Regierungskrise in Irland: Ein Stück wie aus dem Tollhaus
Die eigene Partei hat Irlands Premier Kenny zum Abschuss freigegeben. Er stolperte über eine Polizeiaffäre um einen Whistleblower.
Kenny ist die Affäre um einen Whistleblower in der irischen Polizei zum Verhängnis geworden. Polizei-Sergeant Maurice McCabe hatte 2012 enthüllt, dass Prominente von Strafpunkten in der Verkehrssünderkartei verschont blieben. Eine interne Untersuchung ergab, dass „möglicherweise die Regeln in Bezug auf Strafpunkte verletzt worden“ seien. Ein Straftatbestand liege aber nicht vor.
Kurz darauf wurde McCabe des Kindesmissbrauchs beschuldigt. Die für den Schutz von Kindern zuständige Behörde eröffnete eine Untersuchung, musste aber später einräumen, dass sie einer Verleumdungskampagne aufgesessen war. Dennoch wurde das Verfahren erst im vergangenen Juni eingestellt.
Die Regierung behauptete, weder von der Verleumdungskampagne noch von den Behördenfehlern gewusst zu haben. Er habe erst aus dem Fernsehen davon erfahren, sagte Kenny, verstrickte sich jedoch in Widersprüche: So gab er an, dass er danach mit der für Kinder zuständigen Ministerin Katherine Zappone über McCabe beraten habe, doch ein solches Treffen gab es nie.
Für die Gruppe der parteilosen Abgeordneten, die Kennys Minderheitsregierung bisher gestützt hat, war der Bogen damit überspannt. Zwar stimmten sie am Mittwoch für die Regierung, verlangten aber eine internationale Aufsicht für die Polizei. Es gibt bereits drei Gremien, die die Polizeiarbeit überwachen, aber die McCabe-Affäre haben sie nicht verhindert.
Ein Tribunal, um Zeit zu gewinnen
Der in die Enge getriebene Kenny leitete ein Tribunal ein, was irische Regierungen stets tun, um Zeit zu gewinnen. Diese Tribunale dauern in der Regel fünf bis zehn Jahre und kosten zwischen 50 und 160 Millionen Euro Steuergelder. Die Ergebnisse haben keinerlei rechtliche Auswirkungen, bestraft wurde noch nie jemand.
Wenn Kenny stürzt, sind Neuwahlen wohl unausweichlich. Dann gibt es auch einen Regierungswechsel. Fianna Fáil, die Oppositionspartei, die Fine Gaels Minderheitsregierung bisher duldete, hat bei Umfragen 8 Prozent Vorsprung. Der Zeitpunkt für eine Regierungskrise ist denkbar ungünstig, verhandelt man doch derzeit mit London, um die Folgen des Brexit für Irland abzumildern und die Schließung der inneririschen Grenze zu verhindern.
Ein Machtwechsel würde freilich nichts ändern: Beide Parteien gehören dem konservativen Lager an, ihre Politik unterscheidet sich nur in Nuancen. Dass zwei identische Parteien existieren, hat historische Gründe: Die einen kämpften im Bürgerkrieg vor hundert Jahren für den Friedensvertrag mit Großbritannien, der die Teilung der Insel besiegelte, die anderen kämpften dagegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Plädoyer im Prozess zu Polizeigewalt
Tödliche Schüsse, geringe Strafforderung
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen