Reise zur Familie in Coronakrise: Weniger Verkehr an Weihnachten
Reisen in Coronazeiten: Die Bahn stockt ihre Kapazitäten trotz weniger Fahrgäste auf. Mietwagen werden an den Feiertagen knapp.
„Am Buchungsverhalten merken wir, dass Weihnachten mit spürbar weniger Verkehr zu rechnen ist“, sagte Bahnvorstand Berthold Huber bei einer Telefonkonferenz. Einer Umfrage zufolge werde das Reiseaufkommen insgesamt um 60 Prozent sinken. Das entspräche einer durchschnittlichen Auslastung von 35 bis 40 Prozent pro Zug.
Schon mit dem Fahrplanwechsel zum 13. Dezember steigen die Kapazitäten durch den Einsatz 15 neuer ICE-4-Züge um Tausende neue Plätze. Die Sonderzüge sind zum Teil bereits buchbar, spätestens ab dem 8. Dezember soll das für alle gelten. Sie sind vor allem auf den Hauptverkehrsachsen wie Berlin–Köln oder Hamburg–Hannover im Einsatz.
Das Reservierungssystem hat die Bahn nach eigenen Angaben mittlerweile so angepasst, dass Reisende nicht mehr unfreiwillig nahe aneinander platziert, sondern im Zug gleichmäßig verteilt werden. Den Grünen bereitet das System allerdings Sorgen. „Eigene Tests haben ergeben, dass ein einzelner Fahrgast nach wie vor aneinanderliegende Sitze reservieren kann – obwohl die Bahn das eigentlich ausschließt“, berichtete der bahnpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Matthias Gastel. Das dürfe nach Monaten unter Pandemiebedingungen nicht mehr passieren.
Buchungsstopp bei 60 Prozent Auslastung
Bei der Buchung einer Fahrkarte im Internet wird KundInnen die Auslastung eines Zuges angezeigt. Ist die Verbindung zu 60 Prozent ausgebucht, können sie keine Fahrkarte mehr buchen. So sollen Reisende auf weniger frequentierte Züge umgeleitet werden. Mit den sogenannten Flexi-Tickets können Reisende allerdings jeden Zug auch ohne Reservierung nehmen. Erfahrungsgemäß buchen in der Weihnachtszeit aber 60 bis 70 Prozent der KundInnen eine Platzkarte, sodass die Bahn mit einer überschaubaren Zahl an spontan Reisenden rechnet. Für das Einhalten der Maskenpflicht im Zug sorgen mittlerweile 4.000 Sicherheitskräfte der Bahn und 5.000 BundespolizistInnen.
Um für Sauberkeit und Hygiene zu sorgen, setzt die Bahn 4.300 Reinigungskräfte in Zügen und am Bahnhof ein. Außerdem testet der Staatskonzern neue Reinigungskonzepte wie UV-Licht zur Desinfektion an Rolltreppen oder Speziallack zum Schutz vor Viren und Bakterien auf Treppenhandläufen und Bedienungsknöpfen in Aufzügen. Eine neue Funktion in der Bahn-App zeigt für mehr als 100 Bahnhöfe, wie stark sie aktuell frequentiert werden.
Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die Kapazitätsausweitung der Bahn. „Das ist vorausschauend und verantwortungsbewusst“, so VCD-Bahnexperte Bastian Kettner. Mehr Kapazitäten seien wichtig, um den gebotenen Mindestabstand einhalten zu können. Der VCD rät gerade bei volleren Zügen zum Tragen einer Maske mit FFP2-Standard.
Auch weniger Autoverkehr
Für die Fernstraßen erwartet der ADAC an Weihnachten ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen als in den Vorjahren. „Einerseits mögen manche Reisende von einer Bahnfahrt absehen und stattdessen das Auto nutzen“, sagte ein Sprecher. Andererseits werde das mehr als ausgeglichen durch den Verzicht auf Besuchsfahrten bei Verwandten und FreundInnen sowie den entfallenden Reiseverkehr in die Wintersportgebiete.
Einen Mietwagen an Weihnachten zu bekommen, ist immer schwierig. „In diesem Jahr verschärft sich die Situation noch, weil aufgrund der Coronapandemie viele Vermieter ihre Flotten verkleinert haben“, sagt Andreas Schiffelholz, Geschäftsführer Mietwagen bei dem Onlinevermittlerportal Check24. Zurzeit seien noch viele Fahrzeuge verfügbar. „Aber schon jetzt beobachten wir bundesweit einen deutlichen Buchungsanstieg, möglicherweise weil viele Verbraucher aufgrund der Pandemie von der Bahn auf einen Mietwagen umsteigen“, sagt er. Bis jetzt seien für die Feiertage etwa 45 Prozent mehr Fahrzeuge gebucht worden als im Vorjahreszeitraum. „Daher rechnen wir mit einem Preisanstieg, je näher die Weihnachtstage rücken“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit