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Rent­ne­r*in­nen in DeutschlandSystem vor dem Kollaps

Kommentar von Wolfgang Mulke

Immer weniger Menschen müssen für die Renten von immer mehr Menschen aufkommen. Die Rechnung kann auf kurz oder lang nicht aufgehen.

Für die Alterssicherung braucht es langfristige neue Perspektiven: Rent­ne­r:in­nen in Norderstedt Foto: Ralf Homburg/Lobeca/imago

E s sind Alarmzeichen. Immer klarer wird, dass bei der Rente nicht alles beim Alten bleiben kann. Immer mehr Menschen werden immer älter. Und immer mehr Ar­beit­neh­me­r*in­nen gehen vorzeitig in den Ruhestand. Dafür nehmen sie hohe Abschläge an ihrer Rente hin. Die um sich greifende Flucht aus dem Job geht aus Zahlen der Rentenversicherung hervor. Zugleich fehlen jetzt schon überall Arbeitskräfte.

Und die Babyboomer erreichen in den kommenden Jahren das Rentenalter, was den Mangel an Fachkräften noch verschärft. Mit der Schar der neuen Rent­ne­r*in­nen wird die finanzielle Belastung der aktiv Beschäftigten längerfristig deutlich anwachsen. Seltsamerweise besteht angesichts der sich abzeichnenden Krise in der aktuellen Bundesregierung ganz offensichtlich kein Handlungsbedarf.

Die Lage wird wie schon von den Vorgängerregierungen ignoriert. Auch wenn das Krisenmanagement derzeit durch Krieg und Inflation gebunden ist, muss für die Alterssicherung bald eine langfristig neue Perspektive entwickelt werden. Sonst bewahrheitet sich die jüngste Prognose des Arbeitgeberpräsidenten Rainer Dulger, der einen Kollaps des Systems befürchtet. Dahinter stecken zwei Sorgen.

Einerseits fehlen den Unternehmen Arbeitskräfte, andererseits sehen sie steigende Rentenbeiträge auf sich zukommen. So wird die Forderung nach einer längeren Lebensarbeitszeit immer populärer, auch in der jungen Generation, der die Lasten schließlich aufgebürdet werden. Es sind nur wenige Reformansätze erkennbar. Positiv ist die vom Bundeskabinett beschlossene Abschaffung der Zuverdienstgrenze bei früherem Renteneintritt. Damit steigt der Anreiz, länger zu arbeiten.

Der geplante Aufbau eines Kapitalstocks zur Stabilisierung der Renten­finanzen wird dagegen erst viel später hilfreich wirken. Völlig unbeantwortet ist die Frage, wie all jene, die ihren Beruf nicht länger ausüben können, und all jene, die von Altersarmut bedroht sind, abgesichert werden. Hier müssen Übergänge vom Arbeits- ins Rentenleben neu gedacht und organisiert werden. Es ist höchste Zeit, damit anzufangen, zumal das allgemeine Wohlstandsniveau in Deutschland infolge der aktuellen Krisen tendenziell sinken wird.

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6 Kommentare

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  • Ich sage ja schon lange auf die staatliche Rente sollte man sich nicht mehr all zu sehr verlassen. Stattdessen so früh wie möglich selbst nach Anlagemöglichkeiten suchen wie ETFs, Aktien, Immobilien etc. Auf finanzwissen.de kann sich jeder über Anlagemöglichkeiten informieren. Am besten sollte man damit schon in jungen Jahren anfangen. So kann sich ein hübsches Sümmchen anhäufen im Laufe des Lebens, das im Idealfall locker für den Lebensabend reicht.

  • Die Rentenanstalt sollte Rentner anbieten, den Lebensabend in Thailand zu verbringen. All inclusive in Senioren-Appartement Anlagen. Das wird günstiger und die älteren Herrschaften haben weniger Rheuma. ;-)

  • Rentner, Rentnerin auf Parkbank. obligatorisches Bild zum Thema, das peinlich geworden an deren Lebenswirklichkeit vorbegeht, Enkel*n einhüten, erwachsengeworden eigene Kinder mit Rat und Tat nicht nur finanziell zu stützen, ehrenamtlich fürs BIP mit zu schaffen, oder desgleichen bei Lust und Laune auf lohnende Weiterbeschäftigung, beruflich soziale Team Kontakte, ohne als Rentner*n Soziallbeiträge abzuführen, wodurch Rentenkasse Beiträgsaufkommen geschmälert wird, meist aber bei zu niedriger Rente überschuldet auf Nebeneinkünfte angewiesen zu bleiben



    Bismarcks Rentensystem ab 1882 zum Start in die heile Welt deutschen Exports "Made in Germany" in alle Welt war aus der Not vorherig weltwirtschaftlicher Depression eingeleitete Sturzgeburt, Großgrundbesitzer, wie Bismarck, vor Entschädigungsforderungen millionenfach entschädigungslos freigesetzter Landarbeiter*nnen, Tagelöhnern*nnen auf ihren Rittergütern in Richtung gewerblich-industrieller Ballungsgebiete zu bewahren, deren Versorgung mit Grundbedarf, Unterkunft, Heizstoff, Mobilität allein, Beamte, Land- und Reichstagsabgeordnete, Staatsbedienstete ausgenommen, dem Dramadreieck Kommunen, Arbeitnehmern*nnen, Arbeitgebern von der Wiege bis zur Bahre aufzubürden, von Arbeitslosen, Unterbeschäftigten noch gar nicht gesprochen. Wie einfach und verständlicher wäre es gewesen, stattdessen auf Grund-, Bodennutzungsrente basierend Altersversorgung der Bevölkerung durch Gewerbetreibende, Unternehmen, Grund-, Boden-, Immobiileneigentümer finanziert, existenzielle Absicherung aller Bewohner*nnen deutscher Kommunen von der Wiege bis zur Bahre Grundkapitalstock finanzieren zu lassen, die Binnenkaufkraft bei bleibender Koppelung der Entwicklung von Lohn-, Gehälter- an Grund-; Boden- , Immobilien- Mietpreisentwicklung zu sichern.

    • @Joachim Petrick:

      Davon abgesehen, wurden im Bismsrckschen Sozialversicherungssystem erst ab 70zigsten Lebensjahr Renten mit der Folge ausgezahlt, dass dies, angesichts damaliger Lebenserwartung weit unter 70 Jahren nur ganz selten im Einzelfall geschah, das in der Rentenkasse angespart eingesammelte Kapitalstock zweckentfremdet Hohenzollern Kaiser Wilhelm II Aufrüstung kaiserlicher Heere, Marine zugute kam.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Da wird Herr Dulger (Arbeitgeberpräsident) mit einer "Prognose" zitiert.



    Und du fragst dich: Warum?



    Welche Fakten, welche Entscheidungsgrundlagen schaffen die Aussagen eines Lobbyisten?



    Dann wird die längere Lebensarbeitszei angetextet, die (angeblich) auch bei der "jüngeren Generation" immer populärer wird.



    Den der werden "die Lasten aufgebürdet". Und das stimmt. Endlich.



    Aber nicht von den Rentnern.



    Sondern von den Arbeitgebern und der wirtschaftliberalen Politik.



    Sie haben die Teilhabe der Arbeitnehmer an der wirtschaftlichen Prosperität der letzten (mindestens) 25 Jahre Hand in Hand torpediert.



    Die Profite gingen an die Unternehmen, die Löhne und damit auch die Rentenbeiträge wurden runtergedrückt.



    Und dann noch zu dem gebetsmühlenartig wiederholten "Argument" immer weniger "Jünere" (??) müssten immer mehr Alte quasi durchfüttern.



    Es ist völlig Banane, wie viele finanzieren. Wichtig ist, was in die Kasse kommt.



    Heißt: Steuerfinanzierung (vor allem durch die Wohlhabenden) ist längst überfällig.



    Aber in einem Land, in dem selbst "sozialdemokratische" Kanzler Genossen der Bosse sind (offen ausgesprochen oder verdeckt), wo Unternehmen und Wohlhabende durch die herrschende Politik vor dem Staat (=Steuern) "geschützt" werden, wird's wohl doch eher darauf hinauslaufen, dass das Renteintrittsalter auf (sagen wir) 80 abgehoben wird, der Regelsatz auf 40% des Durchschnittseinkommens und jedes Jahr früherer Rentenbeginn (z.B.) 2% Abschlag bedeutet.

  • Da wird bestimmt wieder eine Null-Runde gefordert. Oder längere Lebensarbeitszeiten, was einer faktischen Rentenkürzung gleich kommt.



    Oder längere Wochenarbeitszeiten, am Besten noch ohne Gehalt.



    Wie wäre es, die Rentenerhöhungen an die Gewinne der Unternehmen zu koppeln? Oder an Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts?



    Ist doch nicht alternativlos, oder?