Reform des Vergewaltigungsparagrafen: Nein zu „Nein heißt Nein“
Das Bundeskanzleramt blockiert einen Gesetzentwurf von SPD-Justizminister Maas. Er sollte den Schutz gegen sexuelle Gewalt verbessern.
Mitte Juli legte Maas einen Gesetzentwurf „zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung“ vor. Er sollte Strafbarkeitslücken bei sexueller Gewalt gegen Frauen schließen. So soll es künftig strafbar sein, die Angst eines Opfers vor einem „empfindlichen Übel“ sexuell auszunutzen. Erfasst werden soll etwa der Fall, dass die Frau Angst vor der Gewalttätigkeit ihres Mannes hat und deshalb den erkennbar abgelehnten Geschlechtsverkehr über sich ergehen lässt. Anders als bisher käme es nicht darauf an, ob der Mann in dieser Situation Gewalt anwendet oder androht.
Maas’Referentenentwurf ging anschließend in die Ressortabstimmung der Bundesregierung, die bis Anfang September dauerte. Dabei gab es Rückmeldungen vom Innen-, Frauen- und Sozialministerium. Ein klares Veto kam nur aus dem Bundeskanzleramt. Nach Informationen der taz sieht man dort keinen Reformbedarf. Die Folge des Vetos: Die überfällige Anhörung von Ländern und Verbänden hat noch nicht begonnen und ist auch weiterhin blockiert.
Dabei steht Maas auch von anderer Seite unter Druck. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat gemeinsam mit dem Deutschen Frauenrat und anderen Verbänden eine Postkartenaktion unter dem Titel „Vergewaltigung verurteilen“ gestartet. Dort ist man auch mit Maas’Entwurf nicht zufrieden, weil er das Prinzip „Nein heißt Nein“ nicht konsequent umsetze.
Unverständliche Blockade durchs Kanzleramt
Der Anlass der Reform kam von außen. 2011 hat der Europarat ein „Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ beschlossen – die sogenannte Istanbul-Konvention. Dort heißt es: „Alle nicht-einvernehmlichen sexuellen Handlungen müssen unter Strafe gestellt werden.“ Die Bundesregierung hat den Vertrag zwar unterzeichnet, der Bundestag hat ihn aber noch nicht ratifiziert. Der bff geht davon aus, dass dies nicht möglich ist, solange das Sexualstrafrecht nicht verschärft wurde. Tatsächlich hat die Bundesregierung auch zur Ratifikation der Istanbul-Konvention noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Zuständig wäre Frauen- und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD). Doch die Blockade von Maas’Entwurf dürfte nicht von Dauer sein, denn die Fraktionen der Großen Koalition stehen hinter dem Minister.
„Die Blockadehaltung des Bundeskanzleramts ist mir völlig unverständlich“, erklärte etwa Dirk Wiese, der zuständige SPD-Abgeordnete. Aber auch Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU, sagte der taz: „Unsere Fraktion ist unverändert dafür, die Schutzlücken im Sexualstrafrecht zu schließen.“
Zumindest formal sitzen die Abgeordneten am längeren Hebel. „Wir können auch ohne das Kanzleramt ein Gesetz beschließen“, betonte Winkelmeier-Becker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch