Regionalwahlen in Frankreich: Letzte Warnung an Macron
Der befürchtete Sieg von Le Pen blieb bei den Regionalwahlen in Frankreich aus. Doch das ist kein Grund zur Beruhigung.
S eit mindestens vierzig Jahren werden Frankreichs Republik und ihre humanistischen Grundwerte durch einen Dauerbeschuss einer extremen Rechten bedroht. Deren Identität beruht auf Fremdenhass, nationalistischem Egoismus und der Rehabilitierung der reaktionären und revanchistischen Ideologien.
Dem Rassemblement national, früher Front national, ist es gelungen, die politische Debatte nachhaltig zu vergiften. Alle Enthüllungen von Medien, gerichtliche Urteile und erst recht die moralische Empörung von antirassistischen Bürgerrechtsorganisationen haben die schleichende Verharmlosung dieser rechtsextremen Propaganda nicht verhindert.
Bisher beruhigten sich viele in Frankreich mit dem Argument, dass die radikale Rechte in einem Land wie Frankreich mit seinem Erbe der Aufklärung nie und nimmer eine ernste Gefahr darstellen oder eines Tages gar an die Macht gelangen könne. So ist es nicht. Die Ergebnisse des ersten Durchgangs der Regionalwahlen haben zwar die pessimistischen Prognosen nicht bestätigt. Dennoch sind sie eine letzte Warnung, bevor es in Frankreich wirklich Ernst wird.
Wen geht diese Botschaft an? Vorab die Mehrheit der Wahlberechtigten, die dieses Mal nicht mehr wählen gingen. Viele von ihnen werden gute Gründe dafür vorbringen. Doch ziehen sie es wirklich vor, womöglich heute eine ganze Region wie Provence-Alpes-Côte d'Azur und übermorgen ganz Frankreich einer gefährlichen und inkompetenten Partei wie dem RN als Testlabor zu überlassen, statt sich an die Wahlurne zu bemühen, selbst wenn sie sich über die anderen Parteien keine Illusionen machen?
Zweitens geht das Alarmsignal die restlichen Parteien an, die der Versuchung ausgesetzt sind, entweder aus Opportunismus mit dem RN anzubändeln oder ihn aus Fatalismus gewähren zu lassen. Und nicht zuletzt geht das den Präsidenten an.
Emmanuel Macron hat mit einer gewissen Nonchalance gemeint, er müsse sich von der Wahlniederlage von „En marche“ nicht betroffen fühlen. Er ist bisher davon ausgegangen, dass nur ein Wahlduell mit Marine Le Pen im Jahr 2022 seine Wiederwahl garantiert. Das ist eine allzu simple Strategie. Das ist die Botschaft dieser Regionalwahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance