Regierung in Kenia: „Die Tür zur Diktatur geöffnet“
Die Regierung erlässt Sicherheitsgesetze, die in den Polizeistaat zurückführen könnten. Im Parlament kommt es zu Tumulten.
NAIROBI taz | Die Kenianer schämen sich dieser Tage noch mehr als sonst für ihre Parlamentarier. Die Abgeordneten waren vergangene Woche aus ihren Weihnachtsferien zurückgerufen worden, um über Änderungen des Antiterrorgesetzes zu diskutieren, vorgestellt von der Regierung.
Aber statt vernünftig miteinander zu reden, kam es im Parlament zu Schlägereien. Ein Stück von einem Finger wurde abgebissen, Hosen und Hemden zerfetzt, Papiere und Bücher zerrissen und die Parlamentspräsidentin wurde mit Wasser übergossen.
„Man sagt, ein Volk bekommt die Führer, die es verdient. Wir haben sie schließlich gewählt“, schrieb ein Kommentator in der größten Zeitung des Landes. Die Meinung auf der Straße war geknickt. „Unsere Politiker haben sich meistens illegal bereichert. Das Erste, was frisch gewählte Parlamentarier machen, ist, sich selber eine Lohnerhöhung geben. Und jetzt dieses Benehmen. Viel schlechter kann es kaum noch werden“, murrt einer.
Das neue Gesetz ist sehr umstritten. Es bietet die Möglichkeit, ohne richterliche Genehmigung alle Telefone abzuhören. Terrorverdächtige können bis zu einem Jahr ohne Anklage festgehalten werden. Hausbesitzer sind verpflichtet, Informationen über Mieter zu geben. Journalisten, die über Terror berichten wollen, müssen dafür die Polizei um Genehmigung fragen.
Letzteres ist die Reaktion der Behörden auf einen Dokumentarfilm des Nachrichtensenders al-Dschasira, der kürzlich ausgestrahlt wurde. Er zeigte, wie spezielle Abteilungen innerhalb der Polizei und des Geheimdienstes als Todesschwadronen agieren. Anonym gefilmte Angehörige dieser Einheiten geben vor der Kamera zahlreiche Morde zu, unter anderem an mutmaßlich extremistischen Imamen. Die Polizei klärt solche Fälle nie auf.
Polizei korrupt, Armee unmotiviert
Das Land ist in den letzten Jahren häufig das Opfer von Anschlägen der somalischen Terrorgruppe al-Schabaab geworden. Die korrupte Polizei und die unmotivierte Armee in Kenia bieten der Bevölkerung keine Sicherheit. Das Regime von Präsident Uhuru Kenyatta hofft nun, mit den Gesetzesverschärfungen mehr Erfolg zu haben. Wenige Stunden nach der Prügelei wurde das Gesetz im Parlament angenommen, inzwischen hat Präsident Kenyatta es unterzeichnet und in Kraft gesetzt.
„Damit ist die Tür zur Diktatur geöffnet“, meint die Opposition. Kenianer wollen Sicherheit, das gestehen auch Regierungskritiker. „Aber wir wollen auch nicht unsere Freiheit verlieren“, sagt ein Aktivist auf seinem Blog. „Unter dem ehemaligen Präsidenten Daniel arap Moi war unsere Freiheit beschnitten. Sein Nachfolger Mwai Kibaki gab uns unsere Freiheit zurück, und jetzt wird sie uns wieder genommen.“
Auch Amnesty International warnt, dass Kenia zurückfallen könnte in die Zeit der Einparteienherrschaft und des Polizeistaats vor einer Generation. Es ist nicht überraschend, dass Kenyatta und sein Vizepräsident William Ruto so etwas machen. Sie sind die politischen Kinder von Moi, der Kenia von 1978 bis 2002 regierte, die letzten zehn Jahre davon im Abwehrkampf gegen eine erstarkende politische Opposition. Die beiden lernten das Metier von Moi. Vizepräsident Ruto war unter Moi zeitweise Generalsekretär der Regierungspartei und Innenminister.
Der unwürdige Umgang der Abgeordneten damit wird allerdings ebenso wenig goutiert. „Das Parlament ist die Stimme des Volkes, das die Regierung kontrollieren soll“, schreibt ein Aktivist in einer Wochenzeitung. „Aber was wir jetzt im Parlament erleben, ist Wahnsinn, genauso viel Wahnsinn wie das Antiterrorgesetz. Wir Kenianer haben wirklich Besseres verdient.“
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