Entscheidung zu Rüstungsexporten: Frieden schaffen mit weniger Waffen
Das Bundeswirtschaftsministerium plant noch für das zweite Halbjahr 2022 ein Kontrollgesetz. Hintergrund sind Rekordwaffenlieferungen.

Juli 2021, deutsches U-Boot S 44, von Thyssen Krupp Marines gebaut, gekauft von Ägypten Foto: Jörg Waterstraat/Sulupress/picture alliance
BERLIN taz | Noch in diesem Jahr könnte die Bundesrepublik erstmals ein Rüstungsexportkontrollgesetz bekommen. So plant es jedenfalls das grüngeführte Bundeswirtschaftsministerium. „Die Entscheidungen über Rüstungsexporte brauchen eine restriktive und klare gesetzliche Grundlage“, sagte der zuständige Staatssekretär Sven Giegold der taz. „Wenn alles nach Plan verläuft, haben wir im zweiten Halbjahr einen ersten Gesetzentwurf.“
Zunächst soll es noch im Frühjahr eine Reihe von virtuellen Anhörungen von Wissenschaftler:innen, Industrievertreter:innen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Interessierten geben. „Ich werde allen zuhören – der Friedensbewegung wie der Rüstungsindustrie“, versprach Giegold.
Anschließend sollen bis zum Sommer Eckpunkte für das geplante Gesetz erarbeitet und vom Kabinett beschlossen werden. Auf dieser Grundlage soll dann der Gesetzentwurf erarbeitet werden. Darin sollen auch die bereits geltenden Verwaltungsvorschriften und politischen Grundsätze enthalten sein. „Auf diese Weise werden wir die Verfahrensgrundlagen und Kontrollmöglichkeiten, die bisher nur in untergesetzlich-administrativen Regeln enthalten sind, gesetzlich festschreiben“, kündigte Giegold an. Die Endverbleibskontrolle über Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werde ausgebaut.
Dass die derzeitigen Regelungen unzureichend sind, zeigt ein Blick auf die deutschen Rüstungsexporte des vergangenen Jahres. Wie aus einer Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht, die der taz vorliegt, erteilte die Bundesregierung 2021 Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von insgesamt 9,35 Milliarden Euro – ein neuer Rekord. Dabei entfielen 4,2 Milliarden Euro auf den Export von Kriegswaffen, 5,1 Milliarden auf sonstige Rüstungsgüter.
Die neue Ampelkoalition ist für Genehmigungen in Höhe von 309 Millionen Euro verantwortlich, nahezu ausschließlich für Ausfuhren an EU- oder Nato-Mitgliedstaaten beziehungsweise ihnen gleichgestellte Länder wie Australien. Der ganz überwiegende Teil der Rüstungsexporte resultiert also aus Entscheidungen der Vorgängerregierung – und zwar in alle Welt.
2018 wurden weitere Einschränkungen versprochen
Dabei hatten CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag von 2018 noch eine „weitere Einschränkung von Rüstungsexporten“ versprochen. Insbesondere sollten die Exporte von Militärgütern in sogenannte Drittländer „weiter“ eingeschränkt werden. Geschehen ist das Gegenteil: Der Löwenanteil in Höhe von 5,95 Milliarden Euro entfiel auf Liefergenehmigungen zugunsten solcher Länder.
Besonders pikant: Unmittelbar vor dem Regierungswechsel Anfang Dezember genehmigte der Bundessicherheitsrat noch schnell zwei Großprojekte für Ägypten. Danach darf Thyssenkrupp Marine Systems drei Fregatten an das autoritär regierte nordafrikanische Land liefern, das wegen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen und der Verwicklung in die Konflikte im Jemen und in Libyen in der Kritik steht. Hinzukommen noch 16 Luftverteidigungssysteme des baden-württembergischen Unternehmens Diehl Defence.
Damit steht Ägypten mit rund 4,34 Milliarden Euro ganz oben in der Liste der zehn Länder mit den höchsten Einzelausfuhrgenehmigungen. Auch mit dabei: das Brasilien des faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Mit einer wertebasierten Außenpolitik, wie sie die Ampelkoalition postuliert, lässt sich das schwer vereinbaren.
Leser*innenkommentare
Francis Ravendrake
Stimmt. Statt Exporten sollten wir lieber in die eigene Bundeswehr investieren.
Die russische Agression macht mir mittlerweile Angst und unsere Bundeswehr verdient kaum den Namen "Wehr".
Und jetzt bitte nicht mit "was soll das Russen-Gebashe"... Da stehen 100.000 Mann an der Grenze, da werden ganze Verbände über weite Strecken verlegt - das macht man nicht aus Spass an der Freude.
47202 (Profil gelöscht)
Gast
@Francis Ravendrake "Die russische Agression macht mir mittlerweile Angst...."
Vor der amerikanischen Politik sollte man sich ebenfalls schwer in Acht nehmen.
Ein Ausweg wäre, Europa deutlich stärker zu machen, aber mit so vielen EU-Ländern am Tisch kann das ja nichts werden.
Ein anderer möglicher Weg ist die deutliche Gesprächsbereitschaft zwischen Deutschland, Frankreich und Russland. Gerne auch andere Länder, aber keine Scharfmacher.
Man muss den Russen etwas anbieten.
Die sogenanne "Kuba-Krise" war damals die Folge amerikanischer Politik!
"Von 1959 an stationierten die USA in Italien eine Staffel mit 25 und in der Türkei zwei Staffeln mit je 25 nuklear bestückten Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter, die auf die UdSSR gerichtet waren." (Wikipedia).
Daraufhin fuhren Schiffe mit Raketen an Bord nach Kuba.
Nachdem Chruschtschow die Raketen abgezogen hate, erfolgte ebenfalls ein Abzug der US-Raketen in der Türkei.
Es ist ein Fehler auf beiden Seiten den kalten Krieg erneut zu etablieren.
Militärisch, so hört man, ist die Nato mit den USA den Russen weit überlegen. Aber was nützt das uns, wenn die Welt trotzdem untergeht?
83379 (Profil gelöscht)
Gast
@Francis Ravendrake die Notwendigkeit für Exporte ergibt sich halt auch daraus das man Fähigkeiten zur Produktion und Entwicklung behalten möchte aber selber zu wenig kauft.
Francis Ravendrake
@83379 (Profil gelöscht) Lässt sich einfach lösen - garantierte Abnahmemengen der Bundeswehr und entsprechende Kalkulation. Dann wird das Gewehr eben teurer für uns - da kann man dann streiten was uns lieber ist. Das mehr Waffen in der Welt zirkulieren oder wir uns den "Luxus" gönnen aber mit der Technik nicht hausieren gehen.
Tiene Wiecherts
@Francis Ravendrake Es wäre schön, wenn sie eine Quelle zu der Behauptung nachliefern könnten.
Und wenn sie schon mal auf Quellensuche sind, können sie vielleicht als kleine Serviceleistung hier posten, mit wievielen SoldatInnen die NATO an der russischen Grenze im letzten Jahr ins Manöver gezogen ist.
Lars B.
@Tiene Wiecherts Die Quellen sind allgemein und öffentlich und auch für Sie zugänglich: Online-Zeitungen, Zeitungen, Nachrichtensendungen etc. Gerade in den letzten Tagen wurden und wird immer noch in diesen Medien von den Truppenbewegungen berichtet.
Und wieviele NATO-Soldaten waren es im letzten Jahr? Ich habe nichts gefunden.