Rezension zu „The Lovers“: Über die Barrikaden

„The Lovers“ inszeniert gekonnt eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Nordirland-Konflikts. Eine konfrontative Aussöhnung als Komödie.

Ein Pärchen küsst sich in einer irischen Gasse unter Deko aus beleuchteten Regenschirmen

Heute sind die Straßen Belfasts befriedet, so dass Katholiken und Protestanten rumknutschen können Foto: Sky Atlantic

Gegensätze ziehen sich an. Das gilt auch für Janet und Seamus in der Serie „The Lovers“. Der schnöselige Fernsehjournalist Seamus (Johnny Flynn) aus London und die derbe Belfaster Supermarktangestellte Janet (Roisin Gallagher) lernen sich unter widrigen Umständen kennen: Als sie sich das erste Mal begegnen, setzt Janet sich gerade eine Waffe an den Kopf, um sich zu erschießen, als Seamus auf der Flucht vor ein paar Schlägern unbeholfen über ihren Gartenzaun klettert und aus zwei Meter Höhe auf sie plumpst.

Seamus sieht gut aus, moderiert mit aggressiver Nonchalance eine beliebte Talk-Sendung und ist mit der attraktiven Schauspielerin Frankie (Alice Eve) liiert, die ihr Privatleben fleißig auf Instagram postet. Dagegen hat die von ihrem Mann verlassene, ständig mit ihrem Chef im Clinch liegende und mit nordirischem Akzent vor sich hin fluchende Janet aus der Belfaster Working Class wenig vom Leben zu erwarten.

Aber sie gibt dem verängstigten Promi, der abends kein Taxi mehr in sein schickes Hotel im Zentrum bekommt, eine Nacht Unterschlupf. Dabei finden die beiden Streithähne dann doch Gefallen aneinander.

Die rasante sechsteilige Komödie mit Fremdschämfaktor wirkt wie ein verfremdetes Anti-„Notting Hill“ mit nicht weniger Wortwitz als die Kultkomödie mit Hugh Grant und Julia Roberts, jedoch zu Beginn erst bar jeglicher Romantik. Um die ringen die beiden unterschiedlichen Charaktere aber heftig. Trotz oder gerade wegen der drastischen Klassenunterschiede sind die beiden fasziniert voneinander.

Die Beziehung holpert auch wegen vergangenen ethnischen Konflikten

Während die protestantische Janet aus der Arbeiterklasse das bürgerlich-britische Getue von Seamus hasst, versucht der smarte Journalist aus seiner katholisch-irischen Herkunft und der damit verbundenen Working-Class-Credibility im Londoner Medienbetrieb Kapital zu schlagen. Dass die holprige Beziehung der beiden viel mit dem historischen Erbe des Nordirland-Konflikts zu tun hat, stellt sich erst im Lauf der Serie heraus.

Für Regisseur David Ireland, ist „The Lovers“ die erste TV-Serie. Der 47-Jährige gilt als Enfant terrible der englischen Theaterszene und hat in skandalträchtigen Stücken wie „Cyprus Avenue“ und „Ulster American“ die irische Identität, den Konflikt zwischen protestantischen Loyalisten, Katholiken und Nationalisten mehrfach provokant in Szene gesetzt.

Die in „The Lovers“ anfangs angedeuteten zeitgeschichtlichen und politischen Bezüge zum Nordirland-Konflikt werden zum eigentlichen Kern der Handlung. Die strenggläubige Janet hasst Politik, geht sonntags zur Kirche, führt bizarre Zwiegespräche mit Gott – und versteckt eine finstere Vergangenheit. Als Jugendliche war sie Mitglied einer loyalistischen paramilitärischen Gruppe inklusive mehrjähriger Gefängnisstrafe.

Die Mutter des atheistischen Seamus wiederum wurde mit dem Baby auf dem Arm von protestantischen Loyalisten aus Belfast vertrieben, seinen Vater lernte der Londoner Journalist nie kennen. Und Janets Vater wurde von der IRA erschossen, als sie fünf Jahre alt war. Als die beiden das offen aussprechen und sich ihrer Geschichte stellen, tauchen sie in den Schmerz des anderen ein.

Über weite Strecken hat die in Belfast gedrehte Serie kammerspielartigen Charakter. Denn neben dem erfolgreichen Theaterregisseur hat auch die aus einer protestantischen Suburb Belfasts stammende Darstellerin Roisin Gallagher mehr auf der Bühne als vor der Kamera gestanden. Diese Handwerkskunst sieht man: Selten wurde eine konfrontative Aussöhnung dieses historischen Konflikts so eigenwillig, schonungslos und dabei trotzdem satirisch in Szene gesetzt.

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