Richter mit Neonazi-Vergangenheit: Bald wieder Radikalenerlass?
Ein Proberichter mit rechtsextremer Vergangenheit wurde aus dem Justizdienst in Bayern entlassen. Der Justizminister lässt eine neue Regelanfrage prüfen.
BAMBERG/POTSDAM dpa | Ein Brandenburger mit Neonazi-Vergangenheit, der am Amtsgericht Lichtenfels in Oberfranken Proberichter war, ist aus dem bayerischen Justizdienst entlassen worden. Dies teilte die Pressestelle des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg am Dienstagabend mit. Zuvor hatte OLG-Präsident Clemens Lückemann den Mann zum Vorwurf eines rechtsradikalen Hintergrunds angehört. Im Zuge der Anhörung habe der Proberichter schriftlich seine Entlassung aus dem Justizdienst beantragt. Dem sei mit sofortiger Wirkung entsprochen worden, hieß es.
Der Jurist war am 1. November 2013 zum Richter auf Probe in Bayern ernannt worden. Während seiner Studentenzeit in Brandenburg war er als Kopf von „Hassgesang“ bekannt, einer rechtsradikalen Band. Der Verfassungsschutz des Bundeslandes beobachtete „Hassgesang“ von 2003 bis 2013. Die Verfassungsschützer hatten die bayerischen Kollegen über den Umzug des Mannes nach Bayern zwar informiert, gaben aber keinen Hinweis, dass es sich um einen Juristen handelte.
Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) hatte nach Bekanntwerden des Falls betont, dass er keine Rechtsextremisten in der Justiz dulden wolle. Um künftig die Ernennung von Extremisten zu verhindern, sollen Bausback und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) prüfen, ob es vor der Einstellung von Richtern, Staatsanwälten und Polizisten eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz geben kann, um die Verfassungstreue der Bewerber zu klären. Das teilte die Staatskanzlei in München am Dienstag nach der Kabinettssitzung mit.
Wenn die Prüfung positiv ausfällt, könnte es in Bayern in stark verringertem Umfang eine Neuauflage des 1991 abgeschafften Radikalenerlasses geben. Knapp 20 Jahre lang waren bundesweit alle Bewerber für den öffentlichen Dienst in Deutschland routinemäßig vom Verfassungsschutz überprüft worden, ob Lehrer oder Postbote. Die Maßnahme richtete sich vor allem gegen Kommunisten, die Folge waren viele Berufsverbote.
Derart weitreichende Überprüfungen plant die Staatsregierung nach eigenem Bekunden nicht: „Es geht nicht darum, die Regelanfrage generell und für alle Bewerber für den öffentlichen Dienst wieder einzuführen“, betonte Bausback. „Die Frage ist: Brauchen wir dieses Instrument nicht bei Bewerbungen für besonders sicherheitsrelevante hoheitliche Tätigkeitsbereiche, etwa wenn jemand Richter werden will.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja