Repressionen in Russland: Sacharow-Zentrum aufgelöst

Die Menschenrechtsorganisation soll gegen Gesetze verstoßen haben, befindet ein Gericht. Sie hatte auch außerhalb von Moskau Veranstaltungen organisiert.

Putin sitzt hinter dem Schreibtsisch

Eine NGO weniger: Für Präsident Wladimir Putin war es wieder ein erfolgreicher Tag Foto: Mikhail Klimentyev, Sputnik/Kremlin Pool Photo via AP

BERLIN taz | Aus für das „Sacharow-Zentrum“ in Moskau: Auf Antrag des russischen Justizministeriums hat ein Moskauer Stadtgericht am Freitag die Auflösung der renommierten Menschenrechtsorganisation angeordnet. Das Zentrum wird aus dem staatlichen Register juristischer Personen gestrichen.

Laut Ministerium seien im Zuge von Überprüfungen grobe Gesetzesverstöße festgestellt worden. So habe das Zentrum einen Grundsatz verletzt, wonach es nur in der russischen Hauptstadt hätte tätig sein dürfen. Neun Ausstellungen bzw. Konferenzen seien jedoch in anderen Städten organisiert worden. Dafür hätte aber am jeweiligen Veranstaltungsort eine eigene Filiale registriert werden müssen.

Das Sacharow-Zentrum nebst einem dazu gehörigen Museum war 1996 auf Initiative von Jelena Bonner, Ehefrau des 1989 verstorbenen Physikers, Dissidenten und Friedensnobelpreisträgers Andrei Sacharow, eröffnet worden. Seit dieser Zeit wurden für ein eigenes Archiv Dokumente über Dis­si­den­t*in­nen sowie politische Repressionen in der Sowjetunion gesammelt.

2014 war die Menschenrechtsorganisation zu einem „ausländischen Agenten“ erklärt worden. Von dann an war das Zentrum, wie andere Nichtregierungsorganisationen auch, Schikanen und wachsendem Druck vonseiten des Staates ausgesetzt. Im Dezember 2022 folgte die Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet knapp 50.000 Euro. Das Zentrum hatte veröffentlichtes Material nicht mit dem Hinweis „ausländischer Agent“ gekennzeichnet.

Verträge nicht verlängert

Einen Monat später teilten die Moskauer Behörden den Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t*in­nen mit, dass die Pachtverträge für die Moskauer Räumlichkeiten nicht verlängert würden. Zuvor war das „Gesetz über ausländische Agenten verschärft worden. Gemäß diesen Änderungen dürfen „ausländische Agenten“ vom Staat keinerlei Unterstützung erhalten. Das gilt auch für Mietverträge zu Sonderkonditionen. Im April 2023 stellte das Zentrum seine Arbeit komplett ein.

Das Sacharow-Zentrum ist nur eine Organisation unter vielen, die aufgrund vollkommen abstruser Anwürfe kalt gestellt wird. Im vergangenen Januar zogen die Behörden beim Moskauer Helsinki Komitee, der ältesten Menschenrechtsgruppe Russlands, den Stecker. Die Gruppe hatte ebenfalls an verschiedenen Orten Veranstaltungen durchgeführt.

Ende 2021 wurde „Memorial“ aufgelöst. Das Menschenrechtszentrum hatte sich vor allem für den Schutz politischer Gefangener in Russland sowie die Aufarbeitung der Verbrechen während der Stalinzeit, eingesetzt. Einige Mitglieder von Memorial, wie der Historiker Jurij Dmitriew, sind in Haft.

Im Juni 2022 urteilte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg nach einer Sammelklage des Sacharow-Zentrums und anderer Nichtregierungsorganisation, dass das russische Gesetz über „ausländische Agenten“ gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Praktisch hat dies keine Auswirkungen, dass Russland nach seinem Austritt aus dem Europarat im März 2022 ohnehin nicht mehr der Jurisdiktion des EGMR unterliegt.

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