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Regionalwahlen in RusslandFeiern und wählen gehen

In Moskau laufen die Kommunalwahlen, dazu Regionalwahlen. Für Putin könnten sie gefährlich werden.

Die Ergebnisse könnten für ihn gefährlich werden: Wladimir Putin in einem Wahllokal Foto: Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/dpa

Moskau taz | Zu dritt sind sie gekommen, direkt nach dem Teetrinken bei Ljusja, erzählen die Damen, alle weit über 70. Ljusja habe darauf bestanden, dass sie hier sind, in der Mittelschule „Admiral Kusnezow“ am westlichen Zentrumsrand Moskaus. An diesem Sonntag dient die Schule als Wahllokal. Polizisten patrouillieren draußen, es gibt Kinderschminken und laute russische Schnulzen. Jugendliche schwingen Tafeln mit „Alles Gute zum Geburtstag!“ Es ist Stadtfest in Moskau – und Wahltag im ganzen Land.

Festtagsstimmung will vor der Mittelschule nicht aufkommen, weder wegen des einen noch wegen des anderen Anlasses. Vereinzelt gehen vor allem ältere Menschen die Treppen hinauf. Ljusjas Freundinnen wirken etwas verloren zwischen Drehkreuz und Schulzimmern.

Ljusja, einst Lehrerin, nun vor allem mit Stricken für die Enkel beschäftigt, weiß genau, wer es sein soll von den sieben Kandidaten im Wahlkreis 42, deren Bilder an der hellen Schulwand aufgehängt sind. „Nikitin“, sagt sie zu ihren Freundinnen und tippt mit dem Finger immer wieder auf das Gesicht des Parteilosen, ein Steuerfachmann von der Moskauer Staatsuniversität.

„Nikitin, Nikitin, du sagst ständig Nikitin. Kennst du den überhaupt? Was ist denn mit dieser Jekaterina, sie hat doch ein viel netteres Gesicht. Ich weiß nicht recht, was wir hier sollen“, erwidert die Freundin. Die drei laufen hinein ins Schulzimmer.

Essensstände und Animationsprogramm

Danach wollen sie nach Hause zu Ljusja, der Tee sei sicher noch warm. „Ach, die Wahlen“, sagt Ljusja, „Da gab es mein ganzes Leben lang noch nie eine Auswahl. Ich hoffe, dass dieser Nikitin ganz gut ist.“ Sie klingt fast wie Präsident Putin, der bei dieser Wahl, die als Stimmungstest für ihn gilt, seine Stimme in Moskau ebenfalls einem Kandidaten gab, den er – laut Interfax – nicht kennt. „Ich hoffe, er ist ein guter und ordentlicher Mensch“, sagte Putin.

Der Tag ist nicht ungewöhnlicher als jeder Sonntag in der Stadt. Nur dass in jedem Park, in jeder größeren Grünzone Bühnen stehen und Essensstände, ein Animationsprogramm auf die Kinder wartet und Ratespiele für Jugendliche. Moskau begeht den 872. Geburtstag.

Es ist Mittag, der Mann von der Wahlkommission öffnet die Seite, auf der sich Swetlanas Name findet. Sie ist bisher die einzige von insgesamt 20 auf dieser Seite, die einen Stimmzettel entgegengenommen hat

Aber die Anspannung, die den Vorlauf dieser Wahl kennzeichnete, ist nicht verschwunden. An der U-Bahn-Station Tschistyje Prudy verabschiedet sich ein junger Mann, ein Skateboard in der rechten Hand, von seinen Kumpels. „Jetzt erst mal eine Runde Schlaf“, ruft er diesen zu. Sechs Busse mit Polizisten der Sondereinheit Omon stehen direkt neben der U-Bahn-Station im Stadtzentrum. Ihre Aufgabe ist es nicht, Skateboardfahrer zurechtzuweisen.

Vor dem Wahllokal Nr. 11 wenige hundert Meter weiter laden Schauspieler die Fußgänger ein, sich ihr Gesicht zu bemalen. Der Geburtstag der Stadt sei ja ein Feiertag, meinen sie. Die Bankangestellte Swetlana geht hinein ins Wahllokal. Ungefähr ein Dutzend Wähler warten in dieser Schule auf ihren Stimmzettel. Sie sind alle über 40. Es ist Mittag, der Mann von der Wahlkommission öffnet die Seite, auf der sich Swetlanas Name findet. Sie ist bisher die einzige von insgesamt 20 auf dieser Seite, die einen Stimmzettel entgegengenommen hat. Swetlana geht mit ihrem Stimmzettel in die Wahlkabine, anschließend wirft sie diesen in die elektronische Wahlurne, und die Zahl auf dem Display „201“ wechselt auf „202“.

„Die Stimmung in der Stadt ist nicht schlecht, und viele sind Bürgermeister Sobjanin dankbar für die Modernisierung des Stadtbildes“ erklärt Kirill Medwedjew, Sänger, Gitarrist und Poet der linken Rockgruppe „Arkadi Koz“. „Nur wenige Menschen haben die Zeit, sich gegen steigende Tarife, gegen die Zusammenlegung von Krankenhäusern und Rodungen von Parks einzusetzen“, meint er. Hoffnung macht ihm ein wachsender Aktivismus vor Ort.

Einer, der nicht wählen wird, ist der 70-jährige pensionierte Dozent Jewgeni. „Ich traue niemandem und schon gar nicht Computern“, begründet er das unter Anspielung auf die elektronischen Wahlurnen, die die Stimmen direkt einscannen und weiterverarbeiten. „Auch ich traue den elektronischen Wahlurnen nicht“, erklärt der erfahrene Wahlbeobachter Sozialaktivist Ilja Budraitskis gegenüber der taz. „Wir hatten als Wahlbeobachter in der Vergangenheit mehrfach nach merkwürdigen Ergebnissen der elektronischen Urnen eine Neuauszählung beantragt. Und beim Zählen von Hand hatte sich das Ergebnis oft vom Ergebnis der elektronischen Urne unterschieden.“

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