piwik no script img

Remis-Rekord bei der Schach-WMCarlsens blaues Auge

Noch nie wurde bei der Schach-WM so oft remis gespielt wie beim Duell Carlsen gegen Caruana. Nun läuft es auf den Schnellschach-Tiebreak hinaus.

Magnus Carlsen in der ersten WM-Partie gegen Fabiano Caruana Foto: reuters

Die WM in London steuert auf einen Schnellschach-Tiebreak zu. Auch die elfte Partie zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und Fabiano Caruana endete am Samstag ohne Sieger. Setzt sich die in der WM-Geschichte einmalige Remis-Orgie heute fort, ermitteln der 27-jährige Norweger und sein italienischstämmiger US-Herausforderer den neuen Champion am Mittwoch in bis zu 15 Partien mit kürzerer Bedenkzeit.

„Viel hängt davon ab, was Fabiano machen will. Möchte er herunterschalten, ist es für mich fein und wir spielen Schnellschach. Ansonsten gibt es eben einen Kampf“, blickt Magnus Carlsen auf die zwölfte und letzte WM-Partie voraus, in der sich der Sieger 60 Prozent des ausgelobten Preisgeldes in einer Gesamthöhe von einer Million Euro sichern könnte. Sein Anhang hat den ersten Showdown am Montag schon abgehakt: „Das gibt zwölf Remis“, unkte Carlsens Landsmann Leif Warstad schon während der Partie vom Samstag während der Live-Übertragung, die der Fan in Slowenien von der dortigen Senioren-WM aus verfolgte.

Für den Weltmeister wäre es fast ein Wunschergebnis, wie schon vor zwei Jahren in New York gegen den Russen Sergej Karjain die Verlängerung zu erreichen. Bisher erwies sich nämlich Caruana als der dominantere Großmeister. Zweimal ließ der in der Weltrangliste nur einen Wimpernschlag hinter Carlsen liegende US-Amerikaner in diesem Match Gewinnchancen aus.

Auch das elfte Remis in Folge bewies, dass er besser vorbereitet ist und den Titelverteidiger mit neuen Eröffnungsideen zu überraschen weiß. „Ich war natürlich von der Eröffnung wenig angetan und wurde überrascht“, räumte der Weltmeister zerknirscht ein und „beschloss“ trotz des Anzugsvorteils mit den weißen Steinen, die Partie vorsichtshalber „herunterzuschalten. Das war nicht großartig, aber auch kein Desaster.“ Beide Seiten hatten neben ihrem König nur noch je einen Läufer und sechs Bauern übrig. Da die zwei Leichtfiguren unterschiedliche Felderfarben bestrichen, wussten die Experten schon im 26. Zug: Die Partie ist „tot remis“.

Ein letzter billiger Trick

Carlsen schleppte das Duell indes 30 Züge lang fort, um einen letzten billigen Trick zu versuchen, auf den der Herausforderer natürlich nicht wie ein plumper Amateur hereinfiel. Daher endlich Friedensschluss im 55. Zug. „Es passierte nicht wirklich viel“, räumte Caruana ein.

Der 26-Jährige lässt sich durch die dröge Spielweise seines Rivalen jedoch keineswegs in die Irre führen. „Es ist noch ein langer Ritt. Ich werde natürlich in der letzten Partie nicht verrücktspielen. Aber ich will versuchen, ihn unter Druck zu setzen“, schickte der US-Amerikaner zumindest eine kleine Kampfansage in Richtung des Champions, zumal Caruana mit Weiß beginnen darf. Angesichts „der Anspannung für uns beide“ ist er um jeden Ruhetag froh. Die letzte Partie und vor allem ein Tiebreak würden durch „die Nerven entschieden und wessen Kopf am besten bis zum Ende arbeitet“.

Dass Carlsens Schädel weiter gut funktioniert, bekam er vergangene Woche sogar schriftlich via Chat von seinem Leibarzt Brede Kvisik bestätigt: Bei einem Fußballspiel prallte ein norwegischer Journalist mit dem Weltmeister unglücklich zusammen und verpasste ihm so ein Veilchen. Kvisik gab jedoch gleich Entwarnung: „Die Gehirnfunktionen sind alle gut.“

Carlsen kann sich nun das WM-Finale der Damen in Sibirien zum Vorbild nehmen: Die chinesische Titelverteidigerin Ju Wenjun setzte sich am Freitag im Schnellschach gegen die Russin Katerina Lagno mit 3:1 durch. Gelänge dies Carlsen ebenso in vier Schnellschach-Partien (25 Minuten Grundbedenkzeit) oder wenigstens nach den maximal elf Blitzpartien (mit fünf Minuten), käme der Schwede mit einem zweiten blauen Auge davon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 /