Rekrutierungsstelle für Kämpfer: Der Donbass zeigt Flagge in Moskau
In der russischen Hauptstadt gibt es eine Außenstelle der „Volksrepublik Donezk“. Kosaken rekrutieren Freiwillige und sammeln für Hilfstransporte.
MOSKAU taz | Von der Straße der Jungen Garde und von der „Partisanskaja“, der Straße der Partisanen, ist das Gebäude am westlichen Stadtrand Moskaus leicht zu erreichen. Unter dem Dach des „zentralen Kosakenheeres“ oder genauer der „allmächtigen Streitmacht vom Don“ residiert zurzeit auch die „Volksrepublik Donezk“.
Noch ist sie nicht anerkannt, aber die Erfolge der sogenannten Aufständischen in der Ukraine und Wladimir Putins Vorstoß mit einem für die Separatisten vorteilhaften Waffenstillstand lassen die Chancen auf Eigenstaatlichkeit Tag um Tag steigen.
Kosake Andrej, der für die Koordination der Arbeit mit den Flüchtlingen aus der Ukraine zuständig ist, ist sich sicher: „Wir werden unabhängig wie Abchasien und Südossetien, auch wenn uns nur Russland anerkannt.“ Ein Zusammenleben mit den Ukrainern sei nicht mehr möglich, sagt Andrej, der aus einer Kosakenfamilie in der Nähe von Donezk stammt.
Der 21-Jährige spricht von Gräueltaten ukrainischer Einheiten und den „vielen toten Kindern“ und dem Söldnerheer aus Europa, das aufseiten Kiews kämpfe. Besonders aufgefallen seien ihm italienische Legionäre.
Vor dem Eingang ist ein riesiges Plakat angebracht: „Hilfe für den Donbass“, daneben hängen eine russische Trikolore und die Fahne der Volksrepublik Donezk. Im dunklen Vorraum stapeln sich Hunderte von Plastiktüten mit Kleidung, Spielzeug und Ausrangiertem.
Hilfstransporte und Freiwillige
„Wir besorgen auch Medikamente, alles, was lebenswichtig ist“, sagt Andrej. Am Fenster baumelt ein Windspiel mit Schaumgummihasen, die schwimmen lernen. Darunter steht ein nagelneues Essgeschirr aus der Armee, gegenüber schaut die Mutter Gottes mit Kind von einer überlebensgroßen Ikone herab. Draußen kramen einige Frauen in den Tüten auf der Suche nach Brauchbarem.
Auch Hilfstransporte in den Donbass organisieren die Kosaken. Vor allem sind sie aber die Rekrutierungsstelle für Freiwillige, die in der Ukraine kämpfen wollen. Die „allmächtigen Donkosaken“ und die „Union der Kosaken Russlands“ treten als wichtigste Werber auf. Andrej leugnet es: „Wer kämpfen will, findet allein den Weg“, sagt der Ingenieur.
Zwei lange Kerle betreten den Raum und fragen nach Schlüsseln für einen Safe. Die jungen Männer stecken in gescheckten Tarnanzügen und tragen die blauweiß gestreiften Unterhemden der russischen Armee, sie wollen aber nichts von sich preisgeben. Einer verabschiedet sich und sagt, er ginge zu „seiner Aufgabe“, wenn viel los sei, käme er nicht mehr zurück.
Ehemalige Militärs
In unabhängigen Medien und im Internet häufen sich Berichte über Werbemaßnahmen von Freiwilligen, „dobrovolzy“ auf Russisch. Es soll immer noch genügend Interessenten geben. Viele seien ehemalige Militärs aus Veteranenorganisationen, darunter vor allem Teilnehmer der beiden Tschetschenienkriege aus den vergangenen 20 Jahren.
„Es werden aber fast alle genommen“, sagte ein Informant der Nowaja Gaseta, der anonym bleiben wollte. Manche folgten echtem patriotischem Gefühl, andere locke nur das Geld. Wenn sie in den Kampf zögen, müssten sie alle Hinweise beseitigen, die sie als russische Bürger auch im Tode ausweisen könnten.
Neben den Kosakenverbänden, die die Aushebung organisierten, kümmere sich der Geheimdienst FSB um Diversion und Verschleierung. Das russische Verteidigungsministerium übernehme die materielle Versorgung der Kämpfer. Russischen Medienberichten zufolge melden sich in der Jungen-Garde-Straße immer wieder Freiwillige, die als „militärische“ Saisonarbeiter zwischen Russland und der Ukraine unterwegs sind. Auch davon weiß Andrej nichts.
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