Rheinisches Kohlerevier: Sorge um das Sündenwäldchen
AktivistInnen besetzen einen kleinen Wald nahe dem geretteten „Hambi“. Sie befürchten, dass der Energiekonzern RWE die Bäume bald roden will.
Der Braunkohlekonzern RWE gräbt mit seinen Baggern allerdings direkt daneben weiter, in südöstlicher Richtung in das weitgehend entsiedelte Dorf Manheim hinein. Um Kohle geht es dort nicht mehr, sondern um lukrativen Kiesabbau. RWE braucht auch Boden als Material, um die steilen Abhänge seiner Tagebaue flacher zu machen und zu stabilisieren.
Dafür steht aktuell das Manheimer Sündenwäldchen auf der Zerstörungsliste, einst Teil des mittlerweile zerfrästen Hambacher Walds. Seit September ist das kleine Gebiet von AktivistInnen besetzt. Aktuell herrscht Alarmstimmung. Wann genau es dem kleinen Waldgebiet an den Kragen gehen soll, ist aber ungewiss.
„Es wurde uns zugetragen, dass am 6. Januar RWE und die Cops einen Großeinsatz vorbereiten, um uns zu räumen und den Wald zu zerstören“, schreiben sie auf einem öffentlichen Kanal im Messenger-Dienst Telegram. „Ab 4:30 morgens werden mit 6 Hundertschaften und Rodungsfirmen Fakten geschaffen.“ Aus einer Handvoll BesetzerInnen sind in den vergangenen Tagen fast zwei Dutzend geworden, die neue Baumhäuser zimmern.
RWE-Anwälte streiten Rodungspläne für Montag ab
Der WDR-Hörfunk meldete am Freitag einen bevorstehenden Einsatz der Sicherheitskräfte am Montagmorgen zunächst als sicher. Am Abend berichtete der WDR dann, RWE streite die Pläne ab. Gleichzeitig dementierte die Polizei des zuständigen Rhein-Erft-Kreises gegenüber der Tageszeitung nd ein solches Vorhaben. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz NRW reichte am Freitag Klage und Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Münster ein. Ziel: Erlass auf einstweiligen Rodungsstopp.
Die RWE-Anwälte reagierten prompt. Sie teilten dem Gericht mit, es würden „keine Rodungsmaßnahmen oder solche Rodungen vorbereitenden Maßnahmen vorgenommen“ – bis zum 7. Januar. Ob dies ein eiliger Rückzieher ist oder die Gerüchte im Vorfeld falsch waren, weiß man nicht.
Der Aachener Waldaktivist Michael Zobel, der seit zehn Jahren bislang insgesamt 100.000 Interessierte auf Spaziergängen durch die Kohlereviere führt, teilt unterdessen mit, er habe eine verlässliche behördliche Quelle, dass ein Polizeieinsatz am 6. geplant war.
Das Sündenwäldchen hat erhebliche ökologische Bedeutung. Mit seinen sechs Hektar ist es zwar nicht groß, aber ein Verbindungsstück zwischen verbliebenen Waldresten rund um den monströsen Tagebau Hambach. Es kann also sicherstellen, dass sich Tiere zwischen ansonsten isolierten Grünflächen bewegen können. Seinen Namen bekam das Sündenwäldchen, weil sich die Dorfjugend dort einst zu heimlichen Vergnügungen traf. „Sündi“ nennen es nun die AktivistInnen vor Ort.
Brötchen statt Steine
Derweil ist der Hauptbetriebsplan für die „bergrechtliche Inanspruchnahme des Tagebaus“ zum Jahresende ausgelaufen. Ein neu genehmigter Betriebsplan ist nicht veröffentlicht. Sonst geschah das immer in den Wochen vor Weihnachten. Auf der RWE-Website ist auch nur die Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2024 vermerkt. Auf taz-Anfrage dazu hat der Konzern bis Redaktionsschluss nicht geantwortet, ebenso wie auf die Frage danach, ob tatsächlich ab Montag gerodet werden soll.
Auch das zuständige Oberbergamt als Genehmigungsbehörde ließ eine taz-Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Wohl aber schreibt das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium unter der Grünen Mona Neubauer, intern sei der Betriebsplan längst erteilt. Ziel sei es, „die bergbaulich genutzten Flächen so früh wie möglich für eine nachhaltige Nutzung verfügbar zu machen“.
UmweltschützerInnen um Michael Zobel laden nun zu einem sehr zeitigen Montagsfrühstück am Sündenwäldchen ein. „Unsere Steine sind belegte Brötchen – unsere Barrikaden sind gedeckte Frühstückstische“, so das Motto. „Lassen wir die mutigen Menschen im Sündenwäldchen nicht alleine!“, schreibt Zobel in einer E-Mail.
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