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Reformvorschläge für Hartz IVMinijobs sollen unattraktiv werden

Das Ifo-Institut fordert, die Hinzuverdienstregeln für Hartz-IV-EmpfängerInnen bei Eltern zu verbessern, bei Singles aber zu verschlechtern.

Putzen als Minijob soll sich nicht mehr lohnen, meint das Ifo Foto: dpa

Berlin taz | Für Hartz-IV-EmpfängerInnen soll es sich nach Meinung des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) mehr lohnen, Arbeit anzunehmen, bei der sie mehr verdienen als nur das Gehalt eines Minijobs. Dazu legten Forscher am Montag eine Studie mit Reformvorschlägen vor.

Für Hartz-IV-Empfänger stelle sich die Frage: „Hat man Anreize, die eigene Beschäftigung zu erhöhen, oder bleibt man in Kleinstbeschäftigungen stecken?“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag. Er verwies auf Fälle im Einkommensbereich zwischen 1.500 und 1.600 Euro brutto im Monat, wo Hartz-IV-EmpfängerInnen am Ende sogar weniger Monatseinkommen in der Tasche hätten, weil ihnen vom Verdienst so viel auf die Sozialleistungen angerechnet werde. Zu den Sozialleistungen zählen Hartz IV, Kinderzuschlag, Kindergeld, Wohngeld und Vergünstigungen.

Der Ifo-Vorschlag habe „Familien im Fokus“, sagt Ifo-Forscher Andreas Peichl. Familien im Hartz-IV-Bezug würden „besser gestellt“, Bedarfsgemeinschaften ohne Kinder „etwas schlechter“. Bisher können Hartz-IV-EmpfängerInnen mit einem Nebenjob vom Bruttogehalt die ersten verdienten 100 Euro im Monat behalten. Darüber hinaus gehender Verdienst wird prozentual gestaffelt angerechnet bis zu einem Gehalt in Höhe von 1.200 Euro beziehungsweise 1.500 Euro brutto für Eltern.

Die Studie sieht unterschiedliche Anrechnungsregelungen für Alleinstehende und Eltern vor. Bei Single-Haushalten bis zu einem Einkommen von 630 Euro im Monat soll jeder Hinzuverdienst vollständig angerechnet werden. „Der anrechnungsfreie Hinzuverdienst von 100 Euro entfällt“, heißt es in dem Ifo-Papier.

Der Ifo-Vorschlag hat Familien im Fokus

Ifo-Forscher Andreas Peichl

Das würde bedeuten, dass Hunderttausende Hartz-IV-EmpfängerInnen keinen kleinen Nebenverdienst mehr erzielen können. Sie sollten motiviert werden, „eine existenzsichernde Beschäftigung im Umfang von mindestens 30 Stunden anzustreben“, heißt es in dem Papier.

Für EmpfängerInnen mit Kindern würde sich bei kleinem Verdienst nichts verschlechtern. Einem Alleinerziehenden-Haushalt mit zwei Kindern würde der Ifo-Vorschlag ermöglichen, auch bei „Hinzuverdiensten im Kleinst- und Minijobbereich eine Erhöhung des Haushaltseinkommens zu erzielen“.

Bei Verdiensten über 630 Euro im Monat sollen ­künftig für alle „Aufstocker“ unabhängig vom Familienstatus 40 Prozent vom Gehalt nicht auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden. Das ist ein höherer Freibetrag in dieser Einkommensgruppe als bisher.

Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit gibt es in Deutschland derzeit rund eine Million AufstockerInnen, also Hartz-IV-EmpfängerInnen mit Nebenjobs. Darunter erzielen etwa 230.000 Menschen einen Verdienst von maximal 200 Euro. Das Ifo-Papier beruht auf einer Studie im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Vorschläge des Instituts seien „kostenneutral“, sagten die Ifo-Forscher.

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19 Kommentare

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  • Hans-Werner Sinn (ehemaliger ifo-Präsident und Berater bei den Hartz-Reformen) sagte einmal: "Jeder will arbeiten, es gibt aber nicht genug Arbeit. Und warum gibt es nicht genug Arbeit? Weil der Lohn zu hoch ist."

    Ich denke, mehr muss man zu dem ifo-Institut und den "Ideen" dieses Instituts nicht sagen.

  • Ach, das ifo - Institut für's Orakeln wie mein Matheprof immer meinte - mal wieder...

    Dass das Stereotyp des faulen Hartzers in diversen empirischen, wissenschaftlichen Studien (Arbeitslose haben nachweislich die höchste Arbeitsbereitschaft, höher als Arbeitnehmer.) längst widerlegt ist - geschenkt. Mit Empirie und Wissenschaft hat man's beim ifo ja nicht so.



    Dass die wenigsten ALG II Empfänger a) freiwillig diese Jobs annehmen und b) freiwillig weiter ausüben wollen ist an Dummheit - sorry wenn man's so offen sagen muss - kaum zu überbieten. Vielleicht sollte man sich beim ifo mal darüber informieren, warum die meisten einen zumutbaren Job (Zaunpfahl #1) annehmen (müssen) - und warum man von diesem nicht mehr los kommt, ohne sein Einkommen aus ALG 2 zu mindern (Zaunpfahl #2).

    Und ob das vielleicht in Summe der Grund dafür sein kann, dass viele dies als moderne Sklaverei bezeichnen, da sie (wieder Zaunpfahl #1) sämtliche offerierte Konditionen schlucken müssen.



    Denn normalerweise könnte man ja noch davon ausgehen, dass der Markt Angebot und Nachfrage regelt - und die Betroffenen doch einfach höhere Gehälter (denn da liegt das Problem: im Lohndumping bei diesen Jobs) raushandeln sollen. Wenn ich als Arbeitgeber jedoch weiß, dass die Verhandlungsposition meines Gegenüber bei Frisst oder Stirb / Ja oder Sanktion/Sperre liegt - warum soll ich demjenigen entgegenkommen? Ich kenne (leider) diverse Pappenheimer bei uns in der Innung, die sich auch gern damit brüsten, wie sie ihre Lohnkosten so drücken.

  • Allein die Unterstellung, ledige Alg2-Bezieher seien Schwarzarbeiter ist eine unverschämte Unterstellung des Ifo.



    Nein, natürlich sind verheiratete Einkommenslose mehr schwarzarbeitverdächtig.

  • Der Regelsatz ist nicht armutsfest.

    Die einzige Möglichkeit für Hartz IV Empfänger der Armut zu entkommen, ist daher ein sozialversicherungspflichtiger Job mit ausreichend Einkommen. Ein solcher ist aber oft schwer zu bekommen.

    Ein Minijob bringt durch den Freibetrag wenigstens ein kleines Zubrot, allerdings wird alles über die 100 € Freibetrag zu 80% angerechnet. Die Ärmsten zahlen also einen höheren Abgabensatz als die Reichen.

    Übrigens wurde der 100 € Erwerbstätigenfreibetrag seit der Einführung 2004 nicht erhöht, die Kaufkraft beträgt daher derzeit nur noch etwa 70 €.

    Man will die Armen scheinbar unbedingt in der Armut halten.

    Der Vorschlag des Ifo-Instituts würde dazu führen, dass Hartz IV Empfänger ihre Minijobs aufgeben und stattdessen vermehrt schwarz arbeiten, denn dann wird kein Einkommen gestohlen.

  • Meine Lösung: Kein Arbeitgeber zahlt einem Minijobber, der Sozialleistungen erhält, einen Lohn direkt. Das Geld geht an den "Arbeitgeber" und Vermittler, das Jobcenter.



    Kein Euro ist mehr sozialversicherungsfrei. Linear wird abgezogen. So entfallen die Hindernisse, das man sich ausrechnet, bis zu welchem Betrag sich das Arbeiten lohnt, und der Beschiss, Einkommen schwarz zu zahlen, Einkommen paßgenau auf mehrere Karteileichen zu verteilen.



    Wer sich bemüht und langfristig arbeitet, erhält nach einem Jahr einen Bonus, nach einem weiteren Jahr einen zusätzlichen und wird so an eigene Arbeit und eigenes Leben "gewöhnt".



    Es muss Schluss sein mit Nichtbarbeit bei so vielen Arbeitslosen.



    Arbeiten für Geld muß in der Wertigkeit steigen.



    Wer das wirklich nicht kann, krank ist, wirklich arbeitsunfähig, alt, behindert und schuldlos an seinem Elend, MUSS dafür besser gestellt und sozial integriert werden.



    Keine Tafeln mehr. Das muss weg. Es entmündigt und kränkt Menschen und macht sie lethargisch und antriebslos. Es gibt genug Arbeit, die auch weniger leistungsfähigen Menschen Anerkennung verschaffen kann.

    Ich kenne mehr menschen, die es als ungerecht empfinden, mit einem Vollzeitjob nicht mehr zu haben als ein "Hartzer" mit einem kleinen Nebenjob, der dann bei Sonne sich von ebendieser auf das Haupt scheinen lässt.

    Vor allem junge Menschen dürfen erst gar nicht mehr daran gewöhnt werden, mit NULL Arbeit und NULL Bock durch leben hartzen zu können.



    Und dies dann auch noch einer Generation vorzu"leben"



    Arbeit ist Lebens"wert" und Verpflichtung gleichzeitig.



    Ausgegrenzt werden müssen Menschen die sich verweigern, nicht die, die nicht können...

  • Sinnvoll wäre: alle, die die Arbeitskraft anderer Menschen für ihre Interessen nutzen zur Kasse bitten und sämtliche sozialversicherungsbefreiten Beschäftigungsformen sofort abschaffen, dazu gehört auch der Minijob aka "arbeitsrechtsbefreite Zone und vorprogrammierte Altersarmut besonders für Frauen". Sozialversicherung muss ab dem 1. Euro gezahlt werden.

  • Da das Ifo-Institut, wie es so schön heißt, ein "wirtschaftsnaher Interessenverband" ist, sich also auf Lobbyarbeit für Großkonzerne beschränkt, hätte ich eigentlich wissen müssen, dass hier nur die übliche menschenverachtende neoliberale Propaganda zu erwarten ist.



    Keine Ahnung warum ich den Artikel trotzdem gelesen habe ... macht doch nur schlechte Laune!



    Die Hoffnung stirbt wohl immernoch zuletzt ... aber sie stirbt.

  • Es ist die alte Leier. Nach der Bekämpfung der Arbeitslosen folgt die Bekämpfung der Singles .... usw. usw., bis am Ende der Kette das Volk in unüberschaubar viele Gruppen und Grüppchen aufgesplittet ist und jeder jeden bekämpft - und hinter den Kulissen alles perfekt zur Profitmaximierung der Wirtschaft und des Fiskus.

    Doch ich bezweifle, daß jemals eine Wählermehrheit entsteht, die nicht mehr glaubt, daß nur die Wölfe gute Anführer der Schafsherde sein können.

  • Klasse, die/der 50jährige, die/der ihre/seine 90jährige Mutter pflegt und froh ist, wenn er dabei wenigstens noch ein bisschen arbeiten kann, nimmt dann lieber einen Ganztagsjob an und lässt Mama verrecken.

    Das spart auch Renten- und Pflegekosten. Ifo saniert alles.

  • Wieso versucht ihr Politiker nicht mal 1 Jahr lang von Harz 4 zu leben um es zu testen wie es anderen dabei geht? Das volle Programm mit Kürzung usw. Dafür seid ihr euch zu fein oder sogar zu feige. Anzug könnte ja schmutzig werden oder das Auto

  • Umverteilung von unten nach unten. Neoliberale Interpretation des Sozialstaats. Und das scheiß Ifo-Institut wird auch noch über öffentliche Mittel finanziert.

  • Verstößt solch ein Vorschlag nicht gegen das Gleichheitsgebot? Oder sind Singles, warum diese auch immer allein geblieben sind, denn keine unterstützungswürdigen Personen? Wie steht das mit Paaren ohne Kinder, bei denen beide arbeiten gehen in Mini - oder Midijobs, weil sie ihr Leben von ALG2 alleine schwer finanzieren können? Ich finde den Vorschlag wenig durchdacht, besser wäre keine Anrechnung, denn dahinter versteckt sich ein Bürokratiemonster. Denn jeder Empfänger mit solch einer Tätigkeit muss jeden Monat, einen Verdinstnachweis und den Kontoauszug dem Amt zukommen lassen.



    Sollte er irgendwann Zulagen bekommen, wie ich bei meinem Midijob, werden diese auch in vollen Umfang angerechnet, weil die Leistung ja im Voraus gezahlt wird und der Verdienst am Ende des Monats. Dieses führt dazu das die Leistung monatlich um einen Betrag gekürzt wird solange bis die Überzahlung abgegolten ist.



    Bei mir hat es dazu geführt das ich durch zusätzliche Beantragung von einer Erwerbsminderungsrente keine Leistung mehr erhalten habe und dennoch die Überzahlungen abzuzahlen habe, noch bis Ende diesen Jahres, dann hatte ich 2 Jahre daran abbezahlt, soviel Überzahlung ist über die Jahre aus meiner Tätigkeit entstanden.

  • In anderen Zeitungen stand, dass die Zuverdienstmöglichkeiten für geringfügig Beschäftigte Singles geändert werden sollen, weil wohl nach Aussagen von Jobcenter-Mitarbeitern an dieser Stelle viel Missbrauch betrieben würde....

    Überrascht mich, dass das hier nicht erwähnt wird ;)

  • Endlich, das ist die richtige Herangehensweise, wir verbieten Armut. Problem gelöst.

    • @nutzer:

      und erzeugen neue, bei Alleinstehenden, denen es aufgrund wenigen Einkommens garnicht möglich ist eine Familie zu gründen. Toll

  • Wird sicherlich die 50+ Singles freuen, die aufgrund ihres Alters keinen Vollzeit job mehr finden und ggf. auf die 450-Jobs angewiesen sind.

  • "Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit gibt es in Deutschland derzeit rund eine Million AufstockerInnen"

    Und davon arbeiten ca. 190.000 Vollzeit. Der Rest könnte also grundsätzlich von der Änderung profitieren.

  • Na hoffentlich war die Studie auch kostenneutral!



    Taugt keinen Schuß Pulver:

    1. Auch geringfügige Beschäftigungen sind mit materiellem Aufwand (Klamotten, mehr Essen!, Arbeitsweg...) verbunden.



    2. Von 0 auf 30 h/Woche (+Arbeitsweg) mag sich für nen hart arbeitenden Familienvater, der nebenbei noch in der FFw ist und den örtlichen Fußballnachwuchs trainiert, jetzt ned so wahnsinnig schwer anhören, wie häufig steckt da aber der Teufel im Detail.



    3. Auch auf die Minijobs werden Abgaben seitens der Unternehmer bezahlt, also bringt jede Stunde, die ein AlgII-Bezieher arbeitet, Geld. Abgesehen davon, daß das umgesetzt wird und nicht z.B. in windigen Finanzgeschäften landet.



    4. Müßte, und das hat sogar der Lindner bei Maischberger o.ä. mal erzählt, auch die Grenze mit dem Mindestlohn steigen, für nen Hunni wären das aktuell keine 10h/Monat.

  • Die Ifo-Leute wollen also 230.000 Leuten das Gehalt wegnehmen.