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Reformprozess in der katholischen KircheVorhang zu – oder auf für Reformen?

Bei der vorerst letzten Synodalversammlung wurden zwar Reformtexte verabschiedet. Vielen Mitgliedern gehen sie aber nicht weit genug.

Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft demonstrierten am Rande der Synodalversammlung Foto: Arne Dedert/dpa

Berlin taz | Sie meinen es ernst: Mitglieder und Bischöfe wollen Veränderungen für die katholische Kirche. Mit vielen engagierten Diskussionsbeiträgen, zahlreichen Abstimmungen und langen Reformtexten ist in Frankfurt am Main am Samstag die fünfte und damit vorerst letzte Synodalversammlung der katholischen Kirche zu Ende gegangen.

Nicht nur der extra frühe Start in den letzten Versammlungstag, um noch mehr Themen besprechen zu können, zeigte, mit wie viel Hingabe die Lai*­in­nen und Bischöfe in der Synodalversammlung arbeiten. Aber gilt das für alle 210 Delegierten – insbesondere für die 69 Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz?

Vor drei Jahren ist das Gesprächsformat Synodaler Weg für die Aufarbeitung der sogenannten MHG-Studie gestartet. Diese legte das Ausmaß der sexualisierten Gewalt innerhalb der katholischen Kirche offen. Katholische Ent­schei­dungs­trä­ge­r*in­nen und Kirchenmitglieder sollten gemeinsam an Handlungstexten zur Erneuerung der Kirche arbeiten.

Insbesondere die priesterliche Existenz, die Stellung von Frauen in der Kirche und die Mitbestimmung von Lai*­in­nen sollte hinterfragt werden. Doch durch das geltende Kirchenrecht haben Beschlüsse der Synodalversammlung keine Rechtswirkung. Dreieinhalb Jahre Engagement also nur für gutgemeinte Empfehlungen an Bischöfe?

Streit in der Bischofskonferenz

Ein Grund, warum die Lai*­in­nen den Synodalen Weg bis zum Ende mit so viel Überzeugung mittrugen, liegt sicher auch an der Person des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Limburger Bischof Georg Bätzing. Immer wieder bekannte er sich öffentlich zu den angestrebten Reformen in der katholischen Kirche. Er legte sich mit Kri­ti­ke­r*in­nen des Synodalen Wegs an – auch mit dem Papst.

Von den „Blockierern“ in der deutschen Bischofskonferenz wolle er sich nicht aufhalten lassen. Diese Haltung vertrat er mit Nachdruck, als bei der vierten Synodalversammlung im September 2022 der Grundlagentext zur Sexualethik an der fehlenden Zustimmung der konservativen Bischöfe scheiterte. Bei der Synodalversammlung gelten Texte nur als angenommen, wenn sie eine doppelte Zwei-Drittel-Mehrheit erhalten – neben zwei Dritteln aller Delegierten müssen auch zwei Drittel der anwesenden Bischöfe zustimmen.

Bätzing zog auch nicht zurück als Papst Franziskus einer dauerhaften Nachfolge des Synodalen Wegs eine Absage erteilte: „Der Heilige Stuhl sieht die Gefahr einer Schwächung des bischöflichen Amtes – ich erlebe synodale Beratung geradezu als eine Stärkung dieses Amtes.“ Seiner Person glaubt man also die aufrichtige Bemühung für Reformen in der katholischen Kirche. Und auch andere Bischöfe zeigen sich progressiv, wollen eine andere Kirche leben. Aber die konservativen Kräfte sind da – und rein rechtlich gesehen haben sie das Machtmonopol weiterhin auf ihrer Seite.

Erpressung durch Bischöfe?

Bei einigen Bischöfen wird deutlich, wie wenig sie von der Mitsprache von Lai*­in­nen halten. Ende Februar hatten sie bei der Bischofskonferenz Änderungsanträge gestellt zu Reformtexten, die vor allem von Lai*­in­nen geschrieben wurden. Viele empörten sich deshalb in Frankfurt: Ging das nicht früher? Sollen jetzt nur weichgespülte Kompromisstexte zur Abstimmung kommen?

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, kritisierte, dass die Bischöfe die Änderungen nicht in der vorgesehenen Frist einbrachten, wie es alle anderen Delegierten taten. „Die Dynamik in dieser fünften Synodalversammlung war ungesund“, sagte Stetter-Karp in einer Zwischenbilanz am Freitag. „Wie lange wollen sie unsere große Kompromissbereitschaft noch in Anspruch nehmen, liebe Bischöfe? Zuweilen fühlen sich manche von uns erpresst, damit überhaupt was zustande kommt.“

Diese Meinung vertreten auch die jüngeren Mitglieder der Synodalversammlung. Bei einem Instagram-Livetalk am Vorabend der fünften und letzten Synodalversammlung in Frankfurt haben die jungen Synodalen noch gute Laune. Sie freuen sich über die vielen bestärkenden Nachrichten aus ihren Jugendverbänden für ihre Arbeit. Pfadfinderin Viola Kohlberger sagt aber auch: „Ich habe so wenig Hoffnung für den Großteil der bayrischen Bistümer“. Sie selbst kommt aus einer Gemeinde im Bistum Augsburg. Ob die Beschlüsse des Synodalen Wegs auch konsequent umgesetzt werden, bleibt in der Entscheidungsgewalt der Bischöfe vor Ort.

Standing Ovations im Raum

Die Versammlung setzt darauf, dass die Gemeinden Druck machen werden: „Es hängen bereits jetzt viele Regenbogenfahnen an den Kirchen. Der Synodale Weg hat Themen besprechbar und diskutierbar gemacht“, sagt Gregor Podschun gegenüber der taz. Der 33-Jährige ist der Vorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). „Auch der Streit, der in dem Prozess in der Bischofskonferenz deutlich geworden ist, kann dazu führen, dass Menschen in ihren Gemeinden aufstehen und sagen: So möchte ich nicht mehr Kirche sein“, so Podschun.

Am Ende der fünften Synodalversammlung lässt sich sagen: Keiner der stark diskutierten Reformtexte fiel durch. 15 Texte wurden insgesamt von dem Synodalen Weg verabschiedet, darunter auch welche zum Umgang mit Tä­te­r*in­nen sexualisierter Gewalt. Weitere, unter anderem der zum gemeinsamen Entscheiden in der Kirche, sollen im Synodalen Ausschuss besprochen werden.

Insbesondere gab es in Frankfurt große Freude darüber, dass am Samstag ein Text angenommen wurde, der geschlechtliche Vielfalt anerkennt. Darin wird Papst Franziskus gebeten, dafür zu sorgen, dass LGBTQI-Personen in der Kirche unbeschadet leben können. Dafür gab es Standing Ovations im Raum, einige schwenken Regenbogenfahnen.

So euphorisch ging es am Wochenende in der Messehalle aber eher selten zu. Auch der Text für Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare bekam ein positives Votum. Ein lithurgischer Rahmen soll dafür bis März 2026 erarbeitet werden. Für den BDKJ-Vorsitzenden Podschun war der Text ein starker Kompromiss: „Der Beschluss ist eine Erleichterung für alle Seelsorgenden, die bereits Segnungen für alle machen“. Podschun hofft, dass es nicht nur dabei bleibt: „Dass die Kirche weiterhin homosexuellen Paaren das Eherecht verweigert, bleibt eine Diskriminierung und die gehört beseitigt.“

Podschun hatte sich von der Synodalversammlung erhofft, dass die Reformen nicht länger nur „überprüft“ und weiter „beraten“ werden, sondern klare Forderungen formuliert werden. Insbesondere wünschte er sich eine Aufhebung des Pflichtzölibats, statt es nur zur überprüfen, wie von Rom nun beschlossen.

Es brauche eine „Eselsgeduld“

Auch ein Text zur Öffnung von sakramentalen Ämtern für Frauen wurde verabschiedet – allerdings nur für das Diakonat, eine Vorstufe des Priesteramtes. Viele Synodale hatten für die Pries­te­r*in­nen­wei­he für alle plädiert. Stetter-Karp sagte, bei diesem Thema brauche es eine „Eselsgeduld“, damit man Millimeter für Millimeter weiterkomme. Die ZdK-Präsidentin kämpft seit den 80er Jahren für ein Priesterinnenamt. „Ohne Zweifel hätte ich mir mehr gewünscht“, ist ihr Fazit am Samstag. Insgesamt habe der Synodale Weg aber in der katholischen Kirche zu einer neuen Gesprächskultur geführt.

In Deutschland soll der synodale Weg weitergehen – auch gegen die Widerstände aus Rom. Bischof Bätzing sieht dafür genug Zustimmung in der Weltkirche. Zum Ende der Syndoalversammlung wurden Mitglieder für den Synodalen Ausschuss gewählt, die die dauerhaften Synodalen Räte vorbereiten sollen.

Öffentlich versucht man sich an positiven Bilanzen, auch wenn bei vielen Themen die klare Teilung in die reformbewegten und konservativen Kräften allzu deutlich geworden ist. Auch die Zusammensetzung des Ausschusses sieht nicht gerade nach Reform aus: Die Bischöfe behalten eine Entscheidungsmacht, eine paritätische Besetzung wurde verfehlt und nur fünf der insgesamt 74 Mitglieder sind unter 30. Dabei sind es besonders die jungen Menschen, die Veränderungen einfordern und der Kirche sonst den Rücken kehren.

Bewegungen in der katholischen Kirche sind erkennbar, aber sie sind langsam. Für Menschen, die mit der Kirche wenig zu tun haben, muss es deshalb skurril klingen: Mit 90.808 Mitgliedern, die die im Jahr 2022 die katholische Kirche verlassen haben, gibt es ein neues Spitzenjahr der Kirchenaustritte. Und dann ist da eine Synodalversammlung, die intensiv darüber diskutiert, ob auch eine Frau eine Tauffeier abhalten darf.

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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Die meisten Staaten (zumindest die meisten westlichen) haben eine strikte Trennung von Staat und Religion in ihren Verfassungen festgeschrieben.

    Daher sollten wir alle Religionsgemeinschaften (soweit sie nicht verfassungsfeindlich sind) als rein private Gemeinschaften oder von mir aus NGOs behandeln.

    Sie sollen natürlich für alle Leistungen, die sie der Allgemeinheit erbringen (Kindergärten, Hospitäler, sonstige HIlfeleistungen usw.) angemessen honoriert werden, aber das war es dann schon... Keinerlei "Sonderrechte" z.B. bei Arbeitnehmern usw. und genauso unterliegen alle Mitglieder/Funktionäre dieser Gemeinschaften der jeweiligen staatlichen Justiz (und keiner "internen").

    Die Ansprüche aus den alten Konkordatsverträgen sind längst abgegolten und haben keinerlei Berechtigung mehr.

    PS: dasselbe (hinsichtlich "Justiz" hat auch für Sportverbände zu gelten, auch hier gibt es ein "Eigenleben" (um es höflich zu formulieren...)