Regierungschefs Ungarns und Österreichs: Gemeinsames Feindbild Migration

In Wien verteidigt Ungarns Regierungschef umstrittene Äußerungen: Es sei nicht rassistisch, weil er nicht biologisch, sondern kulturell argumentiere.

Viktor Orbán beobachtet Karl Nehammer beim Sprechen

Viktor Orbán und Karl Nehammer bei der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Wien Foto: Georg Hochmuth/dpa

WIEN taz | In einem waren sich Ungarns Premier Viktor Orbán und Österreichs Kanzler Karl Nehammer am Donnerstag in Wien einig: Die „irreguläre Migration“ müsse eingedämmt werden. Und diesem Thema hatte ja auch der Besuch des Nachbarn in Österreichs Hauptstadt gegolten. Als Dritten im Bunde will man Serbien ins Boot holen.

„Wir sind an der Südgrenze Ihre Burghauptmänner“, zog Orbán Parallelen zum mittelalterlichen Mongolensturm: „Wenn wir die Grenzen nicht schützten, würden illegale Migranten zu Hunderttausenden bei Ihnen eintreffen.“

Die Polizeikooperation zwischen den beiden Ländern funktioniere gut, sei aber nicht genug. Vereinbart haben die beiden Regierungschefs daher eine Konferenz mit Serbien, deren Zweck es sei, die Migration noch weiter südlich zu stoppen. „Es ist wichtig, dass Serbien seine Grenzen verteidigen kann – je weiter südlich, desto besser“, so Orbán.

Dutzende Presseleute, die den Saal im Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz füllten, wollten aber nicht über neue Abwehrpläne gegen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten informiert werden, sondern hören wie Nehammer auf die jüngsten Ausfälle seines ungarischen Amtskollegen reagierte.

Orbán sieht seine jüngsten Äußerungen nicht als rassistisch

Vergangenen Samstag hatte Orbán im rumänischen Kurort Băile Tușnad rassenhygienische Parolen ausgegeben: „Es gibt Orte, wo sich Völker aus Europa und Völker von außerhalb Europas mischen, und Orte, wo sich europäische Völker untereinander mischen, wie in den Karpaten.“

Im Westen Europas habe man da Grenzen überschritten, die Ungarn nicht überschreiten wolle, so Orbán: „Wir sind keine gemischte Rasse, und das wollen wir auch gar nicht sein.“

Das war selbst einer seiner engsten Mitarbeiterinnen zu viel. Zsuzsanna Hegdüs, Beraterin für Verbesserungen des Lebens bedürftiger Ungarn, erklärte in einem offenen Brief an ihren Chef ihren Rücktritt. Solchen „Nazi-Sprech“ könne sie nicht akzeptieren.

Orbán war natürlich darauf vorbereitet, in Wien mit seiner Rede konfrontiert zu werden. Nehammer ging zwar nicht direkt auf diese Rede und einen geschmacklosen Witz seines Gastes über deutsche Gaskammern ein, verwies aber auf die besondere Verantwortung Österreichs angesichts der eigenen Geschichte.

Verharmlosung von Rassismus oder Antisemitismus seien auf das Schärfste zurückzuweisen, so der Kanzler. Diese sensiblen Fragen seien „in aller Freundschaft, Offenheit und Klarheit“ besprochen und aufgelöst worden.

Orban: Ungarn führt bei Bekämpfung von Rassismus

Orbán selbst klärte auf, dass seine Warnung keineswegs „rassistisch“ gewesen sei, weil er nicht biologisch argumentiere, sondern kulturell. Ungarn und vor allem seine Regierung seien „Spitzenreiter“ in der Bekämpfung von Rassismus.

Auch sein Ausscheren aus der europäischen Energiesolidarität durch Sonderabkommen mit Russland verteidigte er. Die Sank­tions­strategie der EU gegen Russland führe zu Kriegswirtschaft und Rezession. Die von der EU für den Ernstfall angestrebte vorgeschriebene Rationierung von Erdgas „ist das erste Zeichen einer Kriegswirtschaft“, sagte Orbán.

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