegung zu etablieren. Der Grund ist, dass sie ihre Ziele nie genug von Ideologien abgegrenzt hat.

War monothematisch und weitgehend unideologisch aufgestellt: Protestbewegung gegen das AKW in Wyhl, hier am Baugelände im September 1983 Foto: Rolf Haid/dpa/picture alliance

D ie Schauspielerin Maria Furtwängler stellte sich jüngst öffentlich eine Frage: „Meine Güte! Wann ist das passiert?“ Auf dem ZEIT Wissen Kongress in Berlin trug sie ihre Beobachtung vor: Konservative Mitmenschen sähen den Klimaschutz inzwischen als ein ideologisches Projekt an, was sie verwundere, schließlich sei doch das Konservative – schon von der Wortbedeutung her – das Bewahrende. Wie könne es also sein, dass sich konservative Kreise, zunehmend von einer Weltsicht verabschiedeten, die unter dem Aspekt „Bewahrung der Schöpfung“ im Grund eine christliche sei.

Furtwängler, die in Berlin zugleich als Aktivistin angekündigt wurde, stellte die Frage ans Publikum: „Wie kann meine Sorge, ob meine Enkelkinder bei zunehmenden Dürrekatastrophen, Überschwemmungen, Nahrungsmittelknappheiten und bei wachsenden Teilen der Erdoberfläche, die nicht mehr bewohnbar sein werden, wie kann das um Himmels willen ‚ideologisch motiviert‘ sein?“

Die Antwort ist bitter: Die Klimabewegung hat sich nie ausreichend von ideologischen Fragen abgegrenzt. In der Wahrnehmung vieler Bürger gab ihr das eine fatale Schlagseite und verschreckte mögliche Mitstreiter. Es gelang der Bewegung nicht, sich als das zu präsentieren, was sie hätte sein sollen: eine Initiative, die ein wissenschaftlich solide erforschtes Umweltproblem thematisiert, dessen Dramatik unabhängig von jeder Weltanschauung ist.

Bild: privat
Bernward Janzing

arbeitet als freier Journalist für Energie- und Umweltthemen in Freiburg. In mehreren Büchern hat er verschiedene Facetten der Historie der Stromwirtschaft aufgearbeitet. Sein Buch „Vision für die Tonne. Wie die Atomkraft scheitert“ erschien 2016 (Picea Verlag).

Die Anti-AKW-Bewegung in den 1970er Jahren hatte die Notwendigkeit einer breiten Anschlussfähigkeit ihres Anliegens noch begriffen: „Man hat nicht gefragt: Woher kommst du politisch?“ – diesen Satz hört man immer wieder, wenn man heute die alten Kämpfer von einst nach ihrem Erfolgsrezept fragt. Auf Bauplätzen und Demos hatten sie sich offen gezeigt für jeden Mitstreiter, egal welcher politischen Richtung und ideologischen Weltsicht er sich ansonsten zugehörig fühlte.

Von Atomkraftgegnern lernen

So machten auf dem Bauplatz in Wyhl die überwiegend konservativen Winzer vom Kaiserstuhl mit linken Studenten gemeinsame Sache. Die Atomkraftgegner zeigten damit, welche Wirkmacht eine soziale Bewegung zu erreichen vermag, wenn sie sich monothematisch und weitgehend unideologisch aufstellt. So war der Atomkraftwiderstand im besten Sinne das Kind einer pluralistischen Gesellschaft, in der Menschen für ein spezifisches Anliegen auf Zeit zusammenfinden, selbst wenn sie bei anderen Themen konträre Meinungen pflegen.

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Ganz anders die Klimabewegung, die nicht einmal den Anschein zu erwecken versuchte, offen zu sein für Mitstreiter jeder politischen Couleur. Indem Klimaaktivisten virtuos den Bogen spannten zum Kampf gegen rechts, zu Genderfragen, zu Gaza und zur Flüchtlingspolitik, zogen sich potenzielle Gefolgsleute zurück, weil sie mit einer solchen ideologischen Wundertüte fremdelten.

Wer genauer verstehen will, warum bürgerlich-konservative Kreise den Klimaschutz inzwischen oft in einer ideologischen Ecke verorten, der findet Erhellendes auch im Buch „Klimaungerechtigkeit“ von Friederike Otto. Dieses trägt den Untertitel „Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat“ und ist ungewollt ein Destillat jenes durchideologisierten Weltbilds, das die konservativ denkenden Teile der Gesellschaft offenbar verschreckt, von denen Maria Furtwängler sprach.

Und komme nun niemand mit dem zwar grundsätzlich weisen Satz Alexander von Humboldts: „Alles hängt mit allem zusammen“ – denn der ist unbrauchbar für die Strategie einer sozialen Bewegung. Wer diesen Satz in der politischen Arbeit zu seiner Maxime erhebt, wird zwangsläufig scheitern, weil jedes Ansinnen damit beliebig wird. Für den Erfolg braucht ein Projekt vielmehr eine eingängige Botschaft, die die Klimaaktivisten mit ihrer Themenmelange nie hatten.

Eine solche Botschaft hätte zum Beispiel lauten können: Die Preise fossiler Energien müssen die ökologische Wahrheit sagen. Nicht mehr, nicht weniger. Vor 30 Jahren war dieser Satz tatsächlich noch das pragmatische Credo der Klimabewegten. Zu dieser Zeit sprach folglich auch noch niemand von einer „Klimareligion“, wie es Spötter heute tun.

Dogmatische Züge

Die Offenheit gegenüber dem Klimaschutz ging bei vielen Menschen erst verloren, als die Gutmeinenden auf den Plan traten mit der Vorstellung, sie würden der Sache dadurch dienen, dass sie das Thema moralisch aufladen und mit allen Themen verquicken, die das „woke“ Repertoire zu bieten hat. Eine fatale Fehleinschätzung, wie wir heute wissen.

Denn damit geriet die eigentlich so nüchterne Klimawissenschaft – weil nun eingebettet in ein stark dogmatisch geprägtes Umfeld – in den wenig hilfreichen Verdacht, selbst ein ideologisch motiviertes Projekt zur gesellschaftlichen Transformation zu sein. Es festigte sich in manchen Kreisen der Eindruck, Klimaschutz sei nur ein trojanisches Pferd im Zuge einer Umerziehung. So absurd dieser Eindruck auch ist, die Klimabewegung hat ihn provoziert.

Symptomatisch für deren Niedergang ist auch die Entwicklung ihrer einstigen Ikone Greta Thunberg. Als die Schwedin noch schlicht und einfach das Gesicht des Klimaschutzes war, flogen ihr die Sympathien zu – ja, durchaus auch von Konservativen und Liberalen. Dann aber wurde ihr politisches Engagement beliebig. Mal poppte sie zusammen mit Flüchtlingsbooten in den Medien auf, zuletzt spielte sie sich im Gazakonflikt ins Rampenlicht.

Aus Greta, dem Klimagewissen, war Greta, die notorische Provokateurin auf den verschiedensten Bühnen der Welt, geworden. Ihre Rolle als Integrationsfigur war dahin. Am Ende bleibt die schlichte Beobachtung, dass die Klimabewegung vor allem eines wird beherzigen müssen, wenn sie sich neu aufzustellen gedenkt: Wo Klimaschutz draufsteht, sollte einzig und alleine Klimaschutz drin sein.

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1 Kommentar

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  • Sehr guter Artikel, der einen wesentlichen Punkt macht.



    Ergänzend sollte man aber bemerken, dass die Unmittelbarkeit bei einem AKW-Bau größer als bei der Erderwärmung ist.



    Was ich sagen will, ist, dass das Thema Erderwärmung durch CO2 relativ abstrakt ist und nicht direkt im täglichen Leben erfahrbar. (natürlich bemerken wir die Erderwärmung - das aber unabhängig davon, wie wir uns verhalten) Das führt dazu, dass die ganze Thematik sehr anfällig dafür ist, ideologisiert zu werden.



    Auch wenn die Grundlagen wissenschaftlich erwiesen sind, erschließen sie sich nicht jedem sofort intuitiv (im Gegensatz zu einer AKW-Großbaustelle) und werden deswegen (v.a. durch die Ablehnenden) eher zu einer Glaubensfrage gemacht.



    Im Endeffekt ist es ja auch so - ich glaube der Wissenschaft oder ich glaube ihr nicht. Verstehen tun sie nur die Wenigsten.

    Alles in allem ein sehr interessantes Phänomen und definitiv wert, genauer erforscht zu werden. Insbesondere, wenn man wirklich etwas erreichen will. Bringt sicher mehr, als die Gräben weiter zu vertiefen.