piwik no script img

Repressionswelle in IranNeue Festnahmen und Exekutionen

Irans Regime geht im Zuge der neuen israelischen Luftangriffe vermehrt gegen Kri­ti­ke­r:in­nen vor. Die NGO Iran Human Rights warnt vor Hinrichtungen.

Teilnehmerin einer Demonstration gegen das iranische Regime am 14. 6. in Hamburg Foto: Bodo Marks/dpa

Berlin taz | „Die können nicht mal die eigenen Kommandeure schützen!“, twitterte die Aktivistin Motahareh Goonei in Iran. Sie kritisierte die Regierung für ihre Reaktion auf den israelischen Luftangriff vom Freitag und forderte stattdessen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Keine zwei Stunden später wurde sie festgenommen.

Goonei war schon während der „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste 2022 inhaftiert worden. Jetzt ist sie erneut im Visier des Regimes – weil sie öffentlich forderte, dass der Staat seine Bür­ge­r*in­nen schützen soll.

Ihre Verhaftung ist Teil der sich ausweitenden Repression seit den jüngsten israelischen Luftangriffen – ein Angriff, den Ex­per­t*in­nen als völkerrechtswidrig einstufen. Nur wenige Stunden nach dem Angriff drohte der Generalstaatsanwalt der Islamischen Republik der Bevölkerung mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollten sie sich „falsch“ zum Krieg äußern und dadurch „die öffentliche Sicherheit gefährden“. Die unmissverständliche Warnung war der Auftakt einer Verhaftungswelle, wie sie das Land bereits kennt.

Schon am Freitagabend wurde die pensionierte Lehrerin Masoumeh Shahnavaz festgenommen. Am Samstag dann Goonei. In der Provinz Kerman nahm das Regime zwei Menschen wegen angeblicher „Zusammenarbeit mit Israel“ fest. In Shahrekord wurde eine weitere Person unter dem Vorwurf „Störung der geistigen Sicherheit der Gesellschaft“ inhaftiert – ein Code, der häufig verwendet wird, um regimekritische Äußerungen zu kriminalisieren. Am Sonntag meldete die staatliche Nachrichtenagentur Tasnim die Festnahme von 21 Personen in der Provinz Semnan – alle wegen Äußerungen in sozialen Netzwerken.

NGO warnte vor Hinrichtung

Gleichzeitig nutzt das Regime die aktuelle außenpolitische Eskalation, um alte Repressionsmuster zu verschärfen: Am Montag wurde Esmail Fekri hingerichtet, wegen angeblicher Spionage für Israel – ein Vorwurf, der meist ohne Beweise politischen Gefangenen gemacht wird, um sie zu exekutieren. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights hatte bereits vor dem Wochenende gewarnt, dass Fekri unmittelbar in Lebensgefahr schwebt.

Auch einem Europäer droht dieses Schicksal: Der schwedische Arzt Dr. Ahmadreza Djalali sitzt seit 2016 in iranischer Haft, er wurde ebenfalls wegen angeblicher Spionage für Israel zum Tode verurteilt. Iran Human Rights zählt ihn zu den politisch Inhaftierten, deren Hinrichtung akut droht.

Das Muster ist bekannt: Immer dann, wenn das Regime außenpolitisch unter Druck gerät, reagiert es mit mehr Gewalt gegen die eigene Bevölkerung. Besonders betroffen sind Oppositionelle sowie ethnisch marginalisierte Gruppen wie die Kurd*innen. Seit dem Terror der Hamas am 7. Oktober 2023 haben sich die Hinrichtungen im Iran verdreifacht. Immer häufiger mit dem Anklagepunkt der Spionage für Israel.

Die Eskalation nach außen hat eine innenpolitische Funktion: Sie bietet dem Regime einen Vorwand, um den inneren Feind zu bekämpfen: die eigene Bevölkerung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • NZZ :"sraels Geheimdienste haben sich laut Experten mindestens anderthalb bis zwei Jahre auf eine solche Operation vorbereitet. Der Mossad konnte das iranische Regime nahezu vollständig infiltrieren und so eine weitaus härtere Vergeltung für die israelischen Angriffe verhindern. «Die nachrichtendienstliche Erfolge Israels sind überwältigend. Die Realität übersteigt jede Vorstellung»«Israels Nachrichtendienste konnten sich auf einen grossen Teil der Bevölkerung stützen, der mit dem iranischen Regime unzufrieden ist», sagt Eitan Shamir, Leiter des Begin-Sadat-Zentrums für strategische Studien, im Gespräch. Ausserdem könne der Mossad die ethnischen Konflikte und die Armut innerhalb Irans für sich nutzen, um Informanten zu gewinnen.

    Hinzu kommt, dass Israel bereits seit rund zwanzig Jahren nachrichtendienstliche Operationen in Iran durchführt. In der Vergangenheit verübte der Mossad Sabotageakte, tötete Atomwissenschafter, nahm Bodenproben in der Nähe der Nuklearanlagen und entwendete geheime Dokumente. Die israelischen Nachrichtendienste bauten vor Beginn der Operation «Aufstrebender Löwe» auf ihrer Erfahrung auf und vergrösserten ihre bereits bestehende Infrastruktur im Feindesland.

  • Es war zu erwarten, leider.



    Beobachter/innen hatten immer wieder gesagt sollte es zu einem Krieg kommen werden die Repressalien gegen das Volk zunehmen.

    Die Hoffnung von einigen auch hier im Forum dass das Regime dadurch verschwindet sehe ich nicht so.



    Auch wenn ich weiß (durch persönlichen Kontakt mit Iranern) das es sich viele auch im Iran wünschen.

    "Ich wünsche mir so sehr das die Regierung verschwindet, gleichzeitig habe ich große Angst um meine Familienangehörigen welche in Theran leben und nicht weg können.



    Ich weiß nicht auf welcher Seite ich stehen werde wenn meiner Familie was passiert. "

    Und nein das ist nicht meine Aussage.

  • Das Regime in Teheran kann fallen. Inzwischen reicht wahrscheinlich eine echte Protestwelle aus.



    Der Punkt ist aber, dass es nicht nur um die Bombardierungen geht, aber sie schwächen die militärisch-repressiven Möglichkeiten des Regimes.



    Damit sind sie aber noch lange nicht abgesetzt. Wie bei vielen anderen Diktaturen geht man auch nur von 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung aus, die hinter diesem Regime stehen aus. Aber die Opposition ist stark gespalten und kann sich nicht auf nur minimale Punkte einigen.



    Aber nach Jahrzehnten ist der Iran auch im Ausland geschwächt worden, die Zahl der in Konsulaten und Botschaften arbeitenden Menschen musste stark reduziert werden. Damit sind Oppositionelle zwar noch nicht in Sicherheit, aber es ist schon ein großer Rückschlag für das Regime, was gerade passiert.



    Dann bliebe noch die Option der Implosion, z.B. Khamenei stirbt und die Nachfolge ist strittig oder entfält. Oder die einzelenen Fraktionen treten gegeneinander an.



    Es ist m.M. nicht auszuschließen, dass die Mullahs an ihr Ende gelangt sind. Auch im Irak gibt es viele Schiiten, die das Regierungssystem des Iran ablehnen und es nicht haben wollen.

  • Artikelzitat: " . . . ein Angriff, den Ex­per­t*in­nen als völkerrechtswidrig einstufen."

    ----------------

    Wirtschaftswoche: "Die Bedrohung Israels durch Iran sei zu abstrakt als dass die Militärschläge mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien, argumentieren Rechtsexperten. Zu abstrakt? Die Gewaltherrscher in Iran bauen seit 20 Jahren an der Bombe und sind mit Hilfe Chinas und Russlands schon viel zu weit damit vorangekommen: Nicht auszumalen, was man sich unter einer weniger abstrakten Bedrohung vorzustellen hätte."

    Im übrigen, hat sich die klerikale Diktatur in Teheran jemals für irgendwelche Verträge interessiert?

    Vor zehn Jahren hat Iran das „Wiener Atomabkommen“ unterzeichnet: Die Mullahs versprachen, Uran maximal bis zu einem Reinheitsgrad von 3,67 Prozent für zivile Zwecke anzureichern. Die USA (Trump I) kündigten den Vertrag 2018, auch weil Iran sich weigerte, der IAEA, alle Möglichkeiten der Kontrolle einzuräumen. Heute steht Iran laut IAEA kurz davor, große Mengen Uran bis zu einem Reinheitsgrad von „atomwaffentauglichen“ 90 Prozent (und mehr) anreichern zu können.

    www.wiwo.de/politi...den/100135014.html

    • @shantivanille:

      Ja das steht da und ist wahrscheinlich auch richtig aber das berechtigt in wie weit einen Angriffskrieg?

      Amerika unter Trump hat den Vertrag mehr oder weniger gekündigt (berechtigt oder nicht steht auf einen anderen Blatt).

      Bleiben wir mal kurz ganz nüchtern und lassen weg das es um Israel/Iran handelt:



      Ich bitte Sie ernsthaft sich die Frage zu stellen ob Sie das gleiche Schreiben würden wenn es sich NICHT um diese zwei handeln würde.

      Wenn nein: Glückwunsch. Sie messen mit zweierlei Maßstäben.

      Wenn ja: Glückwunsch. Sie unterstützen und fanden den Krieg Amerika/Afganistan/Irak gut.



      (Auf die Beweise über Massenvernichtungswaffen und Chemischewaffen warte ich übrigens noch heute)

      • @Keine Sonne:

        Im Gegensatz zum Irak zweifelt niemand, dass der Iran über die vereinbarten Grenzen Uran angereichert hat. Diese Anreicherung macht nur Sinn, wenn man eine Bombe bauen will… und ja, ich fände es mehr als legitim, wenn z.B. die USA deutsche Wissenschaftler liquidieren würden und Anlagen zerstören, wenn Deutschland das tun würde. In diesem Fall hätte ich selbst für einen russischen Angriff Verständnis. (Bei absolut keiner Freundschaft zu Putin.)



        Insb. Bei Atomwaffen wartet man nicht bis sie fertig sind. Wir dumm wäre das?

    • @shantivanille:

      Egal. Wichtig ist, das Expert*innen Israel einen Verstoß gegen das Völkerrecht attestieren.

      Hängen bleibt: Israel ist schuld. - Jetzt nicht nur daran, dass es vom Iran in seiner Existenz bedroht und seit Jahren von dessen Proxys terrorisiert wird.

      Nein, jetzt auch noch daran, dass die Theokraten noch hemmungsloser die eigene Bevölkerung abschlachten als ohnehin schon. Weil ohne völkerrechtswidrigen Krieg von Israel, hätten sie ja nicht so einen guten Vorwand.

  • Es muss heißen "im Iran": Iran ist einer der wenigen Ländernamen, die im Deutschen traditionell mit Artikel verwendet werden – also „der Iran“. Deshalb heißt es: „...twitterte die Aktivistin Motahareh Goonei im Iran“ (in + dem Iran = im Iran)

    • @Ash:

      In der deutschen Wissenschaftssprache wird weiterhin "Iran" ohne Artikel benutzt. Also: Iran, in Iran, nach Iran, zu Iran. So habe ich das auch mal vor gut 35 Jahren in der Iranistik gelernt, weil es den Artikel im Farsi eben nicht gibt, im Gegensatz zum Arabischen, wo es den Irak gibt. Und "Im Iran" wurde da in Hausarbeiten angestrichen ...

  • Fürchtet das Regime etwa um seine Legitimation? Interessant die Parallelen der Proteste in verschiedenen Ländern. Je mehr Autokraten in Bedrängnis sind, desto radikaler reagieren sie. Das weiß Trump, das weiß Chamenei, das weiß aber auch der Sultan der gerne für die Zukunft regieren möchte. Irgendwann hat die Bevölkerung einmal die Nase voll, auch wenn es 40 Jahre dauern sollte. Und selbst dann halten sich die Autokraten nur noch mit roher Gewalt an der Macht. Man kann nur hoffen, dass die Staaten die das betrifft schnell zu Pluralismus und Öffnung zurückkehren!