Reformierung der BBC: Kritisches unerwünscht
Boris Johnsons Regierung beginnt damit, die BBC zu schwächen. Auch die Rundfunkgebühr soll wohl abgeschafft werden.
Die schönste Geschichte im Zusammenhang mit der BBC hat sich leider schon wieder erledigt: Nein, Elisabeth Murdoch wird nicht neue Chefin des ältesten öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Welt. Eine knappe Woche hatte dieses Gerücht das britische Medienestablishment und die Wettbüros in Atem gehalten. Doch dann winkte die Tochter von Medienmogul Rupert Murdoch, die selbst erfolgreiche TV-Unternehmerin ist, ab.
Dabei hätte ein BBC Director General namens Murdoch Großbritanniens Premierminister Boris Johnson vermutlich sehr glücklich gemacht. Schließlich trommeln Papas Zeitungen Sun und Times verlässlich für seinen Kurs.
Seit Johnson vergangenen Donnerstag sein Kabinett durcheinandergewirbelt und zahlreiche kompetente Minister*nnen gegen harmlos-loyale Busenfreunde ausgetauscht hat, ist zumindest klar, wer auf Regierungsseite künftig für die BBC zuständig ist. Der neue Kultur- und Medienminister heißt Oliver Dowden und kommt direkt aus dem Johnson unterstehenden Cabinet Office. Zunächst war sogar spekuliert worden, das gesamte Department for Culture, Media and Sports (DCMS) könne abgewickelt und der Medienbereich direkt dem Cabinet Office unterstellt werden.
Nun ist es zumindest so ähnlich gekommen. Johnsons Medienpolitik macht dabei ohnehin dessen Super-Berater Dominic Cummings. Zu sagen, dass Cummings die BBC hasst, wäre nur eine leichte Übertreibung. Er verfügt jedenfalls schon mal, dass Minister*nnen nicht in bestimmten BBC-Programmen auftreten, und schließt unliebsame Parlamentsjournalist*nnen von Regierungsbriefings aus.
Ordnungswidrigkeit statt Straftat
Dowden darf nun also in den nächsten Jahren eine „Reform“ der BBC nach Johnson-Cumming’schen Gnaden durchexerzieren. In zwei Jahren steht die „Mid-Term Review“ an, bei der es vor allem um die Höhe der Rundfunkgebühr ab 2022 geht. Bis dahin ist diese an den Verbraucherindex gekoppelt. 2027 folgt dann die nächste „Royal Charter“, die wie bei uns der Rundfunkstaatsvertrag die Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bildet. Wohin die Reise geht, ist aber schon heute klar: Anfang April will die Regierung entscheiden, ob man mit Gebührenverweigerern laxer umgeht.
Bislang begeht, wer nicht bezahlt, eine Straftat. Erklärtes Ziel der Regierung ist, daraus bloß eine Ordnungswidrigkeit zu machen. Prinzipiell wäre gegen so eine Entkriminalisierung nichts zu sagen. Allerdings geht es Johnson & Co nur darum, die BBC zu schwächen. Die hält die Drohung mit dem Knast als Abschreckung nämlich weiterhin für dringend geboten.
Außerdem wird Dowden die Regierungslinie bei der Suche nach der neuen BBC-Chefin beziehungsweise dem neuen BBC-Chef durchsetzen. Anders als in Deutschland hat die Regierung hier eine Menge zu melden. Und Johnson soll gar nicht begeistert sein, dass der bisherige Director General Tony Hall schon diesen Sommer seinen Posten räumt. Denn damit ist der nicht eben auf Johnson-Kurs liegende Vorsitzende des BBC-Aufsichtsgremiums BBC Board, David Clementi, nochmal der andere entscheidende König*nnenmacher. Clementis Amtszeit endet nächstes Jahr, Halls Vertrag wäre noch bis 2022 gelaufen.
Finanzierung wie bei Netflix?
Welche Position Dowden persönlich zur BBC vertritt, ist schwer auszumachen. Auf seiner Abgeordnetenhomepage spielte sein neuer Aufgabenbereich bisher kaum eine Rolle. Dowden ist eigentlich Jurist, hat an der Eliteuniversität Cambridge studiert und gilt als glänzender Stratege. Außer einem Abstecher zu einer großen Beratungsagentur hat der 41-Jährige seine ganze Karriere in der konservativen Partei verbracht.
Einen Bezug zur BBC hat Dowden immerhin: In seinem Wahlkreis Hertsmere nordwestlich von London liegt Elstree, wo die BBC einen großen Studiokomplex unterhält. Produziert wird hier vor allem Unterhaltung, unter anderem die Soap „East Enders“. Dowden hat sich da zwar mal als Fan geoutet. Ende 2019 feierte er aber deutlich prominenter auf Twitter, dass auch Murdochs Bezahlsender Sky gerade ein Studio in Elstree baut.
Schon Dowdens Vorgängerin Nicky Morgan hatte durchblicken lassen, dass sie einer künftigen Finanzierung der BBC nach dem Vorbild von Abo-Modellen wie bei Sky oder Netflix positiv gegenübersteht. Nach dem Bericht einer großen Londoner Zeitung soll das mittlerweile beschlossene Sache sein, außerdem solle die BBC zahlreiche ihrer aktuell über 60 Radiostationen dichtmachen. Bei dem Blatt handelt es sich übrigens um die altehrwürdige Times. Besitzer: Rupert Murdoch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft