Rekord bei Rüstungsausfuhren: Von wegen restriktiv
Die Groko hat kurz vor Schluss Rüstungsexporte in Milliardenhöhe genehmigt. Das widerspricht den Zielen der alten und neuen Regierungspartei SPD.
M an würde Olaf Scholz jetzt gern ein paar Fragen stellen. Warum genehmigte die Große Koalition, wenige Tage bevor seine Ampelkoalition übernahm, noch Rüstungsexporte im Wert von fast 5 Milliarden Euro und sorgte damit für einen Rekordwert? Warum geht der Großteil in Form von Kriegsschiffen und Luftabwehrsystemen nach Ägypten, ein autoritäres Regime, das am Jemenkrieg beteiligt ist? Und warum untergräbt die SPD damit eigene Wahlversprechen?
Die Antworten fallen erst mal aus. Denn die Entscheidungen, welche Rüstungsexporte genehmigt werden, fallen in einem kleinen Zirkel, dem Bundessicherheitsrat. Dieser Zirkel, dem Scholz auch während der Groko-Zeit als Vizekanzler angehörte, tagt geheim, die Protokolle sind Verschlusssache. Die SPD will das eigentlich ändern. Doch der Vorfall zeigt, wie schwach die Ambitionen des jetzigen Kanzlers Scholz sind, die intransparente Genehmigungspolitik, die sich einen Dreck um die Einhaltung von Menschenrechten im Empfängerland schert, zu verbessern.
Dabei ist die Position der Sozialdemokraten eindeutig. Im Wahlprogramm heißt es vollmundig, für die SPD sei eine restriktive Rüstungsexportpolitik zentral. Sie fordert – genau wie die Grünen – ein Rüstungsexport-Kontrollgesetz. Das soll sicherstellen, dass Exporte in Drittländer, die weder der EU noch der Nato angehören, deutlich eingeschränkt werden. Ägypten dürfte demnach in Zukunft überhaupt keine deutschen Rüstungsgüter mehr erhalten, da das Land auch nicht das internationale Waffenhandelsabkommen ATT unterzeichnet hat.
Eine deutlich verbesserte Berichtspflicht gegenüber dem Parlament soll zudem dessen Kontrollmöglichkeiten verbessern. Das würde wahrscheinlich dafür sorgen, dass solche Last-Minute-Mauscheleien rechtzeitig auffliegen. Ein Gesetz zur Kontrolle der Rüstungsexporte, wie es im SPD-Programm steht, soll auch transparenter machen, nach welchen Kriterien Genehmigungen erteilt werden.
Kein normales Exportgut
Die Regierung müsste regelmäßig von sich aus eine vollständige Liste der genehmigten Ausfuhren veröffentlichen. All das fordert die SPD – doch der eigene Kanzler fällt als treibende Kraft aus, sondern agiert eher wie der dicke Kater Garfield, der sich vor seiner angekündigten Diät noch mit Lasagne eindeckt.
Nun liegt es entweder an der SPD-Fraktion, zusammen mit den anderen beiden Ampelparteien zu zeigen, dass sie selbstbewusst und Korrektiv genug sind, ein solches Gesetz einzubringen. Oder die Grünen und ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck können mehr Rückgrat beweisen und es erarbeiten lassen. Wobei grundsätzlich fraglich ist, ob die Zuständigkeit für Rüstungsexporte weiterhin im Wirtschaftsministerium angesiedelt sein sollte. Denn weder sind Waffen ein normales Exportgut, noch darf die Entscheidung über ihre Ausfuhr vor allem nach wirtschaftlichen Kriterien fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind