Repression in der Türkei: Drei kurdische BürgermeisterInnen festgenommen
In der Türkei wurden erneut kurdische PolitikerInnen des Amtes enthoben. Zuvor hatte es Verhandlungen mit dem inhaftierten PKK-Führer Öcalan gegeben.
Die zwei Bürgermeister und eine Bürgermeisterin, Ahmet Türk, Mehmet Karayılan und Gülistan Sönük, sind alle drei ethnische KurdInnen und gehören der kurdischen DEM Partei (Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker) an. Alle drei wurden erst im März dieses Jahres teils mit überdurchschnittlich hohen Zustimmungswerten in ihre Ämter gewählt.
Nachdem bereits wenige Tage nach der Wahl ein kurdischer Bürgermeister der Stadt Hakkari wegen angeblicher Verbindungen zur PKK seines Amtes enthoben worden war und in der letzten Woche der Istanbuler Bezirksbürgermeister von Esenyurt, Ahmet Özer, abgesetzt und verhaftet worden war, folgen nun die drei BürgermeisterInnen von Mardin, Batman und Halfeti.
Mardin und Batman sind zwei der überwiegend von Kurden bewohnten Großstädte im Südosten der Türkei, Halfeti ist ein kleinerer malerischer Ort direkt am Euphrat in der Provinz Sanliurfa. Allen drei wirft Innenminister Ali Yerlikaya Unterstützung der PKK vor. Sie werden nun durch Treuhänder des Staates ersetzt, jeweils die vom Staat ernannten Vizegouverneure ihrer Provinzen.
Drei unterschiedliche PolitikerInnen
Die drei Betroffenen sind sehr unterschiedliche PolitikerInnen der kurdischen Bewegung. Ahmet Türk, der jetzt abgesetzte Bürgermeister von Mardin, ist 82 Jahre alt und ein Veteran der kurdischen Politik. Seit Jahrzehnten gehört er den verschiedenen, immer wieder verbotenen kurdischen Parteien der Türkei an.
Türk kommt aus einem einflussreichen kurdischen Clan aus der Region Mardin. Außerdem gehört er zu den wenigen Großgrundbesitzern, die sich der eher linken kurdischen Bewegung angeschlossen haben. Er wurde bereits mehrfach seines Amtes enthoben und saß zeitweilig auch im Gefängnis.
Am anderen Ende des biografischen Spektrums steht die junge, gerade einmal 31-jährige Gülistan Sönük, die im März mit beachtlichen 64,5 Prozent der Stimmen im konservativen Batman gewählt wurde. Batman ist das Zentrum der kleinen Ölförderindustrie in der Türkei und berüchtigt für eine hohe Quote ermordeter Frauen in den letzten Jahren. Umso erstaunlicher war die Wahl von Gülistan Sönük.
Angebot an PKK-Führer Öcalan
Mehmet Karayilan ist dagegen ein typischer Kommunalpolitiker, der allerdings zeitweilig auch ein wichtiger Funktionär in der HDP, der Vorläuferpartei der DEM war. Der Vorstand der DEM nannte die Amtsenthebung der drei BürgermeisterInnen am Montag einen Putsch, der den Willen der WählerInnen missachten würde und über die kurdische Region hinaus ein Alarmzeichen für alle WählerInnen in der Türkei sei.
Es sei dieselbe falsche Politik, mit der seit 30 Jahren versucht werde, den Willen der Menschen zu ignorieren. Die DEM weist darauf hin, dass bei den Kommunalwahlen im März in allen Städten und Bezirken, in denen der Staat in der vorangegangenen Wahlperiode bereits BürgermeisterInnen ihres Amtes enthoben hatte, die KandidatInnen der DEM haushoch gewonnen hätten.
Tatsächlich hatte die Regierungspartei AKP im März hohe Verluste in den kurdischen Gebieten erlitten. Die Amtsenthebungen und Festnahmen erfolgten nun, nachdem zuvor Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein rechtslastiger Koalitionspartner Devlet Bahçeli den Kurden eine neue Friedensinitiative angeboten hatten.
Insbesondere dem seit 25 Jahren inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan wurde eine mögliche Freilassung in Aussicht gestellt, sollte er dem Terror abschwören und die PKK zur Waffenniederlegung und Auflösung aufrufen. Anscheinend haben die Verhandlungen hinter den Kulissen nicht das gewünschte Ergebnis gebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?