piwik no script img

Regierung will Netzbetreiber kaufenStrommasten in Staatshand

Die Regierung will die Hochspannungsleitungen zwischen Schleswig-Holstein und Bayern kaufen. Grund sind die hohen Kosten der Energiewende.

Bald wohl in Bundeshand: Strommasten in Klixbüll, Schleswig-Holstein Foto: Christian Charisius/dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung könnte bald den größten Teil des deutschen Hochspannungsstromnetzes übernehmen. Die Verhandlungen zwischen der deutschen und niederländischen Regierung über den Verkauf der hiesigen Tochter des niederländischen Unternehmens Tennet kommen voran. „Die Gespräche sind konstruktiv“, sagte eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag.

Die Tennet Holding gehört dem niederländischen Staat. Ihre hundertprozentige deutsche Tochter betreibt das sogenannte Übertragungsnetz in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern. Sie ist damit zum guten Teil verantwortlich für die Durchleitung des Windstroms von Nord- und Ostsee und den Küsten in die Industriezentren des Südens.

„Tennet prüft den möglichen Verkauf seiner deutschen Aktivitäten an den deutschen Staat, um die ehrgeizigen Ziele der Energiewende zu erreichen“, teilte die Firma am Freitag mit. Vom Wirtschaftsministerium hieß es: „Das begrüßen wir.“

Die Verhandlungen waren erstmals im vergangenen November bekannt geworden. Damals ging es noch um die Übernahme von 50 Prozent der deutschen Tennet durch die öffentliche KfW-Bank, nun deutet sich der komplette Verkauf an.

Investitionen sind Niederländern zu hoch

Grund für die Übernahme sind die hohen Kosten der Energiewende. Laut Tennet erfordert der nötige Ausbau der Nord-Süd-Stromleitungen in Deutschland 15 Milliarden Euro Eigenkapital. Diese Investition scheint der Niederländern zu hoch zu sein. Auch der Ausbau der Stromtrassen in den Niederlanden kostet Milliarden.

Käme die Übernahme zustande, würde damit ein Teil der Privatisierung der Elektrizitätsversorgung in Deutschland zurückgedreht, jedenfalls vorübergehend. Möglich ist, dass die Bundesregierung das Tennet-Netz später an private Investoren weiterreicht.

Das hiesige Hochspannungsnetz gehört derzeit vier Unternehmen. Neben Tennet als größtem sind dies Amprion in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Westbayern, 50Hertz in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, sowie TransnetBW in Baden-Württemberg.

Hochspannungsnetze bringen Milliarden Euro Gewinn ein

Die Hochspannungsnetze sind lukrative Unternehmen. Sie bringen den Eigentümern Milliarden Euro Gewinne. Allerdings ist die Profitmarge staatlich reguliert, die Bundesnetzagentur achtet darauf, dass es Firmen nicht übertreiben. Schließlich handelt es sich bei den Stromleitungen um Monopole, die zudem überlebenswichtig für das ganze Land sind.

An 50Hertz ist der Staat über die KfW-Bank bereits beteiligt. Das war eine Notoperation im Jahr 2018, um den Einstieg eines chinesischen Unternehmens zu verhindern. Bis in die 1980er Jahre spielte der Staat eine wichtige Rolle als Eigentümer in der Energiewirtschaft. Dann folgte die Phase der Privatisierung und Liberalisierung. Es entstanden neue, private Unternehmen, beispielsweise Eon. Diese mussten allerdings die Stromproduktion von der Stromverteilung trennen. So verkaufte Eon sein Hochspannungsnetz an Tennet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Heute sitzen sie in Parlamenten, morgen in den Unternehmensvorständen und Aufsichtsräten.

    Vice versa.

    Und wer glaubt da noch an Unabhängigkeit der Parlamentarier ?

    Vermutlich noch nicht mal Goethes Gretchen.

    Ein illustres Beispiel für die Verquickung von Politk und Wirtschaft ist sicher auch



    Bruno Thomauske auch wenn er kein Parlamentarier ist.



    de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Thomauske

  • Ich bin der Meinung, dass Infrastruktur in staatliche Hand gehört. Egal ob Telefonnetze, Straßen, Wasser, Schiene, Strom und was es sonst noch so gibt. Der Staat finanziert den Ausbau und Unterhalt und vermietet an die verschiedenen Nutzer. So können nicht nur auf der Schiene verschiedene Gesellschaften ihren Wettbewerb ausleben, ohne dass das Schienennetz darunter.

    • @intergo:

      Sehe ich auch so. Und über die Netze könnte der Staat auch gezielter subventionieren als einem bestimmten Unternehmen Geld in den Rachen zu werfen. Er schafft einfach die nötigen Voraussetzungen für eine Ansiedlung oder einen Weiterausbau.

  • "Käme die Übernahme zustande, würde damit ein Teil der Privatisierung der Elektrizitätsversorgung in Deutschland zurückgedreht, jedenfalls vorübergehend."



    Erst hatte das Hochspannungsnetz der private Konzern Eon, dann das staatliche Unternehmen TenneT, künftig der deutsche Staat. Wo ist da die Privatsierung?

    Lediglich die Bayernwerke, ein an sich privatwirtschaftliches Unternehmen mit hohem Staatsanteil, wurden vor langer Zeit "privatisiert" im Zuge der Zusammenlegung mit den norddeutschen Aktivitäten von Eon, und das betraf dann auch die Hochspannungsleitungen.

    "Diese mussten allerdings die Stromproduktion von der Stromverteilung trennen. So verkaufte Eon sein Hochspannungsnetz an Tennet."



    Entweder das war keine Verpflichtung, sondern eine freiwillige Entscheidung, oder es war eine Auflage im Zuge des Kauf anderer Aktivitäten, glaube. EnBW hat meines Wissens bis heute Kraftwerke und Übertragungsnetz in einem Konzern, wenn auch klar getrennten Sparten. Es gibt also keine feste Verpflichtung zur Trennung.

    • @meerwind7:

      Die Trennung von Produktion und Netz war eine kartellrechtliche Auflage, damit die Marktmacht eines Akteurs nicht zu groß wird.



      12.46h 11.02.

    • @meerwind7:

      Das Unbundling (Trennung von Erzeugung/Stromhandel vom Netzbetrieb) wurde durch die in 2005 erfolgte Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG, siehe insbesondere Par. 6-10e EnWG) zur gesetzlichen Pflicht. Gilt so für die Big Four der deutschen Energiekonzerne mit ihren Übertragungsnetzen (meist Höchstspannung 220/380 kV) ebenso wie für die Verteilnetzbetreiber (Regionalversorger und Stadtwerke mit ihren Netzen von der Hochspannung mit 110 kV bis hinunter zur Niederspannung mit 0,4 kV). Die Entflechtungsbestimmungen umfassen Vorgaben zum rechtlichen, personellen, buchhalterischen und informatorischen Unbundling.

      • @Alfonso el Sabio:

        ... rechtlichen, personellen, buchhalterischen und informatorischen ...

        Welches Wort fehlt ?



        Richtig: "... finzanziellen ..."