Registrierungspflicht bei Messengern: Ein Fest für Facebook
Das Innenministerium möchte, dass Nutzer:innen von WhatsApp & Co sich künftig registrieren sollen. Es wäre das Ende der digitalen Anonymität.

V om CSU-geführten Innenministerium ist man ja mittlerweile rechtsstaatlich fragwürdige Positionen gewohnt. Für Vorratsdatenspeicherung, gegen Verschlüsselung, und wenn Innenminister Horst Seehofer könnte, hätte er wahrscheinlich auch nichts dagegen, die Sicherheitsbehörden mit einer größeren Zahl an Drohnen auszustatten, um diese ab und an anlasslos patrouillieren zu lassen.
Aber ein neuer Forderungskatalog aus dem Hause Seehofer, auf den zuerst der auf Datenschutz und Anonymität fokussierteE-Mail-Provider Posteo hingewiesen und den dann das Portal Netzpolitik.org veröffentlicht hat, sorgt dann doch für einen Ist-das-eigentlich-schon-der-1.-April-Moment. Darin steht nämlich unter anderem: Menschen, die Messenger- oder E-Mail-Dienste nutzen, sollen sich dort registrieren müssen. Mit Name, Anschrift und Geburtsdatum. Und mit einer Verifikation derselben per Ausweis. Kurze Pause, sacken lassen – angekommen?
Oh, was wäre das für ein Fest für große Plattformen wie Google, Apple, und Facebook (samt Whatsapp), deren Messenger- und E-Mail-Dienste viele Menschen nutzen. Aber auch mittelgroße Anbieter wie GMX oder die Telekom würden singen. Singen! Bekämen sie doch künftig Ausweisdaten gratis und frei Haus geliefert. Und damit die Möglichkeit, noch umfassendere und vor allem verifizierte Profile zu bilden. Und diese mit Daten von anderen Diensten zu verknüpfen. Und sie zu Geld zu machen. Und sich von Hacker:innen klauen zu lassen – ähm, nein, das natürlich nicht, wer käme denn auf so etwas.
Es wäre, so nebenbei, auch das Ende von anonymer digitaler Kommunikation. Korrektur: Es wäre für die meisten Menschen in Deutschland das Ende von anonymer digitaler Kommunikation. Denn es würde natürlich weiterhin Anbieter im Ausland geben, mitunter leider mit sehr zweifelhaftem Hintergrund und Datenschutzverständnis, für die so eine deutsche Gesetzesänderung maximal so mittelinteressant ist.
Während das Innenministerium in der Bundespressekonferenz auf Nachfrage des Reporters Tilo Jung die Forderungen rechtfertigte, beeilte sich der CDU-Digitalpolitiker Thomas Jarzombek auf Twitter, die Sache abzumoderieren. Die kursierenden Forderungen seien „alles Punkte des BMI, die in der Ressortabstimmung durchgefallen sind“. Aufatmen? Schön wär’s. Wenn Jarzombeks Aussage stimmt, haben wir dem Abgrund den Rücken zugedreht. Das heißt nicht, dass er nicht mehr da ist.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier