Riga entzieht Doschd die Lizenz: Auf Exilruss*in­nen setzen

Dem TV-Kanal Doschd russischer Exiljournalist*innen, die Lizenz zu entziehen, war ein Fehler Lettlands. Sind sie es doch, die Brücken schlagen können.

Journalistin Natalya Sindeyeva mit Mikrofon

Journalistin und Doschd-Betreiberin Natalya Sindeyeva Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Es soll weiter regnen, damit etwas daraus wächst. Der Prinzip ist einfach. Der unabhängige russische Fernsehsender Doschd (Regen) arbeitet aufgrund dieser Überzeugung. Seit März darf der Sender wegen seiner Anti-Kreml-Position nicht mehr in Russland arbeiten. Wegen eines ungeschickten Kommentars über russische Soldaten und mangelnder estnischer Sprachkenntnisse wurde dem TV-Kanal diese Woche seine Lizenz im lettischen Exil entzogen.

In Lettland arbeitet seit 2014 als Folge der russischen Zensur das unabhängige Me­dien­portal Meduza, eine ebenso wichtige Anti-Putin-Stimme, die nicht zum Schweigen gebracht werden darf. Seit März haben Hunderte russische Jour­na­lis­t*in­nen in Riga Schutz gefunden – nun fürchten sie das Schlimmste. Im Unterschied zu Lettland und Litauen, erteilt Estland seit diesem Frühling kein Arbeitsvisum mehr an russische Journalist*innen.

Doschd darf jetzt nur über Youtube senden, und so entsteht ein irreführender Vergleich mit dem EU-Verbot 2021 des kremlnahen Senders RT, der anfangs auf Youtube weiteroperierte, später aber gesperrt wurde. Doschd auf Youtube zu verbannen ist das falsche Signal und Öl auf Wladimir Putins Feuer, wenn er die westliche Medienpolitik kritisiert.

Der Lizenzentzug bestätigt auch das zunehmende Schwarz-Weiß-Denken über die russische Bevölkerung, das verhindert, Brücken zu der inzwischen überwiegend im Ausland ansässigen Opposition zu bauen. Brücken, die wie Regentropfen den Boden fruchtbarer machen könnten. Ohne Regen und neue Verbindungen bleibt dann nur der Status quo: Putin und seine Propaganda.

Doschd distanziert sich seit Jahren vom russischen Staatspräsidenten. Preisgekrönt im Bereich Pressefreiheit wurde der TV-Sender auch. Die baltischen Behörden machen einen Fehler. Russische unabhängige Stimmen gehören geschützt und nicht verboten.

Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer. Als Diaspora-Kanal beschäftigt Doschd Jour­na­lis­t*in­nen in Frankreich und in den Niederlanden, der Sender finanziert sich auch aus schwedischen und niederländischen Fördermitteln und Spenden aus dem Ausland. Über Kabel erreicht Doschd einige Millionen Zu­schaue­r*in­nen und über Youtube wöchentlich noch mal an die 10 Millionen, davon 40 Prozent im Ausland und 60 Prozent in Russland.

Die EU sollte anfangen, sich bewusster für oppositionelle Stimmen und unabhängige russische Jour­na­lis­t*in­nen zu engagieren. Die Visa-Politik muss erleichtert, nicht verschärft werden. Andernfalls wird es für die russische Bevölkerung – in Russland und im Ausland – keinen Plan B geben können. Für die gesamteuropäische Demokratie wäre das fatal.

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Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.

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